Mittwoch, 16. Oktober 2019

Schweizerische Bundesbahnen AG (SBB) bei den Zürcher Immobilienprojekten in Win-win-Situation

In mehreren Artikeln in ihrer Internetausgabe vom 15.10.2019 berichtet die Neue Zürcher Zeitung von atemberaubenden Entwicklungen beim Immobiliensektor rund um die Zürcher Bahnhöfe. Das fordert regelrecht zu einem Vergleich mit Stuttgart 21 heraus.

Demnach behält die Schweizerische Bundesbahnen AG (SBB) ihre an die heute noch aktiven Gleisanlagen angrenzenden Grundstücke in eigener Hand und erstellt darauf ein Hochhaus nach dem anderen.

Baubeginn beim neuen Fränklinturm
Ein Beispiel dafür ist der Bahnhof Zürich-Oerlikon, immerhin der zehntgrößte Bahnhof der Schweiz. Dort war jetzt gerade der Spatenstich für den Franklinturm, ein 80 Meter hohes Bürohochhaus  mit 21 Stockwerken. Im Jahr 2018 wurde bereits das Hochhaus Andreasturm beim Bahnhof Oerlikon fertiggestellt. Am Max-Frisch-Platz beim Bahnhof Oerlikon sind zwei weitere Hochhäuser mit einer Höhe von 54 bzw. 80 Metern geplant.

Weitere für den Bahnbetrieb nicht mehr benötigte Flächen der SBB in Zürich, die mit Hochhäusern überbaut wurden bzw. werden, sind die Großüberbauung Europaallee beim Hauptbahnhof, das Gebiet Letzibach, der Bahnhof Altstetten (Westlink-Tower), das Areal Neugasse und der Bahnhof Tiefenbrunnen.


Win-win-Situation für die SBB
Die Überbauung von nicht mehr benötigten Gleisflächen an den Bahnhöfen durch die SBB ist eine Win-win-Situation.

1. Die an die Bahnhöfe angrenzenden Büro- und Wohntürme haben einen direkten Gleiszugang mit einer guten Anbindung an den Bahnverkehr.

2. Der Bahnbetrieb der SBB und das Immobiliengeschäft der SBB beleben sich gegenseitig. Die neuen Immobilien bei den Bahnhöfen bringen zusätzliche Bahnfahrer. Und jede Neubaustrecke oder Ausbaustrecke vergrößert das Einzugsgebiet der neuen Hochhäuser und bringt mehr potenzielle Mieter und Bewohner in die neuen Gebäude.

In Bezug auf den Bahnhof Oerlikon vergrößert z.B. die bereits in Betrieb befindliche Zürcher Durchmesserlinie die Bahnverbindung zum Hauptbahnhof und an das linke Zürichseeufer. Der geplante Brüttener Tunnel verbessert die Verkehrsanbindung von Oerlikon in die gesamte Ostschweiz. Der geplante Zimmerbergtunnel II bringt massive Verbesserungen von Oerlikon in die Zentralschweiz. Und der in Vorplanung befindliche Tunnel zwischen Zürich und Aarau bringt mehr Kapazität und kürzere Fahrzeiten von Oerlikon in Richtung Bundeshauptstadt und Westschweiz.

Da ist es kein Wunder, dass der Fränklinturm beim Bahnhof Oerlikon nur 39 eigene Parkplätze aufweisen wird. Es wird also davon ausgegangen, dass fast alle Angestellten und Besucher zum Fränklinturm mit der Bahn anreisen werden. Und es ist bei dieser Konstellation auch kein Wunder, dass die SBB ihr Immobiliengeschäft nicht etwa verkaufen oder ausgliedern will, sondern im Unternehmen behält.

Was hat demgegenüber Stuttgart 21 zu bieten?
Für die Deutsche Bahn sieht die Sache in finanzieller Hinsicht viel schlechter aus als dies bei der SBB der Fall ist. Zwar hat die Bahn ihre Bahngrundstücke in Stuttgart bereits vorab für einige hundert Millionen Euro an die Landeshauptstadt Stuttgart verkaufen können. Auf der anderen Seite stehen für die Bahn jedoch Mehraufwendungen für Stuttgart 21 von ca. 5 oder sogar mehr Milliarden Euro, die sie mit heutigem Stand selbst tragen muss. Zudem ist die Bahn von einer gewinnbringenden Vermarktung der Grundstücke, wie das bei einem Bau und bei der Vermietung von Gebäuden in Eigenregie möglich gewesen wäre, ausgeschlossen.

Wegen des langwierigen Baus von Stuttgart 21 und den erforderlichen Baustelleneinrichtungen stehen in den kommenden Jahren selbst diejenigen Grundstücke nicht zur Verfügung, die bei einem Verzicht auf Stuttgart 21 sofort hätten bebaut werden können. Ob und wann und in welchem Umfang die durch Stuttgart 21 exklusiv freiwerdenden Grundstücke bebaut werden können, steht noch in den Sternen. Man denke nur an das Thema Altlasten.

Was die Verbesserung der Verkehrsanbindung betrifft, durch die ja die Vermarktung der bahnnahen Neubauten besser vonstatten gehen soll, ist Stuttgart 21 längst nicht so eindeutig wie die genannten Streckenneubauten in der Schweiz. Dort gibt es einen ganz klaren Kapazitätszuwachs. Bei Stuttgart 21 ist vielleicht die Verbindung in Richtung Ulm leistungsfähiger als heute. Dem gegenüber stehen jedoch die Gäubahn, die Murrbahn, die Remsbahn sowie die wichtige Zufahrt Zuffenhausen, bei denen es keine Leistungssteigerung geben wird.

Fazit
Stuttgart 21 steht einer städtebaulichen Entwicklung - wie sie viele andere Städte in Europa gerade erleben - entgegen. Da ist es kein Wunder, dass keine andere Stadt in Europa so etwas wie Stuttgart 21 macht, also die gesamten Gleisanlagen eines Bahnknotenpunkts einschließlich des Hauptbahnhofs unter die Erde legt, wobei wegen der hohen Kosten keine eindeutige Leistungssteigerung möglich ist. Alle anderen Städte erweitern die Kapazität der Bahnanlagen, vermarkten konsequent die trotzdem zahlreich vorhandenen und nicht mehr benötigten Grundstücke der Bahn und ergänzen ihre Bahnanlagen allenfalls um einzelne Tunnelstrecken.               

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