Freitag, 3. Mai 2024

Ausbau der Kölner S-Bahn zeigt: Kleinere Taktfolgen sind nur mit zusätzlichem Bahnsteig möglich

Der Verband Region Stuttgart scheint die einzige Institution in Deutschland zu sein, die mit Hilfe signaltechnischer Mittel noch mehr Züge auf eine bereits überlastete S-Bahn-Stammstrecke bringen will.

An anderen Orten in Deutschland wird da ganz anders gedacht. Das gilt auch für die S-Bahn in Köln, wie aus der DB-Information zum Ausbau des Bahnknotens Köln hervorgeht.

Sehen wir uns das heute mal genauer an.

Die Strecke der Kölner S-Bahn zwischen dem Bahnhof Köln Hauptbahnhof und dem Bahnhof Messe/Deutz über die Hohenzollernbrücke ist überlastet. Immer wieder stauen sich S-Bahnzüge auf der Hohenzollernbrücke und in deren Umfeld. Die insgesamt sechsgleisige Hohenzollernbrücke weist zwei Gleise für die S-Bahn auf.

Es scheint aber Klarheit darüber zu herrschen, dass nicht die Hohenzollernbrücke selbst das Hindernis für die S-Bahn ist (Gutachten aus dem Jahr 2012). Die maßgebenden Engpässe für die Kölner S-Bahn sind die S-Bahnhöfe Köln Hauptbahnhof  und Messe/Deutz. Der Grund dafür ist klar. Die Fahrgastwechselzeiten bei diesen beiden Bahnhöfen sind relativ groß. Die S-Bahnzüge bleiben zum Teil längere Zeit in diesen Bahnhöfen stehen. 

Die Engpässe bei der Kölner S-Bahn sollen durch zusätzliche Mittelbahnsteige beseitigt werden
Heute gibt es bei den Bahnhöfen Köln Hauptbahnhof  und Messe/Deutz jeweils einen Mittelbahnsteig zwischen den beiden Richtungsgleisen der S-Bahn. Bei beiden Bahnhöfen soll ein zusätzlicher Mititelbahnsteig gebaut werden. In jede Rich­tung kann die S-Bahn dann an zwei Bahn­steig­kan­ten im Wech­sel hal­ten, wo­durch die nächs­te S‑Bahn schnel­ler fol­gen kann. Direkt damit verbunden ist eine Steigerung der Leistungsfähigkeit der S-Bahn-Stammstrecke.
 
Zürich und Frankfurt am Main haben den zweiten Mittelbahnsteig bereits
Das was in Köln bald in den Bau geht, gibt es in Zürich und Frankurt am Main bereits. In Frankfurt am Main verfügt der S-Bahnhof Hauptbahnhof bereits über zwei Mittelbahnsteige. Das ermöglicht für die Frankfurter Stammstrecke eine Steigerung der Leistungsfähigkeit. In Zürich verfügt der S-Bahnhof Hauptbahnhof der ersten S-Bahn-Stammstrecke bereits über zwei Mittelbahnsteige. Das führt zu einer höheren Leistungsfähigkeit für die erste Stammstrecke. Hierzu wäre allerdings noch zu ergänzen dass es im benachbarten S-Bahnhof Stadelhofen Engpässe gibt, die im Rahmen des Investitionsprogramms 2035 beseitigt werden sollen.
 
Welche Mittel setzen einzelne S-Bahnnetze ein?
Sehen wir uns mal einige S-Bahnnetze daraufhin an, welche baulichen Elemente zur Steigerung der Kapazität der jeweiligen S-Bahn-Stammstrecke eingesetzt werden.
 
Hamburg
Hamburg hat bereits zwei S-Bahn-Stammstrecken und damit eine sehr gute Leistungsfähigkeit im S-Bahnnetz.
 
