Sonntag, 10. März 2019

Neue Maßgaben für Mischbetrieb auf der Flughafen-S-Bahn erschweren die Befahrbarkeit der Strecke weiter

Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur hat neue Maßgaben für den bei der aktuellen Stuttgart 21-Planung erforderlichen Mischbetrieb auf der Strecke der
Flughafen-S-Bahn von Stuttgart-Rohr zum Flughafen festgesetzt.

Durch die neuen Maßgaben wird die Fahrbarkeit dieses Streckenabschnitts weiter erschwert. Die neuen Maßgaben kommen zu den bisher bereits in Betrieb befindlichen bzw. geplanten Engstellen für die Gäubahn in diesem Bereich noch hinzu. Bereits ohne die neuen Maßgaben wurde die Befahrbarkeit der Strecke Herrenberg-Böblingen-Rohrer Kurve-Flughafen-Fildertunnel-Hauptbahnhof und zurück für die Züge der Gäubahn hier in diesem Blog mehrfach in Frage gestellt. Mit den neuen Maßgaben wird die Befahrbarkeit weiter erschwert. Damit führt an einer Änderung der Planungen mit einer Beibehaltung der Führung der Gäubahn über Stuttgart-Vaihingen und die Panoramastrecke zu einem reduzierten Kopfbahnhof als Teil eines Kombibahnhofs beim Stuttgarter Hauptbahnhof wohl kein Weg mehr vorbei.

Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur hat mit einem Schreiben vom 28.12.2018 auf eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Matthias Gastel geantwortet. Matthias Gastel hat diese Antwort öffentlich gemacht.


Hintergrund ist, dass die Strecke der Flughafen-S-Bahn zwischen S-Rohr und dem Flughafen zumindest auf Teilstrecken als reine S-Bahnstrecke erbaut worden ist. Die Mitbenutzung dieser Strecke durch Regionalzüge und Fernzüge bedarf einer Sondergenehmigung. 

Sondergenehmigung war zunächst zeitlich befristet
Bereits vor einigen Jahren wurde vom zuständigen Bundesministerium eine solche Sondergenehmigung erteilt. Sie war allerdings zeitlich befristet. Vor wenigen Monaten wurde nun die Befristung aufgehoben. Auf den ersten Blick sah dies so aus, als ob damit die Probleme mit dem Mischbetrieb auf der Flughafen-S-Bahn zumindest in baulicher Hinsicht für alle Zeit behoben wären. Erst die jetzt öffentliche Stellungnahme der Bundesregierung zeigt, dass die Aufhebung der zeitlichen Befristung des Mischbetriebs mit  neuen Auflagen verbunden ist, durch die das Problem des Mischbetriebs keineswegs erledigt ist. Vielmehr tragen diese Auflagen dazu bei, dass die Unfahrbarkeit der Strecke für die Gäubahn immer deutlicher wird.

Unter den zahlreichen neuen Auflagen ist vor allem die Auflage Nr. 3 für den Mischbetrieb bedeutsam. Sie lautet wörtlich: "Es ist sicherzustellen, dass bei einem unvorhergesehenen Halt eines Zuges unverzüglich andere Züge in diesem Bereich durch Notruf angehalten werden sowie der zuständige Fahrdienstleiter verständigt wird und dieser beide Streckengleise sperrt. Dies gilt unabhängig davon, ob unbefugt eine Außentür geöffnet oder eine Tür-Notentriegelung betätigt wird."

Es läuft auf ein Begegnungsverbot für die Gäubahnzüge hinaus 
Diese Auflage läuft darauf hinaus, dass es ein Begegnungsverbot zwischen zwei Zügen der Gäubahn zwischen S-Rohr und dem Flughafen gibt. Denn es kann in keinster Weise ausgeschlossen werden, dass ein Zug der Gäubahn zwischen S-Rohr und dem Flughafen zum Stehen kommt, sei es vor einem Halt zeigenden Signal oder aus irgendwelchen anderen Gründen. Es kann darüber hinaus in keinster Weise ausgeschlossen werden, dass ein Gegenzug der Gäubahn sich dann bereits so nahe am stehenden Zug befindet, dass dieser Gegenzug durch einen Notruf oder einen Fahrdienstleiter nicht mehr angehalten werden kann.

Die Auflage Nr. 3 läuft also auf ein Begegnungsverbot und damit einen betrieblich (nicht: baulich) eingleisigen Streckenabschnitt für die Gäubahn zwischen S-Rohr und dem Flughafen hinaus. Damit gibt es für die Gäubahn zusätzlich zu den bereits bestehenden Engstellen eine weitere Engstelle. Listen wir diese Engstellen für die Gäubahn, die unmittelbar hintereinanderfolgen, noch einmal genau auf (die neue Engstelle ist farblich hervorgehoben):

Fahrtrichtung von Herrenberg zum Hauptbahnhof
Mischbetrieb S-Bahn/Regionalzüge/Fernzüge zwischen Herrenberg und S-Rohr
Einfädelung in die Strecke zum Flughafen
Mischbetrieb S-Bahn/Regionalzüge/Fernzüge zwischen S-Rohr und dem Flughafen
Betrieblich eingleisige Strecke für die Gäubahn zwischen S-Rohr und dem Flughafen
Höhengleiche Gleiskreuzung beim Flughafenbahnhof zwischen der Gäubahn und der S-Bahn vom Flughafen
Eingleisiger Flughafenbahnhof für die Gäubahn
Einfädelung in die Strecke von Wendlingen
Mischbetrieb Gäubahn/Regionalzüge/Fernzüge im Fildertunnel

