Samstag, 8. Juli 2023

Nach Stuttgart 21-Ergänzungsbahnhof-Affront: Landesverkehrsminister Hermann sollte zurücktreten

Landesverkehrsminister Hermann (Grüne) hat einen Ergänzungsbahnhof zum Stuttgart 21-Tiefbahnhof im Koalitionsvertrag der laufenden Legislatur in Baden-Württemberg festgezurrt und die Zustimmung der mitregierenden CDU erreicht.

Nach nicht einmal der Hälfte der Legislaturperiode hat Hermann den Ergänzungsbahnhof wieder abgesagt und statt dessen das genaue Gegenteil, nämlich tangentiale Bahnlinien beim Bahnknoten Stuttgart, angekündigt.

Dieser Vorgang wird wohl als größter Affront der laufenden Legislatur in die Geschichte eingehen. Und dieser Vorgang erfordert es zudem, dass Landesverkehrsminister Hermann jetzt seinen Rücktritt erklärt.

Warum braucht es beim Bahnknoten Stuttgart einen Ergänzungsbahnhof?

Der Deutschlandtakt
Der Deutschlandtakt erfordert beim Bahnknoten Stuttgart wesentlich mehr Gleise als der Stuttgart 21-Tiefbahnhof mit seinen acht Gleisen bieten kann. Nun könnte man erwidern, dass der Bahnknoten Stuttgart dann eben kein Vollknoten im Rahmen des Deutschlandtakts werden kann. Dem muss man aber erwidern, dass als Folge des Baus des Nordzulauftunnels die Kantenzeit für ICE zwischen Mannheim und Stuttgart bei 30 Minuten liegen wird und sich die ICE aus Richtung und Gegenrichtung dann sehr wohl im Stuttgarter Hauptbahnhof begegnen werden. Daraus folgt aber, dass der Stuttgarter Hauptbahnhof zwangsläufig zum Vollknoten werden muss.
 
Die 20 Jahre andauernden Nach-Stuttgart 21-Arbeiten
Nach einer Teileröffnung von Stuttgart 21 wird es weitere ca. 20 Jahre Bauarbeiten geben. Dazu gehört der Bau der P-Option und der Bau des Nordzulauftunnels. Diese Maßnahmen werden die Kapazität auf den Zulaufstrecken von Stuttgart 21 weiter einschränken. Deshalb ist wegen dieser Baumaßnahmen für mindestens 20 Jahre ein ergänzender Kopfbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof erforderlich.
 
Die S-Bahn
Die Stuttgarter S-Bahn braucht einen ergänzenden Kopfbahnhof, damit bei Störungen im Verlauf der Stammstrecke die Fahrgäste trotzdem zum Hauptbahnhof kommen. Darüber hinaus erfordern zusätzliche S-Bahn-Angebote, wie z.B. Express-S-Bahnen von/nach Kirchheim/Teck oder Marbach einen ergänzenden Kopfbahnhof.
 
Der Metropolexpress von und nach Calw
Dieser Metropolexpress sollte nicht im Stuttgarter Hauptbahnhof durchgebunden werden, sondern in einem ergänzenden Kopfbahnhof enden. Die Durchbindung von Zügen im Stuttgarter Hauptbahnhof nützt maximal 10 Prozent der Fahrgäste etwas. 90 Prozent der Fahrgäste steigen im Stuttgarter Hauptbahnhof aus, ein oder um. Zudem hat jeder Streckenast des Metropolexpress seine eigenen Anforderungen (z.B. Zuglänge, Taktung). Von daher ist eine Durchbindung kontraproduktiv.
 
Die Gäubahn
Gemäß der aktuellen Planung soll die Gäubahn ab 2025 für viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte den Stuttgarter Hauptbahnhof nicht mehr anfahren. Das ist europaweit einmalig. Der Ruf Stuttgarts als europäischer Außenseiter wäre damit weiter gefestigt.
 
Die Gäubahn braucht ebenfalls den Ergänzungsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof.
 
Der Pfaffensteigtunnel wird wohl kaum gebaut werden. Das liegt an den fehlenden Mitteln sowie an den Engpässen beim Personal sowie an der Unwichtigkeit im deutschlandweiten Vergleich. Zudem braucht die Gäubahn einen eigenen Zulauf zum Stuttgarter Hauptbahnhof, den sie sich nicht mit den anderen Zügen im Fildertunnel teilen muss.
 
Es gibt hier auch einen massiven Widerspruch. Einerseits erachtet man die Gäubahn als so unwichtig, dass sie jahrzehntelang den Stuttgarter Hauptbahnhof nicht mehr anfahren soll. Andererseits erachtet man die Gäubahn als so wichtig, dass man ihr den längsten Bahntunnel Deutschlands spendieren will. 
 
Die Tangentiallinien
In Deutschland und in Europa findet man keinen Bahnknoten, bei dem wie jetzt für Stuttgart angedacht, nennenswert Tangentiallinien verkehren. Tangentiallinien sind Linien, die weder die Innenstadt, noch den Hauptbahnhof anfahren. Stuttgart würde als einmal mehr zum Außenseiter.
 
Tangentiallinien haben nur einen Bruchtal der Fahrgäste im Vergleich zu den Radiallinien. Deshalb können Tangentiallinien nur in einem größeren Takt als Radiallinien verkehren. Damit aber werden Tangentiallinien unattraktiv. Die Kunst der Bahnverkehrsplanung besteht darin, dass Fahrgäste, die tangentiale Fahrten nachfragen, mit den Radiallinien genauso gut bedient werden.
 
Wie geht es weiter?
Landesverkehrsminister Hermann sollte, um weiteren Schaden abzuwenden, zurücktreten. Wie aber geht es dann weiter? Mir fällt gerade unter den Landes-Grünen niemand ein, der das Potenzial zu einem guten Landesverkehrsminister hätte. Vielleicht sollte man in anderen Bundesländern suchen oder einen parteilosen Fachmann anfragen.             

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