Sonntag, 19. Juni 2022

Stuttgart 21 versus Deutschlandtakt: "Erst der Fahrplan, dann die Infrastruktur"

An zentraler Stelle des Webauftritts des Deutschlandtakts wird das Grundprinzip des Deutschlandtakts (Integraler Taktfahrplan) genannt: "Erst der Fahrplan, dann die Infrastruktur".

Damit aber ist das Projekt Stuttgart 21 das genaue Gegenteil des Deutschlandtakts. Denn beim Projekt Stuttgart 21 wurde zuerst die mögliche Infrastruktur bestimmt und dann versucht, einen Fahrplan zu erstellen.

Bei Stuttgart 21 stand zunächst mal fest, dass alle oberirdischen Gleise beim Kopfbahnhof sowie der Kopfbahnhof selbst verschwinden müssen. Weiter stellte man bei Stuttgart 21 fest, dass der unterirdische Durchgangsbahnhof aus Platzgründen nur acht Gleise haben kann. Weiter wurde festgelegt, dass die heute schon überlastete Zufahrt Zuffenhausen (Nordzulauf) weiterhin nur zwei Gleise für den Fern- und Regionalverkehr haben kann. Dafür waren Kostengründe verantwortlich. Und nicht zuletzt wurde entschieden, dass die Gäubahn sogar auf ihre heute bestehenden eigenen Gleise im Zulauf zum Stuttgarter Hauptbahnhof verzichten muss und sich auf einer S-Bahnstrecke mit den S-Bahnzügen um den Platz streiten muss.

Damit aber war die Freiheit der Fahrplangestaltung, wie sie bei anderen Bahnprojekten an erster Stelle steht, verlorengegangen. Die Fahrplangestalter mussten sich damit zufriedengeben, was diese vorher festgelegte Infrastruktur noch hergab.

Grundangebot im Halbstundentakt für alle Strecken und Zugkategorien
Der Deutschlandtakt sieht ein Grundangebot von Fernverkehrszügen im Halbstundentakt auf den wichtigsten Strecken vor. Dazu kommt ein Grundangebot von Regionalverkehrszügen auf allen anderen Strecken. Weiter sieht der Deutschlandtakt das Treffen der Züge zur vollen und zur halben Stunde (bzw. in einigen wenigen Fällen zur viertel und zur dreiviertel Stunde) in den Knotenpunktsbahnhöfen vor.

Als Stuttgart 21 im Jahr 1994 überfallartig präsentiert worden ist, war der Deutschlandtakt noch kein Thema. In der Schweiz arbeitete man jedoch schon längst intensiv an der Umsetzung der Integralen Taktfahrplans. Die Infrastruktur stand bei Stuttgart 21 von vornherein fest. Neue Entwicklungen wie z.B. der Deutschlandtakt oder das Metropolexpresssystem konnte Stuttgart 21 nicht aufgreifen. Sogar schon für einen Betrieb ohne Deutschlandtakt und ohne Metropolexpress ist das ursprüngliche Stuttgart 21 zu schwach dimensioniert. Denn es mussten der digitale Pilotknoten und der ursprünglich nicht beabsichtigte Einsatz von Doppelstockzügen im Regionalverkehr nachgeschoben werden, ebenso die Große Wendlinger Kurve und der Regionalbahnhof Vaihingen. Und als Höhepunkt gibt es auch noch eine Doppelbelegung von Bahnsteiggleisen, die wesentlich geneigter sind als es die nationalen Gesetze für Bahnhöfe zulassen. Eine Betriebsgenehmigung ist dafür noch nicht vorhanden. Sage also niemand, dass Stuttgart 21 langweilig wird!

Gibt es einen Ausweg aus dem Dilemma?
Die ursprüngliche Planung von Stuttgart 21, wonach der gesamte Kopfbahnhof sowie alle Gleise im Zulauf zum Kopfbahnhof verschwinden sollen, ist zu revidieren. Es muss ein Teil des Kopfbahnhofs erhalten bleiben. Ebenso müssen die Zuläufe der Gäubahn sowie von Zuffenhausen zum Kopfbahnhof erhalten bleiben.

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