In einer Vorlage zur Sitzung des Verkehrsausschusses des Verbands Region Stuttgart am 18.01.2023 stellt die Bahn dar, dass sie zukünftig auf eine Nutzung der Stuttgarter Panoramastrecke der Gäubahn durch S-Bahn-Fahrzeuge verzichten will. Das gilt auch und gerade für die Stammstreckensperrungen bei der S-Bahn während der Sommerferien.
Damit aber stellt sich die Frage des Betriebskonzepts für die Panoramastrecke der Gäubahn nach einer ersten Teilinbetriebnahme von Stuttgart 21 neu. Es sind ja für ein solches Betriebskonzept zwei Varianten auf dem Markt, die sich diametral widersprechen.
Betriebskonzept Tangentiale S-Bahn
Die eine Variante sieht vor, dass die Panoramastrecke zukünftig von tangential verkehrenden S-Bahnen befahren wird. Diese S-Bahnlinien fahren dann den Stuttgarter Hauptbahnhof nicht an. Gleichwohl spricht man hier von einer zweiten Stammstrecke der Stuttgarter S-Bahn.
Dieses Betriebskonzept haben wir hier in diesem Blog stets mit Entschiedenheit abgelehnt. Eine Stammstrecke führt grundsätzlich über die Innenstadt und/oder über den Hauptbahnhof. Eine tangentiale Stammstrecke ist ein Widerspruch in sich. Tangentiale Linien ziehen zudem bei weitem nicht so viele Fahrgäste an wie radiale Linien. Sie benötigen aber den gleichen Betriebsaufwand wie radiale Linien und auf den Außenstrecken dieselben Slots wie radiale Linien. Zudem fahren sie in einem größeren Takt als die radialen S-Bahnlinien und verlieren dadurch weiter an Attraktivität.
In den deutschen S-Bahnnetzen findet man tangentiale S-Bahnlinien wo gut wie nicht. Aus gutem Grund!
Mit den neuen Entwicklungen und dem Antrag der Bahn auf Wegnahme der S-Bahnfahrzeuge von der Panoramastrecke der Gäubahn gibt es jetzt ein weiteres Argument für das Scheitern des Konzepts von tangentialen S-Bahnlinien.
Betriebskonzept einer radialen Zulaufstrecke zum Stuttgarter Hauptbahnhof
In diesem Blog wurde stets die Auffassung vertreten, dass die Stuttgarter Panoramastrecke der Gäubahn als radiale Zulaufstrecke zum Stuttgarter Hauptbahnhof für Metropolexpress-Züge, Regionalzüge und Fernzüge erhalten bleiben muss. Selbstverständlich muss die Panoramastrecke modernisiert werden und benötigt hierzu möglicherweise in der Zukunft einige mehrmonatige Sperrungen.
Die Forderung nach einem Erhalt der Panoramastrecke für die radiale Zuführung der Gäubahn zum Stuttgarter Hauptbahnhof ist auch im Einklang mit dem Deutschlandtakt. Der Deutschlandtakt steht und fällt mit dem Einrichten gut funktionierender Knotenpunkte. Voraussetzung hierfür ist eine ausreichende Zahl an Zu-/Ablaufgleisen.
Bei der bisherigen Stuttgart 21-Planung müssen sich die Züge der Gäubahn ihre Gleise im Fildertunnel mit den Zügen von/nach Ulm und von/nach Tübingen teilen. Das gilt unabhängig von einer Führung der Gäubahn über die Gleise der Flughafen-S-Bahn oder von einer Führung der Gäubahn durch den Pfaffensteigtunnel. Die Gäubahn verliert in jedem Fall ihre bisher vorhandenen eigenen Zulaufgleise zum Stuttgarter Hauptbahnhof.
Das aber erschwert die Einrichtung des Deutschlandtakts im Bahnknoten Stuttgart maßgeblich. Der Deutschlandtakt mit erträglichen Umsteigezeiten im Stuttgarter Hauptbahnhof kann nur funktionieren, wenn die Gäubahn ihre eigenen Zulaufgleise behält und wenn nicht zwei Zulaufstrecken einfach zusammengelegt werden. Dieses Zusammenlegen zweier Zulaufstrecken an einem großen Bahnknoten konterkariert den Deutschlandtakt und ist deutschlandweit und europaweit ohne Beispiel.
Der Pfaffensteigtunnel lässt die Verspätungen der Gäubahn noch zunehmen
Der Pfaffensteigtunnel führt dazu, dass die Züge der Gäubahn zielgerichtet in den Fildertunnel von Stuttgart 21 geleitet werden. Dort verkehren bereits zahlreiche Züge von/nach Ulm und von/nach Tübingen. Jetzt muss dort auch noch für die Züge der Gäubahn Platz gefunden werden. Insbesondere die weitlaufenden ICE im Fildertunnel sind verspätungsanfällig. Diese Verspätungen werden sich auf die Gäubahn übertragen. Der Pfaffensteigtunnel führt somit zu einer weiteren Zunahme der Verspätungen der heute schon sehr verspätungsanfälligen Gäubahn.
Wenn die Autofahrer-Partei FDP sich für den Pfaffensteigtunnel der Gäubahn ausspricht, kann man dies noch verstehen. Dass aber in den letzten Wochen und Monaten auch die Grünen-Politiker Winfried Hermann (Landesverkehrsminister) und Matthias Gastel (Bundestagsabgeordneter) in die Lobhudelei für den Pfaffensteigtunnel eingestiegen sind, ist enttäuschend und eines von vielen Beispielen, wie sich die Grünen langsam aber stetig von ihren noch vor Jahren propagierten Politikzielen verabschieden. Es wird Zeit für eine zweite, eine neue Grüne Partei! In der Schweiz gibt es das schon seit Jahren.
Fazit
Die jetzt bekanntgewordenen Probleme mit den S-Bahnfahrzeugen auf der Stuttgarter Panoramastrecke der Gäubahn unterstützen die Forderung, die Panoramastrecke der Gäubahn als radiale Zulaufstrecke zum Stuttgarter Hauptbahnhof für Metropolexpress-Züge, Regionalzüge und Fernzüge der Gäubahn beizubehalten. Dies ist auch im Sinne des Deutschlandtakts. Das aber kann man vom Pfaffensteigtunnel nicht sagen!
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