Donnerstag, 8. November 2018

Geplanter Ausbau des Bahnknotens Frankfurt/Main versus Stuttgart 21

Das Bundesverkehrsministerium hat jetzt Pläne veröffentlicht, nach denen verschiedene Bahnknoten in Deutschland ausgebaut werden sollen, um deren Leistungsfähigkeit zu erhöhen und die Pünktlichkeit und Regelmäßigkeit des Bahnbetriebs zu verbessern.

Unter diesen Bahnknoten ist auch Frankfurt/Main. Dort soll unter anderem eine zum Teil unterirdisch verlaufende Durchmesserlinie gebaut werden, die zukünftig den Fernverkehr der Nord-Süd-Relation (Hamburg/Bremen/Berlin - Frankfurt - Mannheim/Basel/Stuttgart) sowie der Ost-West-Relation (Leipzig/Halle - Frankfurt - Mannheim/Saarbrücken) aufnehmen wird.

Im heutigen Post in diesem Blog wollen wir die Pläne für den Ausbau des Bahnknotens Frankfurt/Main mit dem Projekt Stuttgart 21 vergleichen. Das Ergebnis des Vergleichs soll vorweggenommen werden: 

Den Ausbau des Bahnknotens Frankfurt/Main mit einer neuen Durchmesserlinie hätte man bereits in den Neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts beginnen müssen. Andererseits hätte man das Projekt Stuttgart 21 niemals beginnen dürfen. Allenfalls hätte es für Stuttgart ebenfalls eine zusätzliche Durchmesserlinie, bestehend aus dem Feuerbacher Tunnel, einem viergleisigen unterirdischen Bahnhof beim Hauptbahnhof und dem Untertürkheimer Tunnel geben dürfen.


Der Bund finanziert den Ausbau des Bahnknotens Frankfurt/Main, nicht aber Stuttgart 21
Der Ausbau des Bahnknotens Frankfurt/Main wie auch der Ausbau anderer überlasteter Bahnknoten ist nicht billig. Es werden da schnell viele Milliarden Euro fällig. Der Ausbau dieser Bahnknoten ist jedoch eine Sache des Bundes. Konsequenterweise ist es deshalb auch der Bund, der den Ausbau des Bahnknotens Frankfurt/Main wie auch den Ausbau anderer Bahnknoten (darunter Mannheim und Köln) alleine finanzieren wird.

Der Bund finanziert den Ausbau seines Schienennetzes nur, wenn ein entsprechender Bedarf da ist. Für den Ausbau des Bahnknotens Frankfurt/Main wie auch für den Ausbau anderer Bahnknoten scheint somit aus der Sicht des Bundes ein Bedarf zu bestehen.

Das bedeutet jedoch um Umkehrschluss, dass aus der Sicht des Bundes für den Ausbau des Bahnknotens Stuttgart zunächst kein Bedarf besteht. Der Bund finanziert im Rahmen des Projekts Stuttgart 21 nur denjenigen Betrag, der angefällen wäre, hätte man die NBS Wendlingen-Ulm mit einem Tunnel unter Denkendorf und mit zwei zusätzlichen Gleisen von Obertürkheim nach Bad Cannstatt und weiter zum Hauptbahnhof an das Bestandsnetz angebunden.

Vor diesem Hintergrund erscheinen Statements in der Form, dass Stuttgart mit dem Projekt Stuttgart 21 einen neuen Bahnhof geschenkt bekomme, absurd. Stuttgart 21 wird in erster Linie nicht vom Bund, sondern von der Landeshauptstadt Stuttgart und dem Land BW finanziert. Die von der Bahn nach jetzigem Sachstand alleine zu tragenden Kostensteigerungen wird diese versuchen, ebenfalls später beim Land und bei der Landeshauptstadt zurückzuholen.

Brisant wird die Sache, wenn es um die dringend notwendigen Ergänzungen von Stuttgart 21 geht, damit das Schlimmste an diesem Projekt noch verhindert wird und damit dieses Projekt doch noch eine Leistungssteigerung bewirkt. Dazu gehören das fünfte und sechste Gleis zwischen Zuffenhausen und Feuerbach, die Ertüchtigung und Wiederinbetriebnahme des Pragtunnels, die Ertüchtigung der Panoramastrecke der Gäubahn und ein achtgleisiger Kopfbahnhof. Diese Investitionen erscheinen im überarbeiteten Investitionsprogramm des Bundes für die Ertüchtigung der Bahnknoten nicht.

Es ist also zu befürchten, dass die zusätzlichen Investitionen in den Bahnknoten Stuttgart, die auf das Projekt Stuttgart 21 noch aufgesattelt werden müssen, ebenfalls beim Land BW und bei der Landeshauptstadt Stuttgart hängen bleiben werden. In der Verweigerung des Bundes, diese zusätzlichen Investitionen für den Bahnknoten Stuttgart zu stemmen, steckt m.E. ein Stück Verärgerung über das Projekt Stuttgart 21 und dessen Macher. Denn der Bund weiß zur Zeit noch nicht, wieviele zusätzliche Mittel die Bahn für das Projekt Stuttgart 21 schultern muss, Mittel, die direkt oder indirekt später dann doch der Bund wieder übernehmen muss.

