Montag, 21. September 2020

Die Rolle des Stuttgarter Flughafens im Kontext von Stuttgart 21 muss dringend überdacht werden

Die Rolle des Stuttgarter Flughafens beim Projekt Stuttgart 21 muss dringend überdacht werden. Änderungen des Projekts, die beim aktuellen Projektstand noch möglich sind, müssen umgehend in die Wege geleitet werden.

In den letzten Tagen gab es einige Meldungen zum Luftverkehr in Deutschland. Drei davon seien hier genannt:

Der bayerische Ministerpräsident hat eine Entscheidung zum Bau der dritten Startbahn für den Münchner Flughafen erneut um fünf Jahre auf nunmehr das Jahr 2028 verschoben. Mit großer Wahrscheinlichkeit kann man sagen, dass die dritte Startbahn damit Geschichte ist.

Die Lufthansa will noch mehr schrumpfen als bereits angekündigt. Die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter soll über die genannte Zahl von 22.000 schrumpfen. 150 Flugzeuge solllen stillgelegt werden. Die A380-Flotte soll vollständig eingemottet werden.

Bundesverkehrsminister Scheuer will den europäischen Fernverkehr (TEE) und den Nachtzugverkehr wiederbeleben. Damit will Scheuer Fahrgäste für die Bahn zurückholen, die vor Jahrzehnten zum Flugzeug abgewandert sind.

Diese und andere Meldungen lassen erahnen: Der Luftverkehr hat möglicherweise seinen Zenit bereits überschritten. Das kann aber auch beim Projekt Stuttgart 21 und beim Stuttgarter Flughafen nicht spurlos vorübergehen. Um Missverständnisse auszuschließen sei noch einmal betont, dass auch ohne diese jüngsten Entwicklungen der bei Stuttgart 21 geplante Bahnknotenpunkt beim Stuttgarter Flughafen nachteilig und nicht umsetzbar ist.

Die Bahn wollte ursprünglich gar nicht zum Stuttgarter Flughafen
Die Bahn wollte ursprünglich den Stuttgarter Flughafen gar nicht an den Fernverkehr und den Regionalverkehr anbinden. Es war geplant, die Bahnstrecke Stuttgart-Ulm östlich am Flughafen vorbeizuführen. Das Land BW übte jedoch massiv Druck aus. Schließlich gab es eine Planung für eine Stichstrecke aus Richtung Stuttgart und eine Stichstrecke aus Richtung Ulm von der Bahntrasse bis zum Stuttgarter Flughafen. Es wäre also ein Gleisdreieck entstanden.

Bei der Betrachtung dieser Planung fiel den Stuttgart 21-Protagonisten jedoch auf, dass dann ein Kopfbahnhof beim Stuttgarter Flughafen entstanden wäre. Das konnte man nicht machen. Denn wie sollte man der Bevölkerung erklären, dass man den Kopfbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof beseitigen wollte und dann gleichzeitig am Flughafen einen neuen Kopfbahnhof entstehen lassen?

Der Land BW übte also weiter Druck auf die Bahn aus, bis diese sich schließlich erweichen ließ, die heutige Trasse mit dem Fildertunnel zu bauen, die zwar nicht unmittelbar am Flughafen, aber doch in seiner Nähe entlangführt. In den folgenden Jahren erarbeitete man dann noch den Bahnknotenpunkt am Stuttgarter Flughafen, für den man verschiedene Bahnstrecken (Gäubahn, Neckartalbahn, Schnellfahrstrecke Stuttgart-Ulm) über den Flughafen umleiten musste.

Unter dem Licht, in dem der Luftverkehr heute steht, hätte man selbstverständlich die heutige Trasse über den Flughafen unter keinen Umständen mehr gebaut. Auch der Bahnknotenpunkt am Flughafen hätte keine Chance mehr gehabt.

Ändern was noch zu ändern ist
Nun kann man angesichts des Baufortschritts bei Stuttgart 21 nicht mehr alles rückgängig machen. An erster Stelle der Agenda muss jetzt jedoch stehen, das noch zu ändern, was noch zu ändern ist.

Einen Bahnknotenpunkt am Stuttgarter Flughafen kann und darf es nicht geben. Dagegeben spricht nicht nur die Situation des Luftverkehrs, sondern auch der geplante Deutschlandtakt. Der Deutschlandtakt sieht Rundum-Anschlüsse zur vollen und halben Stunde im Stuttgarter Hauptbahnhof vor. Für weitere Anschlüsse beim Stuttgarter Flughafen bleibt da nichts übrig.

Auch die Sicherheitsfrage sei mal auf den Tisch gelegt. Ein Flughafen ist ein Hochsicherheitsort. Muss es denn unbedingt sein, den gesamten Bahnverkehr zu diesem Hochsicherheitsort umzuleiten und dort Tausende Fahrgäste hinzubringen, die dort gar nicht hinwollen? Oder ist es nicht klüger, die Mehrzahl der Bahnreisenden so weit wie möglich von diesem Hochsicherheitsort fernzuhalten?

Auch die bahnbetrieblichen Aspekte sprechen gegen einen Bahnknoten am Flughafen. Der Preis der Umleitung der Gäubahn über den Flughafen ist ihre Einschleifung in den Stuttgart 21-Fildertunnel und damit in einen potenziellen Engpass. Das erfolgt unabhängig davon, ob man jetzt auf den Fildern noch einmal einen 12 Kilometer langen Tunnel bauen will oder ob man die Gäubahn auf die S-Bahnstrecke zum Flughafen legt.

Auch die baulichen Aspekte sprechen gegen einen Bahnknoten am Flughafen. Ein Gutachten der Uni Karlsruhe spricht einem Umsteigebahnhof am Flughafen im Rahmen von Stuttgart 21 ein schlechtes Zeugnis aus. Viel zu weit entfernt sind die einzelnen Stationen und viel zu schwer erreichbar.

Es spricht nichts dagegen, Flughäfen an die Schiene anzuschließen. Das kann jedoch nur eine Stichstrecke, z.B. eine S-Bahnstrecke sein, die den Flughafen an einen nahegelegenen Bahnknoten, z.B. an den Hauptbahnhof anbindet. Die geänderte Situation beim Luftverkehr ist möglicherweise ein Himmelsgeschenk, um noch rechtzeitig umzukehren und die gröbsten Fehler von Stuttgart 21 zu vermeiden.      

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.