Die Bodenseestadt Lindau hat jetzt de facto zwei Hauptbahnhöfe. Das sind zum einen der Inselbahnhof, ein Kopfbahnhof und zum anderen der neue Bahnhof Reutin, ein Durchgangsbahnhof. Beide Bahnhöfe liegen Luftlinie ca. 1,8 Kilometer auseinander.
Die neue Situation bei der Bahn in Lindau zeigt die Notwendigkeit, dass der zusätzlich zum achtgleisigen Stuttgart 21-Tiefbahnhof erforderliche Ergänzungsbahnhof unmittelbar neben dem Stuttgart 21-Tiefbahnhof errichtet wird und nicht 2,4 Kilometer weit entfernt in der Nähe des Nordbahnhofs ("Nordkreuz"). Das wollen wir heute in diesem Blog näher beleuchten.
Wieso kam es überhaupt zur jetzt bestehenden Situation in Lindau? Es gibt bei der Nachfrage nach Bahnverkehrsleistungen im Bereich Lindau zwei vollkommen gegensätzliche Interessen.
Zum einen wollen sehr viele Fahrgäste auf die Insel Lindau fahren (Da fällt mir eine Postkarte mit dem folgenden Text ein: "Lindau liegt im Bodensee, wers nicht glaubt komm selbst und seh!"). In der Tat gehört die Insel Lindau zu den Top-Reisezielen in Deutschland. Und ein Vorteil der Bahn ist, dass sie direkt auf die Insel fährt. Mit der Bahn wird man also ohne lange Parkplatzsuche und ohne zeitraubendes Umsteigen auf einen Zubringerbus förmlich auf die Insel Lindau katapultiert und ist nach wenigen Schritten vom Inselbahnhof bereits in der Altstadt, am Hafen oder am Bodenseeufer.
Dann gibt es aber noch ein anderes großes Interesse. Das ist der Durchgangsverkehr mit der Bahn. Dazu gehört die Fernverkehrsverbindung München - Zürich genauso wie Regionalverkehrsverbindungen z.B. von Friedrichshafen nach Bregenz. Diese Fahrgäste wollen den zeitraubenden Umweg über die Insel Lindau mit dem Kopfbahnhof nicht machen. Sie wollen, dass ihre Züge auch in Lindau schnell durchfahren. Dafür ist der neue Bahnhof Reutin da, der sich auf dem Festland befindet.
Die beiden Hauptbahnhöfe in Lindau sind nicht vollkommen zufriedenstellend
Beiden gegensätzlichen Interessen wird in Lindau jetzt mit den beiden Hauptbahnhöfen Rechnung getragen. Und trotzdem ist die ganze Sache nicht zufriedenstellend. Das liegt an der großen räumlichen Entfernung zwischen beiden Bahnhöfen.
Sehen wir uns als Beispiel mal die Verbindung von Stuttgart nach Lindau an. Seit vielen Jahren kann man stündlich von Stuttgart nach Lindau fahren. Seit dem Fahrplanwechsel am 12.12.2021 fahren die Züge von Stuttgart aber nicht mehr auf die Insel Lindau, sondern nach Reutin. Wer zur Insel Lindau will muss entweder von Reutin den Bus nehmen (20 Min. zusätzlich) oder in Friedrichshafen aussteigen und dort 20 bis 30 Minuten warten bis ein Zug nach Lindau Insel abfährt.
Die neue Situation ist also für diejenigen Fahrgäste gut, die von Stuttgart z.B. nach Bregenz oder von Ulm nach St. Gallen fahren wollen. Für die Fahrgäste von Stuttgart nach Lindau Insel ergeben sich jedoch gravierende Fahrzeitverlängerungen gegenüber der früheren Situation.
In Lindau kann man an dieser Situation erst mal nichts mehr ändern. Die besondere Situation mit der Insel im Bodensee und der gleichzeitigen Nachfrage nach Durchgangsverkehrsleistungen lässt wohl in absehbarer Zeit keine Änderung mehr zu. Es gibt nun zwar zwei Hauptbahnhöfe, die den unterschiedlichen Interessen Rechnung tragen sollen. Für die einzelnen Fahrgäste und für spezifische Verbindungen gibt es gleichwohl Nachteile im Vergleich zur vorherigen Situation.
Was können wir für Stuttgart lernen?
Auch in Stuttgart gibt es die Situation, dass man zukünftig quasi zwei Hauptbahnhöfe benötigt. Zusätzlich zum nur achtgleisigen Stuttgart 21-Tiefbahnhof wird ein Ergänzungsbahnhof benötigt. Dieser Bahnhof ist auch im Koalitiionsvertrag für die laufende Legislatur in BW verankert.
Das Beispiel Lindau lehrt jedenfalls, dass die beiden Hauptbahnhöfe unbedingt unmittelbar nebeneinanderliegen müssen. Der Ergänzungsbahnhof muss in Stuttgart also direkt neben dem Stuttgart 21-Tiefbahnhof liegen. Eine Lage in der Nähe des Nordbahnhofs (z.B. "Nordkreuz" mit tangentialen Bahnverbindungen) mit einer Entfernung von 2,4 Kilometern muss ausscheiden.
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