Fahrtrichtung vom Hauptbahnhof nach Herrenberg
Einfädelung beim Hauptbahnhof in den Fildertunnel 
Mischbetrieb Gäubahn/Regionalzüge/Fernzüge im Fildertunnel
Eingleisiger Flughafenbahnhof für die Gäubahn
Einfädelung in die Strecke der S-Bahn vom Flughafen
Mischbetrieb S-Bahn/Regionalzüge/Fernzüge zwischen Flughafen und S-Rohr
Betrieblich eingleisige Strecke für die Gäubahn zwischen S-Rohr und dem Flughafen
Einfädelung in die Strecke der S-Bahn nach Böblingen
Mischbetrieb S-Bahn/Regionalzüge/Fernzüge zwischen S-Rohr und Herrenberg

Diese unmittelbare Aufeinanderfolge zahlreicher Engstellen für die Gäubahn ist im bundesweiten Bahnnetz einmalig und nicht fahrbar. Damit ist es jetzt Zeit, die Weichen für die Gäubahn anders zu stellen.

Dies sollte mit einem Eingeständnis beginnen, dass die bisherige Bahnplanung am Stuttgarter Flughafen gescheitert ist. Diese Planung stand von Anfang an auf tönernen Füßen.

Die Stuttgart 21-Planung am Flughafen ist gescheitert
Die Bahn wollte die ICE-Strecke Stuttgart-Ulm niemals über den Flughafen, sondern vom Neckartal durch einen Tunnel bei Denkendorf nach Wendlingen führen. Es war das Land BW, das darauf bestand, dass die ICE über den Stuttgarter Flughafen fahren und damit einen doppelten Umweg (sowohl im Grundriss als auch im Aufriss) in Kauf nehmen. Jetzt stellt sich heraus, dass die Bahn gar nicht vorhat, nennenswert ICE am Stuttgarter Flughafen halten zu lassen.

Relativ früh war den Stuttgart 21-Betreibern klar, dass die Sache mit den ICE am Flughafen vielleicht doch nicht so ideal ist. Deshalb wurde postuliert, dass am Flughafen nach dem Stuttgarter Hauptbahnhof ein zweiter Bahnknoten entstehen müsse, an dem auch Regionalzüge halten und umgestiegen wird. Hierbei stößt man allerdings bereits wieder auf einen Widerspruch. Einerseits wenden sich die Stuttgart 21-Betreiber immer noch gegen einen Kombibahnhof am Stuttgarter Hauptbahnhof. Die Umsteigewege beim angedachten Flughafenbahnhof sind allerdings viel länger und beschwerlicher als dies bei einem Kombibahnhof beim Hauptbahnhof jemals der Fall wäre.

Es fällt auch auf, dass die Stuttgart 21-Planung mit einem Bahnknoten am Flughafen kaum irgendwo auf der Welt kopiert wird. Im Gegenteil wird fast überall darauf geachtet, dass nur diejenigen Fahrgäste mit dem Schienenverkehrsmittel zum Flughafen gebracht werden, die auch wirklich zum Flughafen wollen.

Die Stuttgart 21-Planung am Flughafen wird weltweit nirgendwo kopiert
Vor allem unter Sicherheitsaspekten ist dies von Bedeutung. Ein Flughafen ist eine sicherheitlich hochsensible Einrichtung. Da sollte es keine Planung zulassen, dass am Flughafen auch noch ein Bahnumsteigepunkt einrichtet wird und damit viele Fahrgäste zum Flughafen gebracht werden, die mit dem Flughafen gar nichts am Hut haben. Bereits der heutige Zustand am Stuttgarter Flughafen ist nicht ideal. Besucher der Messe, die mit der S-Bahn anreisen, müssen je nach Wegvariante mehr oder weniger lang durch das Flughafengebäude irren, bis sie den Weg in Richtung Messe einschlagen können.

Die bisherige Bahnplanung am Flughafen ist also in einer Sackgasse. Eine Änderung ist auch deshalb noch möglich, weil mit dem Bau der kritisierten Teile von Stuttgart 21 noch gar nicht begonnen worden ist.

Noch ist der Zug für die Gäubahn nicht abgefahren
Der Hauptumsteigepunkt auf den Fildern muss der bestehende und auszubauende Bahnhof Stuttgart-Vaihingen werden. Dieser Bahnhof muss von den Zügen der Gäubahn angefahren werden. Die Gäubahn fährt dann weiter über die Panoramstrecke zum Stuttgarter Hauptbahnhof, konkret: zu einem Kopfbahnhof, der rechtwinklig zum unterirdischen Durchgangsbahnhof angeordnet ist und möglichst nahe an diesem Durchgangsbahnhof liegt.

Eine Ertüchtigung der Panoramstrecke der Gäubahn mit einem Neubau des Hasenbergtunnels und des Kriegsbergtunnels sowie einer neuen Führung der Gäubahn beim Nordbahnhof sowie einer möglicherweise unterirdischen Führung zwischen Nordbahnhof und Kopfbahnhof erfolgt im Rahmen eines eigenständigen Projekts erst nach Abschluss des Projekts Stuttgart 21.   
 
       

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