Das Projekt Stuttgart 21 mutiert immer mehr zum SSB-Skandal. Die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) wollen unbedingt neben der Heilbronner Straße einen neuen Stadtbahntunnel bauen und die U12 durch das A1-Gebiet führen.
Beide Maßnahmen sind unnötig, ja sogar schädlich, wenn Stuttgart 21 nicht gebaut wird. Vor dem Hintergrund der ungeklärten Finanzierung von Stuttgart 21 und vieler ungeklärter technischer und verkehrstechnischer Fragen zu Stuttgart 21 dürfen zur Zeit weder der Stadtbahntunnel neben der Heilbronner Straße noch die U12-Trasse durch das A1-Gebiet gebaut werden.
Die SSB interessiert das freilich nicht. Jetzt hat die SSB eine neue Wortschöpfung erfunden, um den Bau der Tunnel zu rechtfertigen. Sollte Stuttgart 21 nicht kommen, so wird die SSB in einem Artikel der Stuttgarter Zeitung vom 25.01.2013 zitiert, dann mutiert die Tunnelmaßnahme eben von einer Stuttgart 21-Folgemaßnahme zu einer sogenannten Vorsorgemaßnahme. Man will die Tunnel also vorsorglich bauen, falls nach einem Stopp von Stuttgart 21 die Bahn nach dem Jahr 2100 vielleicht doch einmal den Feuerbacher Tunnel im Rahmen eines modifizierten Stuttgart 21-Konzepts baut.
Unter normalen Umständen würde die SSB eine solche Position niemals einnehmen. Es gibt bei der SSB aber besondere Umstände, die diesen Irrsinn vielleicht erklären können, wenngleich sie ihn nicht rechtfertigen können. Dazu kommen wir gleich.
Halten wir noch einmal fest, warum der neue Tunnel neben der Heilbronner Straße und die Führung der U12 durch das A1-Gebiet schädlich sind, wenn Stuttgart 21 nicht kommt.
1. Haltestelle Budapester Platz
Die für die U12 auf dem A1-Gebiet geplante Haltestelle Budapester Platz ist nur sinnvoll, wenn nach der Fertiggestellung von Stuttgart 21 das A2-Gebiet (das heutige Gleisvorfeld) vollständig bebaut wird. Für die Erschließung des A1-Gebiets braucht man die Haltestelle Budapester Platz nicht. Die neue Bibiothek auf dem A1-Gebiet ist näher an der bestehenden U-Haltestelle Türlenstraße (sie wurde im Dezember 2012 umbenannt, der Klarheit halber verwenden wir hier erst mal weiter den alten Namen). Auch das zukünftige ECE-Einkaufszentrum (seit zwei Tagen ist dort aus mir noch nicht bekannten Gründen die Bautätigkeit eingestellt) grenzt unmittelbar an die U-Haltestelle Türlenstraße.
2. Haltestelle Pragfriedhof
Die bestehende Haltestelle Pragfriedhof der Stadtbahnlinie U15 würde nach einer Inbetriebnahme der Haltestelle Budapester Platz stillgelegt. Dann würde die U15 über die Heilbronner Straße fahren und die U12 würde über die Haltestelle Budapester Platz fahren. Nun ist die Haltestelle Pragfriedhof aber eine beliebte und stark frequentierte Haltestelle. Der Friedhof spielt hier zwar auch eine Rolle, aber beileibe nicht die einzige. Die Haltestelle Pragfriedhof dient zur Erschließung der Stadtquartiere südlich der Friedhofstraße und vor allem nordwestlich der Heilbronner Straße. Es gibt für die Erschließung des letztgenannten Areals sogar einen Fußgängersteg von der Haltestelle Pragfriedhof über die Heilbronner Straße. Die SSB will also mit der Haltestelle Budapester Platz eine Haltestelle bauen, die niemand benötigt und statt dessen die sehr wohl benötigte Haltestelle Pragfriedhof stilllegen.
3. Kosten für den Tunnelbau
Mit den Kosten, die für den neuen Stadtbahntunnel neben der Heilbronner Straße und für die Führung der U12 durch das A1-Gebiet entstehen, würde es in anderen Städten möglich sein, eine ganze Straßenbahnlinie neu zu bauen. In Stuttgart will man diese Kosten in die Hand nehmen, um unter dem Strich keine Verbesserungen für die Fahrgäste, sondern im Gegenteil Verschlechterungen für die Fahrgäste zu erreichen.
