Freitag, 22. März 2019

Die Argumentationsprobleme beim Projekt Stuttgart 21 zu ETCS, S-Bahn und Stadtbahn, Teil 3 von 4

Dies ist der dritte von vier hintereinanderfolgenden Posts in diesem Blog, in dem auf einen Kommentar der Stuttgarter Zeitung vom 20. März 2019 geantwortet wird. Der Kommentar ist von Thomas Durchdenwald verfasst und trägt den Titel "Signaltechnik für S-Bahnen in Stuttgart "Vom Trumpf zur Lusche"".

Im vorangegangenen Post ging es um die Vorteile und Nachteile, die Stuttgart 21 für die S-Bahn bereithält sowie um den Umstand, dass ursprünglich das Projekt Stuttgart 21 eigentlich ohne zusätzliches ETCS das Himmelreich für die S-Bahn bringen sollte.

Heute geht es um die zweite Stammstrecke für die Münchner S-Bahn und um die im Kommentar losgetretene Neiddebatte zu München.

Das sagt der Kommentar
In München wird gerade eine zweite Stammstrecke für die S-Bahn gebaut. In München wird mit Kosten von vier Milliarden Euro gerechnet. Ist ein Verkehrsminister der CSU zwar gut für München, aber schlecht für Stuttgart?


München hat das Projekt München 21 dankend abgelehnt
Wenn vom Bau der zweiten Stammstrecke der S-Bahn in München die Rede ist, dann kann dies nicht ohne die Erwähnung erfolgen, dass München das Projekt München 21 dankend abgelehnt hat. Nicht nur die Bevölkerung, sondern auch die Politik in München und in Bayern war der Auffassung, dass München 21 wenig bringt, aber unglaublich viel kostet.

Wäre München 21 gebaut worden, dann stünde Bundesverkehrsminister Scheuer jetzt vor dem Dilemma, dass auch dieses Projekt um 3 bis 5 Milliarden Euro teurer geworden wäre als vereinbart und vertraglich festgelegt. Dann hätten die Bahn und/oder der Bund auch für München 21 jetzt 3 bis 5 Milliarden Euro zuschießen müssen, so wie das bei Stuttgart 21 der Fall ist.

München 21 wurde aber nicht gebaut. Deshalb ist man in München jetzt in der Lage, für 4 Milliarden Euro eine zweite Stammstrecke für die S-Bahn zu bauen. Das Geld dafür ist vorhanden, eben unter anderem auch deshalb, weil es nicht für München 21 verbraten worden ist.

Und im Gegensatz zu Stuttgart 21 ist die zweite Stammstrecke der Münchner S-Bahn ein absolut sinnvolles Projekt. Es erhöht die Kapazitäten der S-Bahn massiv. Es wird die Regelmäßigkeit und Pünktlichkeit der S-Bahn markant verbessern, unter anderem auch deshalb, weil die Zahl der Züge in der ersten Stammstrecke nach Inbetriebnahme der zweiten Stammstrecke kleiner werden wird.

In München wird bei der S-Bahn etwas ganz anderes gemacht als in Stuttgart
Das ist ja schon ein markanter und auffallender Gegensatz. In Stuttgart versucht man, mit der neuen Signaltechnik ETCS, deren Erfolg bisher nicht bewiesen ist, die bereits heute zu hohe Zahl der Züge im Verlauf der Stammstrecke der S-Bahn weiter zu erhöhen. In München wird man nach der Inbetriebnahme der zweiten Stammstrecke der S-Bahn einige Züge von der ersten Stammstrecke zur zweiten Stammstrecke verschieben und damit die zu hohe Zahl der Züge im Verlauf der ersten Stammstrecke verkleinern. Mir scheint das Vorgehen in München wesentlich erfolgversprechender zu sein als dasjenige in Stuttgart.

Die heimliche München-Bewunderung und der München-Neid haben in Stuttgart Tradition
"Das beste an Stuttgart ist der Schnellzug nach München" und "Das beste an Stuttgart ist die Autobahn nach München": Das sind inzwischen geflügelte Worte geworden.

Erst in jüngster Zeit haben diese München-Bewunderung und der München-Neid im Zusammenhang mit Stuttgart 21 erneut ihre Auferstehung gefeiert. Die frühere baden-württembergische Ministerin Schavan (die ja gar keine Schwäbin ist, sondern aus dem Rheinland stammt) gab in überraschender Offenheit das eigentlich hinter Stuttgart 21 stehende Motiv zu. Sie sagte sinngemäß, dass die Landespolitik mit Stuttgart 21 München zeigen wollte, was dieses Stuttgart draufhat.

Ich habe ja überhaupt nichts dagegen, dass Stuttgart versucht, München nachzueifern. Ein konstruktiver Wettbewerb unter den Städten schadet nicht. Aber warum schafft es Stuttgart immer wieder, sich bei diesem Nacheifern nur lächerlich zu machen, wie das jetzt mit Stuttgart 21 wieder geschehen ist?

Von einer Bevorzugung Münchens oder Bayerns kann diesmal keine Rede sein
Die deutschen Bundesländer achten ja immer wieder streng darauf, dass der Bund alle gleich behandelt und nicht eines von ihnen bevorzugt. Und es mag tatsächlich so gewesen sein, dass z.B. das Verkehrsministerium unter dem früheren Minister Dobrindt überdurchschnittlich viele Straßenprojekte und Straßentunnelprojekte in Bayern gestartet hat.

Im Zusammenhang mit  der zweiten Stammstrecke der Münchner S-Bahn kann davon jedoch keine Rede sein. Das hätte Stuttgart auch haben können, wenn man auf die Schnapsidee Stuttgart 21 verzichtet hätte. Dann hätte Stuttgart wirklich und tatsächlich mit München gleichziehen können. Und im Zusammenhang mit dem Bau der zweiten Stammstrecke der S-Bahn in München wird bereits die neue viergleisige U-Haltestelle Hauptbahnhof der vierten Stammstrecke der Münchner U-Bahn mitgebaut - mit riesigen Fußgänger-Verteilflächen, vielleicht dreimal so groß, wie das am Stuttgarter Hauptbahnhof der Fall ist. In Stuttgart hat  die Stadtbahn gerade mal zwei Stammstrecken und der Bau einer dritten Stammstrecke ist immer noch nicht in Sicht.

Im folgenden Post morgen in diesem Blog geht es um die Forderungen aus Baden-Württemberg an den Bund, das neue Signalsicherungssystem ETCS zu finanzieren sowie darum, warum es besser ist, der Bund bleibt hier standhaft und sagt nein.            
     

 

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