Samstag, 2. August 2014

Nach dem Stopp von Stuttgart 21 kann mit den Alternativen sofort begonnen werden

In inzwischen fast 400 Artikeln in einem Zeitraum von fast vier Jahren habe ich in diesem Blog das Projekt Stuttgart 21 analysiert. Der Schwerpunkt lag hierbei auf verkehrstechnischen Aspekten. Wichtiges Ziel des Blogs war auch, Alternativen zu Stuttgart 21 aufzuzeigen. Diese Alternativen habe ich nicht hemdsärmelig auf den Tisch gelegt. Es ging stets darum, zu sehen, was andere Städte, andere Eisenbahnen und andere Regionen machen, und hiervon das Beste für Stuttgart herüberzuholen.

Die Baubegleitung von Stuttgart 21 und eine sogenannte kritische Begleitung waren nie Ziel und Aufgabe dieses Blogs. Über die Alternativen zu Stuttgart 21 ist inzwischen fast alles gesagt. Nach wie vor und auch weiterhin gilt: Unmittelbar nach einem Stopp bzw. Scheitern von Stuttgart 21 kann sofort mit dem etappierbaren Ausbau des Bahnknotens Stuttgart begonnen werden, kann die Alternative umgesetzt werden.

Vor diesem Hintergrund kann und muss dieser Blog jetzt erst mal eine Pause von unbestimmter Dauer machen, allerdings nicht ohne heute noch einmal einige Punkte zu S 21 kurz zu streifen. Selbstverständlich bleibt dieser Blog mit allen Artikeln weiterhin bestehen. In unregelmäßiger Zeitfolge kann es dann trotzdem mal einen neuen Artikel geben.


Die kritische Begleitung von Stuttgart 21 lehne ich ab. Wer Stuttgart 21 kritisch begleitet, fördert Stuttgart 21. Denn kritische Begleitung bedeutet ja, dass man Mühe aufwendet, Fehler von Stuttgart 21 aufzuspüren und in der Folge abzustellen, ohne dass man allerdings den Grundfehler mit Namen Stuttgart 21 abstellen könnte. Hier muss man in der Tat aufpassen, dass man als Gegner von Stuttgart 21 nicht den S21-Betreibern auch noch hilft. Das wäre ja eine Ironie, wenn man als Gegner von Stuttgart 21 dazu beitrüge, die Arbeit der Stuttgart 21-Leute zu machen und das Projekt ein kleines Stück weit weniger schlecht zu machen.

Große Mängel bei S-Bahn, Stadtbahn und Straßenverkehr in Stuttgart
Das Projekt Stuttgart 21 wurde in diesem Blog immer wieder auch in den größeren verkehrstechnischen Kontext gestellt. Wir haben gesehen, dass bei der Stuttgarter S-Bahn manches nicht stimmt. Bei der Stuttgarter S-Bahn gibt es große Defizite und Mängel. Wir haben auch gesehen, dass bei der Stadtbahn in Stuttgart einiges nicht stimmt. Auch hier gibt es fundamentale Fehler und Unzulänglichkeiten. Schließlich haben wir herausgearbeitet, dass beim Straßenverkehr in Stuttgart vieles im Argen liegt und Stuttgart keine Zukunftskonzeption auf diesem Gebiet vorzuweisen hat. Stuttgart 21 in diesem Kontext stellt sich somit als eine weitere fundamentale Fehlplanung auf dem Gebiet des Verkehrswesens in der Region Stuttgart dar - als ob man in Stuttgart nicht schon genug an verkehrlichen Problemen zu knappern hätte.