Die besonderen Randbedingungen bei der SSB
Gibt es Erklärungsmöglichkeiten für das Verhalten der SSB? Ja, die gibt es. An erster Stelle steht hier selbstverständlich der schon oft in diesem Blog genannte SSB-Vorstand Arnold. Als Student bei Professor Heimerl, als zeitweiliger Assistent von Professor Heimerl, als zeitweiliger Leiter des verkehrswissenschaftlichen Instituts der Universität Stuttgart und als jahrzehntelanger Lobbyist in Sachen Stuttgart 21 gegenüber Politik, Verwaltungen und Industrie ist Arnold so stark mit Stuttgart 21 verbandelt wie kaum ein anderer.
Vielleicht läuft man Gefahr, die Bedeutung von Arnold zu überhöhen. Aber es gibt Gründe für die Annahme, dass Stuttgart 21 ohne Arnold, der die Graue Eminenz hinter Stuttgart 21 ist, nie in eine Realisierungsphase getreten wäre. In diesem Zusammenhang irritiert mich manchmal auch ein wenig das Verhalten der großen Bürgerbewegung gegen Stuttgart 21. Die große Bürgerbewegung gegen Stuttgart 21 kritisiert in erster Linie z.B. die Bahnvorstände Grube und Kefer und verschiedene Politiker. Derweil sitzt die Graue Stuttgart 21-Eminenz Arnold in seinem Bürogebäude in S-Möhringen und reibt sich die Hände.
Es ist zwar durchaus berechtigt, Grube, Kefer und verschiedene Politiker zu kritisieren. Aber all diese Personen haben Stuttgart 21 nicht erfunden. Sie sind erst mehr oder weniger spät aus beruflichen Gründen mit dem Projekt in Berührung gekommen. Erfunden und jahrzehntelang lobbyiert haben das Projekt andere. Und Arnold ist der einzige noch beruflich Aktive aus dieser Gruppe.
Wir müssen als Erklärung für das Verhalten der SSB noch einen anderen, wenngleich nachgeordneten Grund nennen. Die SSB hat für Stuttgart 21 relativ viel Personal eingestellt, sowohl im Bereich Bau als auch im Bereich Betrieb. In ihrem Jahresbericht versteckte die SSB diese neuen Mitarbeiter unter dem Hinweis, dass für "Großprojekte" neue Mitarbeiter eingestellt worden seien. Selbstverständlich haben diese Mitarbeiter gewisse Ängste um ihren Job, wenn Stuttgart 21 gestoppt wird. Auch daraus gibt es eine gewisse Energie, ein gewisses Eigenleben für eine Fortführung des Projekts.
Welcher Politiker stoppt den Irrsinn?
Es gibt zwei Institutionen, die Kraft ihres Amts der SSB Einhalt gebieten können.
Zunächst einmal ist diesbezüglich der Stuttgarter Oberbürgermeister zu nennen. Fritz Kuhn ist sowohl Aufsichtsratsvorsitzender bei der vollständig in kommunalem Besitz sich befindenden SSB als auch oberster Dienstherr der Stadtverwaltung einschließlich des mit dem Tunnelbau befassten Tiefbauamts. Fritz Kuhn muss, um Schaden von der Stadt abzuwenden, den Tunnelbau neben der Heilbronner Straße sowie den Bau der U12 durch das A1-Gebiet umgehend stoppen.
Dann gibt es aber noch eine zweite Institution. Die U12-Baumaßnahmen werden zum überwiegenden Teil mit Zuschüssen nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz finanziert. Diese Zuschüsse werden vom Verkehrsministerium des Landes Baden-Württemberg gewährt. Voraussetzung für die Zuschüsse ist ein Nutzen-Kosten-Verhältnis der Maßnahme größer als eins.
Die Führung der U12 durch das A1-Gebiet ist jedoch ohne Stuttgart 21 unwirtschaftlich. Die Haltestelle Budapester Platz generiert nur dann genügend Fahrgäste, wenn das A2-Gebiet vollständig bebaut wird. Selbst im Falle, dass Stuttgart 21 gebaut würde, würde das A2-Gebiet frühestens im Jahr 2025 frei werden und frühestens im Jahr 2030 eine erste, noch lückenhafte Bebauung aufweisen. Somit ist die Haltestelle Budapester Platz vor 2030 selbst bei einem Bau von Stuttgart 21 unnötig. Damit ist aber Verkehrsminister Winfried Hermann verpflichtet, die Zuschüsse für die U12 erst einmal zurückzuziehen. Auch das bedeutet das Ende der unnötigenTunnelbauten für die U12.
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