Dienstag, 29. Oktober 2019

Nach Bund der Steuerzahler-Kritik zur Schnellbuslinie X1 wird die Verkehrspolitik in Stuttgart einmal mehr bundesweit negativ bekannt

Der Bund der Steuerzahler hat in seinem Schwarzbuch 2019 auch die Stuttgarter Schnellbuslinie X1 als Beispiel für Steuerverschwendung thematisiert.

Unter der Überschrift "Viele Busse - wenige Fahrgäste" werden die hohen Aufwendungen für diese Buslinie genannt. Dem gegenüber stehen nur durchschnittlich sieben Fahrgäste pro Fahrt. Damit wird Stuttgart erneut bundesweit als Beispiel für schlechte Verkehrspolitik, als Beispiel dafür, wie man es nicht machen soll, bekannt. Als Stuttgarter Bürger geht einem das langsam auf den Wecker. Erneut ist Fremdschämen angesagt.

Als ob das Image von Stuttgart in Verkehrssachen nicht schon längst am unteren Ende der Skala angekommen ist. Wiederholen wir kurz, was bisher schon aktenkundig war:

Stuttgart ist das Paradebeispiel für schlechte Verkehrsplanung 
Mit dem Projekt Stuttgart 21 wird in Stuttgart als einziger Stadt Europas ein Verkehrsprojekt gebaut, das nicht Ergebnis einer Bedarfsanalyse ist, sondern das die Idee des ersten Vorstands der privatisierten Bahn war, der darauf aus war, Bahngrundstücke zu Geld zu machen.

Die Stuttgarter Stadtbahn hat als einzige unter den städtischen Schienenverkehrssystemen in den vergleichbaren Großstädten nur zwei Stammstrecken.

Die Stuttgarter S-Bahn verbindet als einziges S-Bahnnetz in Europa die beiden Hauptzufahrten zum Hauptbahnhof nicht direkt miteinander. Das führt dazu, dass die Hälfte aller S-Bahnzüge im Verlauf der Stammstrecke enden und wenden muss.

In keiner anderen Großstadt in Europa sind die Ringstraßen so schwach entwickelt wie in Stuttgart. Zwei Bundesstraßen führen durch Stuttgart. Vom großen Schnellstraßennetz im Osten Stuttgarts (B14 / B29) gibt es keine direkte Verbindung zu den Autobahnen A8 und A81 im Westen von Stuttgart. Deshalb ist der Stuttgarter Talkessel von beträchtlichem Durchgangsverkehr belastet. Solange aber im Stuttgarter Talkessel Durchgangsverkehr besteht, der keine Alternative hat, kann man den Autoverkehr im Stuttgarter Talkessel nicht so reduzieren, wie dies eigentlich erforderlich wäre.


Jetzt also auch noch der Schnellbus X1
Jetzt also kommt auch noch die Blamage mit der Schnellbuslinie X1 dazu. Dabei sind augenscheinlich dem Bund der Steuerzahler die Hintergründe gar nicht richtig bekannt. Der Bund der Steuerzahler nennt u.a. die schlechte Laune der Autofahrer, die wegen des Wegfalls einer Fahrspur noch länger im Stau sehen. Der Bund der Steuerzahler nennt auch die zahlreichen Alternativen mit öffentlichen Verkehrsmitteln, die es zur Schnellbuslinie X1 gibt.

Diese vom Bund der Steuerzahler genannten Argumente gegen die Schnellbuslinie X1 sind aber nicht stichhaltig. Denn zum Einen gibt es ein Gerichtsurteil, wonach der Autoverkehr wegen der hohen Feinstaub- und Stickoxikbelastung am Stuttgarter Neckartor um 20 Prozent abnehmen muss. Die Zunahme der Staus vor dem Neckartor kann man somit nicht der Buslinie X1 anlasten.

Zum Anderen wurde die Schnellbuslinie X1 ja gerade deshalb eingeführt, weil die Alternativen S-Bahn und Stadtbahn im Korridor Wilhelmsplatz Bad Cannstatt - Innenstadt überlastet sind.

Wenn mit diesen Randbedingungen dann festgestellt wird, dass kaum jemand die Schnellbuslinie X1 benutzt, dann wirft das ein umso schlechteres Licht auf diese Verkehrsplanung. Anscheinend nehmen die Fahrgäste lieber überfüllte S-Bahnen und Stadtbahnen in Kauf bzw. stehen lieber länger im Stau, als sich in die (leeren) Busse der X1 zu begeben.

Eine Abstimmung mit den Füßen
Das also ist so etwas wie eine Abstimmung mit den Füßen. Und sie zeigt das ganze Scheitern der Stuttgarter Verkehrsplanung. Über 50 Jahre lang wurden mit Milliardenaufwand die Stuttgarter S-Bahn und die Stuttgarter Stadtbahn ausgebaut. Wenn nach diesem jahrzehntelangen Ausbau die Feststellung getroffen wird, dass im Verlauf der Radiallinien in die Stuttgarter Innenstadt die Stadtbahn und die S-Bahn nicht ausreichen und zusätzliche Radialbuslinien benötigt werden, dann ist das eine Kapitulation auf ganzer Linie. 

Vor dem Jahr 1990 gab es noch zahlreiche radiale Buslinien, die vom ZOB beim Hauptbahnhof über die Neue Weinsteige auf die Fildern hinauffuhren. Es gab auch noch einige andere radiale Buslinien. Der Ausbau der Stadtbahn diente unter anderem auch dazu, dass diese umweltbelastenden Radialbuslinien überflüssig werden. Wie peinlich, wie geschichtsvergessen handeln die, die jetzt die Wiederkehr der Radialbuslinien propagieren!

Was ist jetzt zu tun?
Gibt es einen Ausweg? Die Verkehrsprobleme in Stuttgart sind so tiefgreifend und über Jahrzehnte angesammelt, dass es einen kurzfristigen Ausweg nicht gibt. Als allerersten Schritt hin zur Besserung sollte der Stuttgarter Gemeinderat ein generelles Verkehrsgutachten für Stuttgart bestellen. Hierzu sollten Experten aus ganz Europa eingeladen werden. Anschließend müssen Entscheidungen getroffen werden. Die Umsetzung von vorgeschlagenen Lösungen wird jedoch Jahrzehnte dauern. 
     

   

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