Sonntag, 5. Juli 2020

Für den Deutschlandtakt braucht der Stuttgarter Hauptbahnhof 12 Zu-/Ablaufgleise, vier mehr als bei Stuttgart 21 bisher geplant

Der Deutschlandtakt gilt als gesetzt. Diese revolutionäre neue Fahrplanstruktur wird in ganz Deutschland kommen, auch beim Bahnknoten Stuttgart.

Die Zahl der Zu-/Ablaufgleise zu und von einem Bahnknoten ist für das Gelingen des Deutschlandtakts von enormer Bedeutung. Das Rendezvous der Züge (im Idealfall zur vollen und zur halben Stunde) gelingt umso besser, je mehr Zu- und Ablaufgleise bei einem Bahnknoten zur Verfügung stehen.

Der Projekt Stuttgart 21 sieht bisher nur acht Zu- und Ablaufgleise zum Stuttgarter Hauptbahnhof vor. Das sind zu wenig Gleise. Der Stuttgarter Hauptbahnhof benötigt mindestens 12 Zu- und Ablaufgleise.

Gehen wir Schritt für Schritt vor und sehen wir uns zunächst mal die Zufahrt Fildertunnel zum Stuttgarter Hauptbahnhof an.

Die Zufahrt Fildertunnel
Über die Zufahrt Fildertunnel kommen für das Rendezvous der Züge im Stuttgarter Hauptbahnhof zur vollen und zur halben Stunde mindestens die folgenden Züge:
  • Ein Fernzug von Ulm
  • Ein schneller Regionalzug von Ulm
  • Ein schneller Regionalzug von Sigmaringen-Tübingen
  • Ein MEX von Tübingen
  • Ein schneller Regionalzug bzw. Fernzug der Gäubahn
  • Ein MEX der Gäubahn
Es sind also mindestens sechs Züge, die über die Zufahrt Fildertunnel zu dem Rendezvous der Züge zur vollen und zur halben Stunde kommen. Nun können diese Züge aber nicht gleichzeitig kommen. Die Züge müssen vielmehr hintereinanderfahren. Hier stellt sich zunächst mal die Frage nach dem Abstand zwischen den Zügen. Heute haben wir beim Stuttgarter Hauptbahnhof und seinen Zuläufen grundsätzlich einen Abstand von drei Minuten zwischen zwei Zügen, die dasselbe Gleise benutzen.

Demnach dauert es also sechs mal drei = 18 Minuten, bis alle Züge über den Fildertunnel sich zum Rendezvous im Stuttgarter Hauptbahnhof eingefunden haben. Der letzte eintreffende Zug ist der Fernzug von Ulm. Dieser Zug fährt auch als erster wieder ab. Der Fernzug von Ulm kommt zwei Minuten vor der Symmetriezeit im Stuttgarter Hauptbahnhof an, somit also zur Minute 58 und zur Minute 28. Der erste Zug aus dem Fildertunnel zum Rendezvous kommt somit zur Minute 58 minus 18 = zur Minute 40 (bzw. zur Minute 10) im Hauptbahnhof an.

Nach dem Ablaufen der Symmetriezeit fährt der erste Fernzug in Richtung Ulm zur Minute 2 ab (bzw. Minute 32). Der letzte Zug durch den Fildertunnel fährt dann zur Minute 2 + 18 = zur Minute 20 ab (bzw. Minute 50).

Es dauert viel zu lang, bis alle Züge aus dem Fildertunnel den Hauptbahnhof erreicht haben
Damit haben wir den Salat. Die Rendezvouszeit geht von Minute 40 bis Minute 20 bzw. von Minute 10 bis Minute 50. Das ist ja viel zu lang! Das ist nicht attraktiv! Da überlappen sich die Rendezvouszeiten zur vollen und zur halben Stunde sogar! Da bleibt dann auch kaum mehr Platz für weitere Verstärkerzüge zwischen den Rendezvouszeiten.

Das geht also gar nicht. Welche Änderungen sind möglich? Man könnte mal versuchen, die Zugfolgezeit von drei auf zwei Minuten zu verkürzen. Davon sollte man eigentlich Abstand nehmen. Denn eine kurze Zugfolgezeit von zwei Minuten bedeutet auch, dass die minimalste Verspätung eines Zuges sich sofort auf die Folgezüge negativ auswirkt.

Wenn man aber mit einer Zugfolgezeit von zwei Minuten rechnet, dann dauert die Aufbauzeit für das Rendezvous nicht 18 Minuten, sondern sechs mal zwei = 12 Minuten. Das ist immer noch (zu) lang und zudem sehr verspätungsanfällig. Die gesamte Rendezvouszeit dauert dann immer noch 12 + 4 + 12 = 28 Minuten.