München
In München verfügen die S-Bahnhöfe Hauptbahnhof, Stachus und Marienplatz sowie die geplanten S-Bahnhöfe der zweiten Stammstecke Hauptbahnhof und Marienhof über die spanische Bahnsteiglösung (getrennte Bahnsteige für das Ein -und Aussteigen). Eine zweite Stammstrecke für die S-Bahn ist im Bau.
 
Frankfurt am Main
In Frankfurt am Main verfügt der S-Bahnhof Hauptbahnhof über zwei Mittelbahnsteige (vier Gleise).
 
Köln
In Köln ist beim S-Bahnhof Hauptbahnhof und beim S-Bahnhof Deutz/Messe jeweils ein zweiter Mittelbahnsteig (4 Gleise) geplant.
 
Zürich
In Zürich hat die S-Bahn eine zweite Stammstrecke, die allerdings mit Fernzügen geteilt werden muss. Der S-Bahnhof Hauptbahnhof der ersten S-Bahn-Stammstrecke verfügt über zwei Mittelbahnsteige (4 Gleise).
 
Berlin
Die Berliner S-Bahn hat drei Stammstrecken (einschließlich der Ringbahn). Eine vierte Stammstrecke mit dem Arbeitstitel "S21" (hat nichts mit Stuttgart 21 zu tun) wird bald eröffnet. Noch etwas zu den Ringbahnen allgemein: Sie sind nur für Städte mit über 4 Mio. Einwohnern sinnvoll. Bei den Mega-Cities wie Moskau, London und Paris liegt der hauptsächliche Anwendungsbereich von Ringbahnen.  
 
Jetzt kommt Stuttgart
Das Stuttgarter S-Bahnnetz verfügt über kein einziges der genannten baulichen Elemente zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der einzigen Stammstrecke, als da wären:
 
1. Spanische Lösung mit getrennten Bahnsteigen für die ein- und aussteigenden Fahrgäste
2. Zweite S-Bahn-Stammstrecke
3. Bahnhöfe mit zwei Mittelbahnsteigen (4 Gleise)

Es ist aus baulichen Gründen auch nicht möglich, dass die Stuttgarter S-Bahn nachträglich eines der genannten Infrastrukturelemente erhält.

Was ist für die Stuttgarter S-Bahn möglich?
Der Verband Region Stuttgart erwartet, dass durch signaltechnische Mittel die Kapazität der Stammstrecke der Stuttgarter S-Bahn weiter erhöht werden kann. Dadurch kann vielleicht eine weitere S-Bahnlinie durch die Stammstrecke geführt werden oder es kann für einzelne Linien der 10-Minuten-Takt eingerichtet werden.
 
Der Verband Region Stuttgart ist hier jedoch auf dem Holzweg. Signaltechnische Verbesserungen dürfen nur dazu eingesetzt werden, Verspätungen zu reduzieren, nicht jedoch, um noch mehr Züge durch die Stammstrecke zu führen. So jedenfalls verfahren de facto alle anderen S-Bahnnetze.
 
Es gibt für die Stuttgarter S-Bahn jedoch ein bauliches Element, das zu mehr Zügen führen kann. Dies ist der ergänzende Kopfbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof, der auch einige Bahnsteiggleise für die S-Bahn erhalten sollte. Zusätzliche Angebote der S-Bahn können dann in den Kopfbahnhof geführt werden.
 
Tangentialstrecken sind keine Stammstrecke
Unter einer Stammstrecke versteht man eine Strecke, auf der alle Linien eines Netzes oder alle Linien eines Netzteils fahren und die die Innenstadt und/oder den Hauptbahnhof anbindet.
 
Von daher ist eine S-Bahnstrecke von Stuttgart-Vaihingen über die Panoramastrecke der Gäubahn und Stuttgart-Nord nach Stuttgart-Bad Cannstatt keine zweite Stammstrecke für die Stuttgarter S-Bahn, sondern eine bloße Tangentialstrecke mit all ihren Fragwürdigkeiten und Problemen.

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