Sonntag, 13. September 2020

Widersprüche und Ungereimtheiten bei Stuttgarts neuer Stadtbahnhaltestelle Staatsgalerie

Am 12. September 2020 wurde in Stuttgart die neue Stadtbahnhaltestelle Staatsgalerie eröffnet. Sie ersetzt die bisherige U-Haltestelle Staatsgalerie und liegt unmittelbar neben der bisherigen Haltestelle.

Die neue Stadtbahnhaltestelle Staatsgalerie wurde wegen des Projekts Stuttgart 21 erforderlich. Die bisher bestehende U-Haltestelle war dem Tunnel von Stuttgart 21 im Weg. Die neue Haltestelle Staatsgalerie liegt deshalb drei Meter höher als die alte U-Haltestelle. Die Lage der neuen Haltestelle Staatsgalerie unmittelbar neben der alten U-Haltestelle ist dem Umstand geschuldet, dass die alte Haltestelle während des Baus der neuen Haltestelle weiterbetrieben werden musste.

Im Zusammenhang mit der Eröffnung der neuen Stadtbahnhaltestelle Staatsgalerie gab es einige Kommentare und Stellungnahmen, in denen die ganze Widersprüchlichkeit und Umgereimtheit des Projekts Stuttgart 21 und auch der Auswirkungen dieses Projekts auf die Stuttgarter Stadtbahn - wahrscheinlich unbeabsichtigt - zum Ausdruck kamen.

Es gibt in Stuttgart also alte, trostlose U-Haltestellen
So bezeichnete eine örtliche Zeitung die alte U-Haltestelle Staatsgalerie anlässlich der Eröffnung der neuen Haltestelle als "in Beton gegossene Trostlosigkeit". 

Da hat ja das Projekt Stuttgart 21 doch noch sein Gutes! Jetzt endlich ist das Tabu gebrochen und man darf eine U-Haltestelle in Stuttgart kritisieren. Das war bisher nicht möglich. Es gibt ja außer der alten U-Haltestelle Staatsgalerie noch einige weitere U-Haltestellen in Stuttgart, die ähnlich trostlos sind, z.B. die U-Haltestelle Neckartor, die U-Haltestelle Börsenplatz (L-Bank) und die Haltestelle Charlottenplatz (untere Ebene). All diese und weitere Haltestellen werden jedoch nicht durch neue Haltestellen ersetzt. Mit ihnen müssen wir noch hundert Jahre leben.

Niemand verlangt, dass die U-Haltestellen in Stuttgart die Großartigkeit der in den Granit gebauten U-Haltestellen in Stockholm haben, oder die Pracht der U-Haltestellen in Moskau und St. Petersburg. Alleine der Vergleich innerhalb von Deutschland zeigt jedoch, dass die Stuttgarter U-Haltestellen an der unteren Stelle der Schönheits-Skala stehen. Da scheint sich wieder die schwäbische Bescheidenheit und Verklemmtheit Bahn gebrochen zu haben, die in einer bestimmten Weise auch hinter dem Projekt Stuttgart 21 steckt.

Jahrlange Unterbrechungen der Zulaufstrecken zur neuen Stadtbahnhaltestelle Staatsgalerie
Die neue Lage der Stadtbahnhaltestelle Staatsgalerie erfordert auch den Neubau der Zulauftunnel aus allen Richtungen zu dieser Haltestelle. Das führte dazu, dass die Zulaufstrecke vom Charlottenplatz für die Dauer eines Jahres unterbrochen war. Die Zulaufstrecke vom Hauptbahnhof ist sogar über viele Jahre unterbrochen. Sie ist weiterhin nicht in Betrieb. Eine Wieder-Inbetriebnahme wird es voraussichtlich erst im Jahr 2023 geben.
 
Noch im Planfeststellungsverfahren, aber auch im Background zur Volksabstimmung des Landes über eine finanzielle Beteiligung an Stuttgart 21 war von einer Unterbrechung der Zulaufstrecken zur Stadtbahnhaltestelle Staatsgalerie allenfalls für die Dauer von 14 Tagen die Rede. Und auch das wollte man bevorzugt in den Ferien erledigen. So wichtig kann Stuttgart 21 gar nicht sein, dass eine jahrelange Unterbrechung wichtiger Stadtbahnstrecken in der Stuttgarter Innenstadt damit aufgewogen werden kann. Diese Provinzposse zeigt auch, dass ein attraktiver öffentlicher Verkehr bei Stuttgart 21 nicht im Vordergrund steht. Stuttgart 21 wird von anderen Dingen angetrieben. Wer auch immer die jetzige Situation verbockt hat - die Bahn oder die SSB oder andere - wie wäre es einfach mal mit dem Aussprechen einer Entschuldigung gegenüber den Stuttgarterinnen und Stuttgartern?
 
