Der vorgeschlagene Pfaffensteigtunnel der Gäubahn ist in erster Linie eine Reparaturmaßnahme für das Projekt Stuttgart 21, indem er die - unfahrbare - Führung der Gäubahn über die Gleise der Flughafen-S-Bahn überflüssig macht.
Darüber hinaus wird der Pfaffensteigtunnel immer wieder auch als Voraussetzung für die Einführung des Deutschlandtakts (Integraler Taktfahrplan) bei der Gäubahn postuliert.
Wir sehen uns heute hier in diesem Blog die Sache näher an. Die Grundlage bildet der dritte Gutachterentwurf zum Deutschlandtakt, der einen Stundentakt mit Fernzügen zwischen Stuttgart und Singen (Hohentwiel) vorsieht. Ziel ist, auf den Pfaffensteigtunnel zu verzichten und mit der Führung der Gäubahn über die Stuttgarter Panoramastrecke und in einen ergänzenden Kopfbahnhof den Deutschlandtakt sogar noch besser umzusetzen als dies mit einem Pfaffensteigtunnel möglich wäre.
Im heutigen Post gibt es jede Menge Zahlen. Beim Durchlesen ist deshalb Geduld gefordert.
Die Taktknoten
Gesetzt als Taktknoten im Verlauf der Gäubahn sind Singen (Hohentwiel) als 30er-Knoten, Tuttlingen als 00er-Knoten und Böblingen als 00er-Knoten. Nach Fertigstellung des neuen Nordzulauftunnels kann der Stuttgarter Hauptbahnhof ein 00er/30er-Knoten werden, allerdings sind dazu weitere Bahnsteiggleise in Form eines Ergänzungsbahnhofs erforderlich.
30er-Knoten bedeutet, dass sich um die Minute 30 herum die Züge im Taktknoten treffen. 00er-Knoten bedeutet, dass sich um die Minute 00 herum die Züge im Taktknoten treffen.
Die Kantenzeiten
Unter einer Kantenzeit zwischen zwei Taktknoten versteht man das ganzzahlige Mehrfache der halben Taktzeit (Taktzeit = 60 Minuten, halbe Taktzeit = 30 Minuten).
Die Kantenzeit zwischen Singen (Hohentwiel) und Tuttlingen beträgt 30 Minuten. Die Kantenzeit zwischen Tuttlingen und Stuttgart-Hauptbahnhof beträgt 90 Minuten. Die Kantenzeit zwischen Singen (Hohentwiel) und dem Stuttgarter Hauptbahnhof beträgt 120 Minuten. Die Kantenzeit zwischen Tuttlingen und Böblingen beträgt 60 Minuten. Die Kantenzeit zwischen Böblingen und S-Hauptbahnhof beträgt 30 Minuten.
Die Fahrzeiten
Die erforderlichen Fahrzeiten errechnen sich, indem man von der Kantenzeit diejenigen Zeiten abzieht, die die Züge in den Knotenpunkten vor der Symmetriezeit ankommen müssen und nach der Symmetriezeit abfahren können.
Beispiel: Fahrzeit Böblingen - Stuttgart-Hauptbahnhof
Die Symmetriezeit in Böblingen ist zur Minute 00. Die Symmetriezeit in Stuttgart-Hauptbahnhof ist zu den Minuten 00 und 30. Der Zug kommt eine Minute vor der Symmetriezeit in Böblingen an und fährt eine Minute nach der Symmetriezeit dort wieder ab. Der Zug hält also zwei Minuten in Böblingen. Am Stuttgarter Hauptbahnhof kommt der Zug elf Minuten vor der Symmetriezeit an. Diese lange Zeit ist erforderlich, damit die Fahrgäste von dem Zug der Gäubahn in alle anderen Züge (z.B. nach Mannheim, nach Würzburg, nach München, nach Nürnberg, nach Karlsruhe usw.) ohne Hetze umsteigen können.
Damit errechnet sich die Soll-Fahrzeit Böblingen - Stuttgart-Hauptbahnhof wie folgt:
30 Minuten (Kantenzeit)
minus 1 Minute (Abfahrt des Zuges nach der Symmetriezeit in Böblingen)
minus 11 Minuten (Ankunft des Zuges vor der Symmetriezeit in Stuttgart-Hauptbahnhof)
gleich 18 Minuten.