Der Falschfahrbetrieb auf der ersten/letzten Meile
Ein Werkzeug im Rahmen des Integralen Taktfahrplans ist die Einrichtung des Falschfahrbetriebs auf den unmittelbaren Zu-/Ablaufgleisen bei einem Knotenpunkt. Das könnte bedeuten, dass vor der vollen und halben Stunde beide Tunnelröhren des Fildertunnels für die in Richtung Hauptbahnhof fahrenden Züge zur Verfügung stehen. Nach der vollen und halben Stunde stehen dann die beiden Röhren für die aus Richtung Hauptbahnhof kommenden Züge zur Verfügung.

Die Anwendung dieses Werkzeugs muss aber für jeden Einzelfall ganz genau geprüft werden. Für den Fildertunnel mit einer Fahrzeit von ca. 8 Minuten ist Skepsis angesagt. Es ist durchaus möglich, dass der Falschfahrbetrieb im Fildertunnel nicht eingerichtet werden kann, wenn Verstärkerzüge zwischen den Rendezvouszeiten abgefertigt werden müssen.

Dann kommt beim Fildertunnel noch hinzu, dass das das Sicherheitskonzept von verschiedener Seite angezweifelt wird. Es ist durchaus möglich, dass es gar nicht zugelassen wird, dass in beiden Röhren Züge in die gleiche Richtung fahren. Vielleicht dürfen nicht einmal zwei Züge in einer Röhre gleichzeitig fahren (das hätte dann massive Auswirkungen auf die Zugfolgezeiten). Hier heißt es abzuwarten. Es ist durchaus möglich, dass es mit dem Fildertunnel noch Überraschungen geben wird und das ganze Kartenhaus Stuttgart 21 allein deswegen noch in sich zusammenfällt.

Die Gäubahn braucht eigene Zulaufgleise zum Hauptbahnhof
Es besteht immer noch der Sachstand, dass es zu lange braucht, bis alle über den Fildertunnel kommenden Züge sich im Hauptbahnhof für das Rendezvous versammelt haben.

Der einzige praktikable Ausweg ist, dass die Gäubahn aus dem Fildertunnel herausgenommen wird und eigene Zulaufgleise zum Hauptbahnhof erhält. Damit verblieben im Fildertunnel noch vier Züge pro Richtung und Rendezvous. Die Gäubahn fährt über ihre bereits vorhanden Gleise der Panoramastrecke zu einem ergänzenden Kopfbahnhof. Die Züge der Gäubahn kommen dann gleichzeitig mit den Zügen aus dem Fildertunnel im Hauptbahnhof an. Das Rendezvous kann kompakter ausfallen. Die Wartezeiten und Umsteigezeiten für die Fahrgäste verkürzen sich drastisch.

Beim Feuerbacher Tunnel besteht dasselbe Problem
Über die Zufahrt Feuerbacher Tunnel kommen für das Rendezvous der Züge im Stuttgarter Hauptbahnhof zur vollen und zur halben Stunde mindestens die folgenden Züge:
  • Ein Fernzug von Mannheim
  • Ein Fernzug von Karlsruhe-Bruchsal
  • Ein schneller Regionalzug bzw. Fernzug von Karlsruhe-Pforzheim
  • Ein schneller Regionalzug von Würzburg/Mannheim-Heilbronn
  • Ein MEX von Pforzheim
  • Ein MEX von Heilbronn
Damit haben wir bei der Zufahrt Feuerbacher Tunnel dasselbe Problem wie bei der Zufahrt Fildertunnel. Auch aus dem Feuerbacher Tunnel müssen einzelne Züge herausgenommen werden, damit das Rendezvous der Züge im Stuttgarter Hauptbahnhof nicht allzu lange dauert.

Beim Feuerbacher Tunnel bietet es sich an, zwei weitere Zulaufgleise zu schaffen, indem die beiden durch den Pragtunnel führenden Gleise weiterbetrieben werden. Diese Gleise führen dann in einen ergänzenden Kopfbahnhof. Die von der Schnellfahrstrecke von Vaihingen/Enz kommenden Züge fahren in den Feuerbacher Tunnel. Die von Ludwigsburg kommenden Züge fahren durch den Pragtunnel. Damit verbleiben sowohl im Feuerbacher Tunnel als auch im Pragtunnel je drei Züge pro Richtung und Rendezvous.

Das hört sich doch schon ganz anders an! Jetzt kann man die Rendezvouszeiten im Stuttgarter Hauptbahnhof kompakter halten und damit die Umsteigezeiten verkürzen und auch mehr Zeit zwischen den einzelnen Rendezvous´ für weitere Verstärkerzüge schaffen.

Fazit
Der Erfolg des Deutschlandtaks steht und fällt mit der Zahl der Zu-/Ablaufgleise zum Stuttgarter Hauptbahnhof. Das Projekt Stuttgart 21 sieht zur Zeit nur acht Zu-/Ablaufgleise vor. Das sind mindestens vier zu wenig. Die mindestens noch benötigten vier weiteren Zu-/Ablaufgleise lassen sich vergleichsweise einfach und schnell schaffen, indem man die Panoramastrecke der Gäubahn sowie den Pragtunnel weiterbetreibt. Die vier zusätzlichen Gleise führen in einen ergänzenden Kopfbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof..

           

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.