Mittwoch, 2. Oktober 2019

Überbetonung des Städtebauaspekts führt zu möglichen Stuttgart 21-Milliardenzahlungen der Landeshauptstadt Stuttgart

Eine Arbeitsgruppe zu Stuttgart 21 mit Vertretern der Bahn, des Landesverkehrsministeriums, der Region Stuttgart und der Landeshauptstadt Stuttgart hat jetzt als erstes Ergebnis ihrer Beratungen kundgetan, dass Stuttgart 21 in der geplanten Form einschließlich des Filderteils verwirklicht werden soll. 

Einen zusätzlichen oberirdischen Kopfbahnhof mit oberirdischen Zulaufstrecken (z.B. fünftes und sechstes Gleis der Zufahrt Zuffenhausen sowie Panoramastrecke der Gäubahn) dürfe es nicht geben. Dies wird damit begründet, dass für Stuttgart der Städtebau Vorrang habe.

Die Vertreter der Landeshauptstadt Stuttgart sollten jedoch den städtebaulichen Aspekt bzw. den Immobilienaspekt von Stuttgart 21 nicht so sehr in den Vordergrund schieben. Denn hier läuft die Landeshauptstadt Stuttgart Gefahr, über kurz oder lang zu Mehrzahlungen für Stuttgart 21 verdonnert zu werden. Das kann Mehrzahlungen für das im Vertrag zu Stuttgart 21 beschriebene Projektbuget nach sich ziehen. Das kann aber auch dazu führen, dass die Landeshauptstadt Stuttgart zur Zahlung der ca. 5 Milliarden Euro Kostensteigerungen verpflichet wird. Auch eine relativ reiche Kommune wie Stuttgart wäre damit bankrott.

Muss die klamme Bahn ein Projekt finanzieren, das in erster Linie dem Städtebau dient? 
Schon seit langen fragen sich Viele, warum die relativ klamme Bahn in Stuttgart ein Projekt finanzieren muss, das zum größten Teil dem Städtebau dient. Dass dies so ist, scheinen die unvorsichtigen Äußerungen der Vertreter der Landeshauptstadt Stuttgart zu bestätigen. Die Bahn ist jedoch nicht für den Städtebau zuständig, sondern für guten, leistungsfähigen und bezahlbaren Schienenverkehr.


Auch mit Blick auf andere Regionen in Deutschland, die zum größeren Teil ärmer sind als die Region Stuttgart, erscheint es als undenkbar, dass für den Stuttgarter Städtebau Gelder von bis zu 10 Milliarden Euro von der Bahn bzw. vom Bund investiert werden. Das sind Gelder, die einerseits in vielen anderen Regionen Deutschlands dringend gebraucht werden und die andererseits für tatsächlich leistungssteigernde Bahnprojekte dringend gebraucht werden.

Bundesrechnungshof will Reduzierung von Stuttgart 21
Die Sache scheint langsam ins Rollen zu kommen. So wollen der Bundesrechnungshof sowie der Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestags jetzt dafür sorgen, dass die Bundesmittel für die Bahn strenger kontrolliert werden. Diese Bundesmittel sollen nicht für Stuttgart 21 zweckentfremdet werden. Gemäß einem Bericht des Bundesrechnungshofs sind bereits die jetzt bekannten Kosten für Stuttgart 21 für die Bahn kaum tragbar. Der Bundesrechnungshof spricht sich zudem dafür aus, Stuttgart 21 abzuspecken, also bestimmte Elemente des Projekts nicht mehr zu bauen.

Da kommt also ganz langsam, aber bestimmt eine Lawine auf Stuttgart zu. Die Verwaltung der Landeshauptstadt Stuttgart wäre jetzt gut beraten, den Städtebauaspekt zu schrumpfen bzw. einzudampfen und sich statt dessen damit zu beschäftigen, wie Stuttgart 21 leistungsfähiger gemacht werden kann. 

Denn auch wenn die Landeshauptstadt Stuttgart nicht unmittelbar für den Bahnverkehr zuständig ist, so muss doch ein funktionierender Bahnverkehr und ein leistungsfähigerer Bahnverkehr im Interesse Stuttgarts sein. Dafür sprechen alleine schon die hohen Feinstaub- und Stickoxidbelastungen in Stuttgart. Dafür spricht auch, dass sich die Landeshauptstadt Stuttgart nach dem Desater der Stadtautobahn im Verlauf des Cityrings und dem zumindest teilweise fehlgeschlagenen Ausbau der Stadtbahn (mit nur zwei Stammstrecken, was jetzt nach Ansicht der Stadtverwaltung den zusätzlichen Einsatz von Expressbuslinien erfordert) mit Stuttgart 21 nicht auch noch einen dritten verkehrlichen Rohrkrepierer leisten kann.

Stuttgart wird nicht in der Lage sein, das Rosensteinviertel innert vernünftiger Zeit zu bebauen  
Der Städtebauaspekt von Stuttgart 21 ist jedoch auch noch aus einem anderen Grund von der Bühne zu nehmen. Die Landeshauptstadt Stuttgart wird nämlich nicht in der Lage sein, das Stuttgart 21-Rosensteinviertel innerhalb einer vernünftigen Zeit zu entwickeln. Das zeigen zwei Beispiel aus der Vergangenheit eindeutig.

Das erste Beispiel ist das Europaviertel beim Hauptbahnhof. Dieses Stadtquartier wurde ab ca. 1988 für eine Bebauung frei. Bis heute - über 30 Jahre nach Freiwerdung - ist das Quartier noch längst nicht vollständig bebaut. Am Anfang musste man die Grundstücke anbieten wie Sauerbier. Nach vielen Jahren baute man die Stadtbibliothek in dem Gebiet, damit die Straßen des Gebiets nicht weiterhin fast leer sind.

Das zweite Beispiel ist der ehemalige Güterbahnhof in Bad Cannstatt. Das Gelände wurde im Jahr 2001 für eine Bebauung frei. Bis heute - 18 Jahre später - wurde dort keine einzige Wohnung gebaut. Seit einigen Jahren finden Erschließungsarbeiten statt. Einige Bürogebäude werden derzeit fertiggestellt. 

Diese beiden Beispiele deuten darauf hin, dass das im Rahmen von Stuttgart 21 freiwerdende Gelände (Rosensteinviertel) keineswegs etwa in der zweiten Hälfte der Zwanziger Jahre oder in den Dreißiger Jahren fertigbebaut sein wird. Eine Fertigstellung des Rosensteinviertels wäre vielleicht für die Vierziger und Fünfziger Jahre zu erwarten.

In diesem Zusammenhang ist noch einmal festzuhalten, dass auch ohne Stuttgart 21 viele Flächen zwischen dem Hauptbahnhof, dem Feuerbacher Tunnel und Bad Cannstatt für eine Bebauung freiwerden, genügend Flächen, um damit die Stadtverwaltung und die Baufirmen über Jahre hinaus zu beschäftigen. 

In Stuttgart gibt es zudem jetzt einen Wohnungsmangel. Dieser Wohnungsmangel muss jetzt behoben werden. Wer weiß schon, was in den Vierziger und Fünfziger Jahren sein wird. Vielleicht gibt es dann wieder zu viele Wohnungen und auf dem Wohnungsmarkt drohen dann Leerstände.                

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