Die Alternative zu Stuttgart 21 ist klar und eindeutig
In vielen Artikeln wurde in diesem Blog die Alternative zu Stuttgart 21 herausgearbeitet. Das betraf viele unterschiedliche Aspekte. Die alternative Bedienung des Stuttgarter Flughafens und der Landesmesse auf der Basis der S-Bahn wurde klar dargestellt. Das Konzept für die Regionalzüge mit dem Wenden im Kopfbahnhof und dem Halt in den Subknoten Vaihingen, Bad Cannstatt und Zuffenhausen wurde mehr als einmal hier vorgeschlagen. Der etappierbare Ausbau des Bahnknotens Stuttgart an Stelle des Alles-oder-Nichts-Projekts Stuttgart 21 war in diesem Blog stets ein wichtiges Anliegen. Die Einbeziehung des Güterverkehrs und die Ertüchtigung des Korridors Stuttgart-Ulm auch für den Güterverkehr war und ist von enormer Bedeutung. Stuttgart 21 liefert all das nicht.

Auch die NBS Wendlingen - Ulm habe ich stets abgelehnt. Ich hielt es stets für einen Irrwitz, dass es in Baden-Württemberg mit der Geislinger Steige das größte Hindernis im Verlauf der Hauptstrecken des deutschen Güterverkehrs gibt, und dass man nicht dieses Hindernis als allererstes beseitigt. Dass dies die richtige Meinung war und ist, bestätigte die Bundesregierung erst vor wenigen Tagen. Da wurden erste Ergebnisse einer großen Untersuchung zum Güterverkehr im Korridor Rotterdam - Genua und insbesondere zur geplanten NBS Frankfurt - Mannheim publik. Die Bundesregierung und die Bahn favorisieren für diese NBS inzwischen eine Lösung, die für ICE und Güterverkehr gleichermaßen geeignet ist. Tagsüber fahren bevorzugt ICE auf der Strecke und - sofern noch Platz ist - auch einige Güterzüge. Nachts hingegen fahren alle Güterzüge auf der NBS und entlasten somit die Anwohner der Altstrecken vom Verkehrslärm. Ganz genau dies habe ich in diesem Blog stets auch für den Bahnkorridor Stuttgart - Ulm vorgeschlagen, wobei hier noch dazukam, dass ein entsprechender Ausbau im Bahnkorridor Stuttgart - Ulm etappierbar sein muss, also in einzelnen Stufen vonstatten gehen sollte.

Leider ist die NBS Wendlingen - Ulm im Abschnitt Aichelberg - Ulm bereits im Bau
Nun ist leider die NBS Wendlingen - Ulm im Bau. Ob sich hier noch etwas ändern lässt?  Wir machen hier ja keine Totalopposition. Deshalb habe ich in diesem Blog bereits anerkannt, dass die NBS zwischen Aichelberg und Ulm bereits im Bau ist und man hier nichts mehr ändern kann. Aber dann sollte man wenigstens - um die NBS nicht zum Torso werden zu lassen - die NBS von Aichelberg direkt zum Bahnknoten Plochingen führen und auf das Teilstück zwischen Aichelberg und Wendlingen verzichten. Das Problem Geislinger Steige ist damit immer noch nicht gelöst. Aber man hätte wenigstens eine Bauruine auf der Schwäbischen Alb verhindert.  

Die Alternativen zu Stuttgart 21 waren sogar die wichtigste Mission dieses Blogs. Dabei war und ist stets klar: Nicht die Alternativen brauchen sich zu verstecken, nicht die Alternativen sind das Exotische. Stuttgart 21 ist der weltweite Sonderling unter den Bahnprojekten. Klar war aber auch, dass es gut ausgearbeitete, gut begründete, von anderen Orten auf der Welt gut hergeleitete und stets weiterzuentwickelnde Alternativen zu Stuttgart 21 geben muss, wenn man dieses Projekt stoppen will. Die Beibehaltung des Bestands (Schlagwort "K 20") für den Bahnknoten Stuttgart als Gegenentwurf zu Stuttgart 21 ist nicht ausreichend. Damit kann man Stuttgart 21 nicht stoppen und Stuttgart nicht in eine gute Bahnzukunft führen. Das gilt auch für das Schlagwort "K 21", sofern man es jahrelang wie eine Monstranz vor sich herträgt und nicht weiterentwickelt.