Stuttgart 21 ist nicht "offen und einladend"
Stuttgarts OB Fritz Kuhn sprach anlässlich der Eröffnung der Stadtbahnhaltestelle Staatsgalerie davon, dass diese Haltestelle "offen und einladend" sei. Damit bezog er sich darauf, dass die neue Haltestelle - anders als die alte Haltestelle - zum Teil nach oben geöffnet ist.
 
Bekanntlich ist der Tiefbahnhof von Stuttgart 21 mitsamt den zig-Kilometern Zulaufstrecken ja das genaue Gegenteil von "offen und einladend". Der wegen Stuttgart 21 erforderlich gewordene Neubau der Haltestelle Staatsgalerie und die vielen Millionen Euro, die dafür erforderlich waren, werden also damit gerechtfertigt, dass die neue Haltestelle fahrgastfreundlicher und menschenfreundlicher daherkommt, indem sie nach oben geöffnet ist. Verschwiegen wird dabei, dass das eigentliche Projekt Stuttgart 21 mit dem Stuttgarter Hauptbahnhof das genaue Gegenteil darstellt. Der heutige, offene und einladende Kopfbahnhof wird ersetzt durch einen geschlossenen Tiefbahnhof mit ca. 60 Kilometern Zulauftunnel.
 
Die neue Haltestelle Staatsgalerie bringt für die Stuttgarter Stadtbahn so gut wie nichts
Die neue Stadtbahnhaltestelle Staatsgalerie bringt keinen zusätzlichen Streckenkilometer für die Stadtbahn, keine zusätzliche Haltestelle und keine zusätzlichen Gleise. Vor allem lässt die neue Haltestelle Staatsgalerie das größte Problem der Stuttgarter Stadtbahn - das Fehlen einer dritten Stammstrecke - weiterhin ungelöst. Statt dessen hat die neue Haltestelle Staatsgalerie die finanziellen, planerischen und baulichen Resourcen über Jahre hinweg an sich gezogen und aufgezehrt.
 
Auch der vermeintliche Vorteil, dass es von der neuen Haltestelle Staatsgalerie nicht weit ist zum Stuttgart 21-Tiefbahnhof, löst sich bei näherer Betrachtung in Luft auf. Denn die in der überwiegenden Zahl 200 Meter langen Züge werden im 400 Meter langen Stuttgart 21-Tiefbahnhof auf der Nordseite, der S-Bahn-Seite anhalten. Damit wird der Weg von der neuen Haltestelle Staatsgalerie zu den Zügen gar nicht so bedeutend kürzer wie das auch schon mal propagiert worden ist.
 
Fritz Kuhn hat es versäumt, die dritte Stammstrecke der Stuttgarter Stadtbahn anzustoßen
Bekanntlich gibt es ja verschiedene Konfigurationen, mit denen eine zukünftige dritte Stammstrecke der Stuttgarter Stadtbahn betrieben werden kann. 
 
Man kann die dritte Stammstrecke in der bisherigen Konfiguration als Hochflurstadtbahn mit Hochbahnsteigen und neuen Tunnelstrecken in der Innenstadt betreiben. Man kann als dritte Stammstrecke auch eine fahrerlose U-Bahnstrecke vorsehen, die das Ziel hat, so viele Fahrgäste wie irgend möglich von den bestehenden S-Bahnlinien und Stadtbahnlinien abzusaugen. Schließlich kann man die dritte Stammstrecke auch in der Konfiguration als Niederflurstadtbahn betreiben. Sie führe in der Innenstadt oberirdisch. Und an diese dritte Stammstrecke würden alle diejenigen Streckenäste der Stadtbahn angeschlossen, die auch heute schon straßenbahnähnlich betrieben werden (z.B. Zulauf aus der Hackstraße, Zulauf vom Eugensplatz).
 
Wenn man die Worte von Fritz Kuhn zur Eröffnung der neuen Stadtbahnhaltestelle Staatsgalerie heranzieht, ist anzunehmen, dass Fritz Kuhn in Bezug auf die dritte Stammstrecke der Stadtbahn die Niederflurvariante bevorzugt. Soweit, sogut. Fritz Kuhn hat es in seiner achtjährigen Amtszeit aber verpasst, den Boden für diese dritte Niederflur-Stammstrecke der Stuttgarter Stadtbahn zu bereiten und damit die ganze Sache um Jahre verzögert. Für seine Nachfolgerin oder seinen Nachfolger wird dies also eine ganz schwierige Baustelle werden, die durch Aussitzen nicht einfacher wird.      

   

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