Die Fahrzeit im Bestand zwischen S-Hauptbahnhof und Böblingen beträgt 19 Minuten. Es wäre somit nur noch eine Minute zwischen Böblingen und S-Hauptbahnhof zu beschleunigen. Hierzu gibt es den Vorschlag, den Hasenbergtunnel der Gäubahn, der sowieso erneuert werden muss, in einer gestreckteren Linienführung neuzubauen. Das dürfte die benötigte Fahrzeitminute bringen.
Die Fahrzeit zwischen Böblingen und S-Hauptbahnhof über den Pfaffensteigtunnel einschließlich eines zweiminütigen Halts am Flughafen wird mit 15 Minuten veranschlagt. Diese 15 Minuten an Stelle der gerade errechneten 18 Minuten werden benötigt, weil der dritte Gutacherentwurf zum Deutschlandtakt im Bahnhof Böblingen gar keinen sauberen Integralen Taktfahrplan vorsieht. Der Zug von Singen (Hohentwiel) nach Stuttgart kommt zur Minute 02 in Böblingen an und fährt zur Minute 04 dort wieder ab. Der Zug von Stuttgart nach Singen (Hohentwiel) kommt zur Minute 56 in Böblingen an und fährt zur Minute 58 dort wieder ab.
Um einen sauberen Integralen Taktfahrplan in Böblingen zu erhalten, sollte der Zug von Singen (Hohentwiel) drei Minuten früher dort ankommen. Der Zug von Stuttgart sollte dagegen drei Minuten später dort ankommen. Das ist dann machbar, wenn man im Verlauf der Strecke zwischen den Taktknoten Böblingen und Tuttlingen weitere Beschleunigungsmaßnahmen vorsieht.
Die Beschleunigung im Verlauf der Strecke zwischen den Taktknoten Böblingen und Tuttlingen
Im dritten Gutacherentwurf zum Deutschlandtakt sieht es mit den Fahrzeiten wie folgt aus:
Böblingen - Horb: Heutige Fahrzeit 23 Minuten, zukünftige Fahrzeit 20 Minuten
Horb - Rottweil: Heutige Fahrzeit 29 Minuten, zukünftige Fahrzeit 21 Minuten
Rottweil - Tuttlingen: Heutige Fahrzeit 16 Minuten, zukünftige Fahrzeit unverändert.
Drei weitere Minuten zwischen Böblingen und Tuttlingen sollten drin sein
Um den Pfaffensteigtunnel überflüssig zu machen, müssen zwischen Böblingen und Tuttlingen weitere drei Minuten Fahrzeitverkürzung über die bereits bekannten Beschleunigungsmaßnahmen hinaus erreicht werden. Damit wird es möglich, dass die Züge von Singen drei Minuten früher in Böblingen ankommen sowie dass die Züge von Stuttgart drei Minuten später in Böblingen ankommen können.
Diese zusätzlichen drei Minuten Beschleunigungsmaßnahmen müssten im Verlauf einer so langen Strecke wie Böblingen - Tuttlingen erreichbar sein, z.B. durch den weiteren zweigleisigen Ausbau oder durch Kurvenbegradigungen.
Weitere postive Effekte
Als Beipack wird durch diese Maßnahmen auch in Böblingen ein sauberer Taktknoten mit der Symmetriezeit Null eingeführt. Es gibt noch einen weiteren Beipack. Durch den Verzicht der Führung der Gäubahn durch den Pfaffensteigtunnel wird auch die Führung der Gäubahn durch den stark belasteten Fildertunnel überflüssig. Die Gäubahn erhält statt dessen eine eigene Zulaufstrecke zum Stuttgarter Hauptbahnhof. Die Fahrlagen der Gäubahn können sich am tatsächlichen Bedarf und an den Gegebenheiten des Integralen Taktfahrplans orientieren und brauchen keine Kompromisse einzugehen, wie das im Fildertunnel der Fall wäre.
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