Donnerstag, 21. Oktober 2021

Warum es das Stuttgart 21-Versöhnungsfest von OB Frank Nopper nicht geben kann

Stuttgarts OB Frank Noppers Beitrag zum Stuttgart 21-Konflikt scheint ein Versöhnungsfest zu sein, das er bei der Eröffnung von Stuttgart 21 feiern will. So jedenfalls äußerte er sich bereits mehrfach.

Wir sehen uns heute an, warum es ein solches Versöhnungsfest nicht geben kann. Der erste Blick geht bei solchen Sachen ja heutzutage in die wikipedia. Im Artikel " Versöhnung" gibt es das Kapitel "Philosophie". Dort heißt es, dass in Hegels Philosophie mit Versöhnung die Vermittlung gemeint ist, "die am Ende der Dialektik die Widersprüche in einer Synthese aufhebt". Das von Frank Nopper angestrebte Versöhnungsfest hat somit mit Versöhnung wenig zu tun. Es wäre vielmehr ein Stuttgart 21-Triumphfest.

In einem weiteren Kapitel "Politik" heißt es im wikipedia-Artikel, dass in "Gesellschaft und Politik Versöhnung als ein möglicher Bestandteil einer Vergangenheitsbewältigung und/oder Konfliktregelung betrachtet wird. Und weiter: "Die Ermittlung der Wahrheit bezüglich des realen Geschehens wird sowohl bei einer Vergangenheitsbewältigung als auch bei einer Konfliktregelung für erforderlich gehalten". All dies beinhaltet Noppers vorgeschlagenes Stuttgart 21-Versöhnungsfest nicht. 

 

Wie sieht es in Sachen Kompromissbereitschaft aus?
Die Kritiker von Stuttgart 21 waren über all die Jahre hinweg stets kompromissbereiter als die Stuttgart 21-Protagonisten und -befürworter. So wurde der Vorschlag von Heiner Geißler und SMA, einen Kombibahnhof für Stuttgart zu bauen (vorgetragen bei der Präsentation des Stresstests), von den Kritikern nicht sofort weggeworfen, sondern als prüfbar eingestuft. Auf der anderen Seite lehnte der Vorsitzende des Verbands Region Stuttgart, Thomas Bopp, den Kombibahnhof sofort ab. (Thomas Bopp ist der wohl letzte noch amtierende Stuttgart 21-Protagonist der ersten Stunde, aber nicht das Thema im heutigen Post in diesem Blog.) Das Wort Versöhnung dürften also zuallererst die Stuttgart 21-Kritiker in den Mund nehmen, nicht jedoch Frank Nopper und Thomas Bopp.

Wann soll denn ein "Versöhnungsfest" gefeiert werden?
Nun ist ja bei der letzten Sitzung des Lenkungskreises zu Stuttgart 21 verkündet worden, dass bestimmte Teile von Stuttgart 21 nicht bis Ende 2025 fertiggestellt werden können. Dazu gehört der ganze Gäubahn-Komplex, aber auch eine Zufahrt zum Wartungsbahnhof Untertürkheim. Bis Ende 2025 bleiben noch über vier Jahre Zeit, genug, um im Laufe der nächsten Monate und Jahre noch weitere Terminverschiebungen zu verkünden. 
 
Und es stellt sich die Frage, wann Stuttgart 21 eigentlich "fertig" ist. Ist Stuttgart 21 fertig und damit feierwürdig, wenn der erste Zug auf dem ersten Gleis fährt? Oder ist Stuttgart 21 fertig, wenn alle Vorhaben aus dem Finanzierungsvertrag gebaut und in Betrieb genommen worden sind? Oder ist Stuttgart 21 erst dann fertig, wenn auch die inzwischen als unabdingbar geltenden Ergänzungsmaßnahmen wie der Nordzulauftunnel und der Ergänzungsbahnhof fertiggestellt sind? Der Zeitpunkt eines Versöhnungsfestes variiert also zwischen vielleicht Ende 2025 und 2050.
 
Will OB Frank Nopper mit dem Versöhnungsfest von seiner schwachen Position ablenken?
Man gewinnt den Eindruck, dass OB Frank Nopper mit dem Vorschlag eines Stuttgart 21-Versöhnungsfestes von seiner schwachen Position in Bezug auf die Bebauung des Bahngeländes ablenken will.
 
Nach dem Trauerspiel der Bebauung des ehemaligen Güterbahnhofs Bad Cannstatt, wo sich erst Jahrzehnte nach Freiwerdung des Geländes baulich etwas tat und wo sich zur Zeit die Bebauung über weitere Jahrzehnte quälend hinschleppt, glaubt wohl niemand mehr, dass die Bebauung des Stuttgart 21-Rosensteinviertels in irgend einer absehbaren Zeit gelingen wird. Ein Baubeginn wurde ja bereits nicht vor Mitte der Dreißiger Jahre genannt und gleich wieder dementiert. Aber das will ja nichts heißen.
 
Zudem kann man feststellen, dass viele Städte in Deutschland und Europa - darunter auch alle Städte, die dankend auf ein 21er-Projekt verzichtet haben - viel mehr Wohungsbau betreiben als Stuttgart. Irgend etwas muss da also faul oder falsch sein. Zudem lässt ein Ergänzungsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof noch so viel Platz für neu zu bebauendes Gelände, dass damit die Landeshauptstadt Stuttgart wiederum Jahrzehnte zu knappern haben wird.
 
Seine Meinung nach gründlicher Überlegung zu ändern ist ehrenhaft
Noch hat OB Frank Nopper Zeit und Akzeptanz, wenn er seine Meinung zu Stuttgart 21 und zum notwendigen Ergänzungsbahnhof ändert. Niemand wird ihm das übel nehmen. Stures Festhalten an einer einmal getroffenen falschen Meinung führt dagegen ins Abseits.      

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.