Die Planungen für den Bahnknoten Frankfurt/Main gab es auch für den Bahnknoten Stuttgart
Vor der Präsentation des Bahnprojekts Stuttgart 21 im Jahr 1994 gab es auch für Stuttgart Pläne, zusätzlich zum Kopfbahnhof eine Durchmesserlinie einzurichten. Sie bestand in etwa aus den Modulen eines Feuerbacher Tunnels, eines viergleisigen Durchgangsbahnhofs beim Hauptbahnhof und eines Untertürkheimer Tunnels.

Stuttgart 21 entstand dann aus diesen Plänen. Die damaligen Entscheider des Landes waren der Auffassung, dass der ICE unbedingt über den Stuttgarter Flughafen fahren muss sowie dass das Gleisvorfeld des Stuttgarter Hauptbahnhofs unbedingt vollständig geräumt werden muss.

Die Führung des ICE über die Filderhochfläche und den Stuttgarter Flughafen wird bereits heute, viele Jahre vor der Inbetriebnahme, fast allerorts als kolossale Fehlplanung angesehen. Und mit der vollständigen Freiräumung des Gleisvorfelds steht Stuttgart in Europa ganz alleine da. Es gibt keine andere Großstadt in Europa, die die oberirdisch verlaufende Eisenbahn vollständig aus ihrem Zentrum verbannt. Bisher sind keine Argumente bekannt, warum ausgerechnet in Stuttgart die Bahn vollständig von der Oberfläche verschwinden muss.

Die Durchmesserlinie für Frankfurt/Main ist ungleich wichtiger als die Durchmesserlinie für Stuttgart
Schon in den Jahren vor 1994 herrschte unter Fachleuten Verwunderung darüber, warum in Stuttgart eine Durchmesserlinie für den Fernverkehr gebaut werden soll, nicht aber in Frankfurt/Main. Eine Durchmesserlinie in Frankfurt/Main für den Fernverkehr - so die vielfach gehörte Meinung - wäre doch wesentlich wichtiger als eine Durchmesserlinie in Stuttgart. Dafür wurden die folgenden Gründe angeführt:
  • Der Fernverkehr der Nord-Süd-Relation sowie der Ost-West-Relation muss in Frankfurt beim Anfahren des Kopfbahnhofs einen wesentlich größeren Umweg machen als dies in Stuttgart der Fall ist.
  • Da Frankfurt/Main in der Mitte Deutschlands liegt, gibt es dort wesentlich mehr durchfahrende Fahrgäste als in Stuttgart, Fahrgäste also, die vom Umweg über den Kopfbahnhof negativ betroffen sind.
  • Im Gegensatz zum Stuttgarter Hauptbahnhof, wo es im Gleisvorfeld das Tunnelgebirge gibt, sind im Frankfurter Hauptbahnhof fast nur höhengleiche Gleiskreuzungen vorhanden. Durchgebundene Züge sind im Frankfurter Hauptbahnhof somit ein Betriebshindernis.
Da die Probleme des Bahnknotens Frankfurt/Main seit Jahrzehnten nicht gelöst worden sind, musste die Bahn reagieren. Es gibt bereits mehrere Fernverkehrslinien, die den Frankfurter Hauptbahnhof gar nicht mehr anfahren. Sie halten statt dessen nur noch am Bahnhof Frankfurt Flughafen bzw. am Südbahnhof. Erst jetzt, mit jahrzehntelanger Verspätung, will der Bund die Probleme in Frankfurt beheben.

Fazit
Es wäre wirklich besser gewesen, das Land Baden-Württemberg hätte sich nicht in die Belange des Bundes eingemischt, indem es das Projekt Stuttgart 21 propagiert hat. 

Statt dessen hätte der Bund in den Neunziger Jahren den Ausbau wichtiger Bahnknoten angehen müssen. Der Ausbau des Bahnknotens Stuttgart - das muss man bei allem Lokalpatriotismus feststellen - wäre nicht unter die erste Dringlichkeit gefallen.

Gleichwohl hätte der Bund im Rahmen eines zweiten Ausbauschritts auch den Bahnknoten Stuttgart ausgebaut, mit einem fünften und sechsten Gleis zwischen Obertürkheim und Bad Cannstatt, mit einem fünften und sechsten Gleis zwischen Bad Cannstatt und dem Hauptbahnhof, mit einem fünften und sechsten Gleis zwischen Zuffenhausen und dem Hauptbahnhof und später dann mit einer Durchmesserlinie von Feuerbach über den Hauptbahnhof nach Untertürkheim.

Und diese Ausbauschritte hätten die Bürgerinnen und Bürger von Stuttgart und von Baden-Württemberg dann tatsächlich vom Bund geschenkt bekommen - und nicht aus der eigenen Tasche finanzieren müssen, wie das bei Stuttgart 21 de facto der Fall ist. 
       
  

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