Ohne neue Tunnels geht es nicht, wenn man mehr Verkehr auf die Bahn bringen will
Klar ist aber auch: Der Ausbau des Bahnknotens Stuttgart (Ausbau heißt, dass man wesentlich mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene bringen will) ohne neue Tunnels ist nicht machbar. Diesbezüglich verhalten sich manche inkonsequent. So wird in der großen Bürgerbewegung gegen Stuttgart 21 immer wieder die Eisenbahn in der Schweiz als Vorbild für Stuttgart und Deutschland gesehen. Es wurde ein Film gedreht, der den Ablauf des Zugbetriebs mit einem integralen Taktfahrplan nach dem Schweizer Vorbild im Stuttgarter Hauptbahnhof zeigt. Es wurden Besuche in der Schweiz veranstaltet. Es wurden sogar Redner aus der Schweiz eingeladen.

Man kann jedoch nicht nach dem Cafeteria-Prinzip einige Häppchen des Schweizer Eisenbahnwesens herausschneiden. Hier muss man das Ganze berücksichtigen. Und dazu gehört auch: Ein hochwertiger Eisenbahnverkehr, wie er in der Schweiz angeboten wird, erfordert wesentlich mehr Investitionen in das Bahnnetz, als gegenwärtig Deutschland bereit ist zu tätigen. Hierzu sind auch viele Gleise erforderlich, nicht nur in den Bahnhöfen, sondern auch bei den Zulaufstrecken. Und diese zusätzlichen Gleise bei den Zulaufstrecken zu den großen Bahnknoten können in dichtbesiedelten Regionen wie Zürich oder auch Stuttgart heute praktisch nur noch unterirdisch verlegt werden.

Beim Bahnknoten Zürich musste zum Beispiel die Zulaufstrecke "linkes Zürichseeufer" von 1997 - 2002 viergleisig ausgebaut werden. Wegen der dichten Besiedlung des Zürichseeufers ging dies jedoch nur dadurch, dass man das dritte und vierte Gleis auf der gesamten Länge der Zufahrt von Thalwil bis nach Zürich-Wiedikon in einen Tunnel verlegt hat, den sogenannten Zimmerberg-Basistunnel I mit einer Länge von 9,4 Kilometern.

Damit nicht genug: Für den Großraum Zürich sind in den kommenden Jahrzehnten nicht weniger als über 90 Kilometer* neue Tunnels geplant, um zusätzliche Gleise aufnehmen zu können. Und das Schweizer Stimmvolk hat diesem Vorhaben bereits grundsätzlich zugestimmt.
*Brüttener Tunnel 2 mal 10 km = 20 km
Zimmerberg-Basistunnel II 2 mal 10,4 km = 20,8 km
Honerettunnel, 2 mal 15 km = 30 km
Chestenbergtunnel, 2 mal 10 km = 20 km
Riesbachtunnel II, 1,5 km
Summe: ca. 92 km

Allerdings sind Tunnels nur zu rechtfertigen, wenn sie wirklich massenhaft Güter- und Personenzüge aufnehmen und damit nennenswert Verkehr von der Straße und aus der Luft abziehen. Tunnels, die nur als Fressen für die Bauwirtschaft und für die Ingenieurbüros oder als Prestigeobjekt neurotischer Politiker dienen, darf es nicht geben. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es in der Schweiz zu den Massen an geplanten Bahntunnels auch kritische Stimmen gibt. So hat Alt-SBB-Chef Benedikt Weibel, der den Ausbau der Bahn in der Schweiz grundsätzlich befürwortet, bereits davor gewarnt, dass die neuen kostspieligen Bahntunnels in der Schweiz früher oder später im Falle von Wirtschaftskrisen oder einer Richtungsänderung bei der Entwicklung der Bevölkerungszahlen einen negativen Effekt auf den Bestand der Flächenbahn haben werden.     

Es ging in diesem Blog nie darum, Tunnels zu verhindern. Voraussetzung für den Bau von Tunnels ist jedoch, dass das politische Umfeld stimmt und massiv Verkehr von der Straße und der Luft auf die Schiene verlagert wird. Die Alternativen zu Stuttgart 21, die durchaus Tunnels enthalten können, müssen sich zudem daran messen lassen, dass sie in den Schlossgarten nicht eingreifen, dass sie das Mineralwasser nicht schädigen, dass sie die Grundwasserströme nicht beeinträchtigen, dass sie keine Probleme mit Dükern verursachen, dass sie keinen Damm quer zum Stuttgarter Talkessel bauen, dass sie genügend breite Bahnsteige bereithalten, dass sie genügend Bahnsteiggleise vorsehen, dass sie viele Zulaufgleise aufweisen, dass sie Bahnhöfe ohne Längsneigung beinhalten, dass sie nur ganz wenige bebaute Grundstücke unterfahren, dass sie etappierbar umzusetzen sind, dass also im Falle von zukünftigem Geldmangel oder von Wirtschaftskrisen jeder Zwischenzustand des Ausbaus auch der Endzustand sein könnte. Ich bin der Auffassung, dass die in diesem Blog über viele Artikel verteilten Alternativen alle diese Voraussetzungen erfüllen.

Stuttgart 21 hat die Region Stuttgart bereits um 30 Jahre zurückgeworfen
Wichtig war mir stets auch zu betonen, dass das Projekt Stuttgart 21 nicht nur in ferner Zukunft seine wenig segensreiche Wirkung auf den Bahnverkehr in Stuttgart und in BW entfalten wird. Die Existenz des Projekts Stuttgart 21 wirkt sich bereits seit ca. 30 Jahren negativ auf den Bahnverkehr aus, hat Stuttgart bereits weit hinter andere Regionen zurückgeworfen. 

Hätte Professor Emeritus Heimerl nicht diese Schnapsidee mit der NBS Wendlingen - Ulm gehabt und wäre es ihm nicht gelungen, der Politik diese Strecke schmackhaft zu machen, dann hätten wir schon längst den Umfahrungstunnel Geislinger Steige, dann wäre der ICE schon längst schneller zwischen Stuttgart und Ulm unterwegs, dann wäre die Strecke Stuttgart - Ulm schon längst attraktiver für den Schienengüterverkehr.

Auch der Stuttgarter Hauptbahnhof würde dann nicht so aussehen, wie das heute der Fall ist. Vielmehr wäre der Kopfbahnhof bereits modernisiert, hätte eine moderne Fußgängerunterführung, hätte breitere Bahnsteige, hätte ein neues Dach. Es gäbe auch bereits das fünfte und sechste Gleis zwischen Bad Cannstatt und Stuttgart. Die Kapazitätsprobleme der Zufahrt Bad Cannstatt wären längst gelöst. Der Flughafen wäre bereits viel besser mit dem Bahnnetz von BW verbunden, indem die S-Bahnlinien in der Station Flughafen-Terminal durchgebunden werden und weiter nach Nürtingen, nach Wendlingen-Plochingen sowie Kirchheim/Teck fahren.

Leider ist es nicht so gekommen. Die Autostadt Stuttgart steht heute im regionenweiten Vergleich in Sachen Schienenverkehr schlecht da. Als geborener Stuttgarter schämt man sich ein wenig darüber.      

Nach dem Stopp von Stuttgart 21 heißt es, wieder einen Gang hochzuschalten
Nun heißt es also abzuwarten, in eine Art Stand by - Betrieb zu gehen, um nach einem Scheitern oder Stopp von Stuttgart 21 wieder einen Gang hochzuschalten. Selbstverständlich gilt dieser Stand by - Betrieb bei mir nur in Bezug auf Stuttgart 21, nicht für alles andere, was das Leben so bereithält. Nach einem Stopp von Stuttgart 21 überlasse ich zudem gerne Anderen den Vortritt. Alles, was hier in diesem Blog zu den Alternativen gesagt worden ist, ist öffentlich. Es gibt darauf kein Copyright. Jede und jeder kann diese Alternativen als ihre / seine eigenen Ideen darstellen, wenn es nur hilft, Stuttgart 21 zu stoppen und die Region Stuttgart in eine gedeihliche Verkehrszukunft zu führen. In diesem Sinne wünsche ich allen weiterhin viel Erfolg und eine gute Zukunft.      

  

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