Mittwoch, 12. Februar 2020

Wohnungsbau im Rosensteinviertel ist kein Grund für den Verzicht auf die Gäubahnführung zum Stuttgarter Kopfbahnhof

Als ein angeblich gewichtiger Grund gegen eine wenigstens vorübergehende Beibehaltung der Führung der Gäubahn zum Stuttgarter Kopfbahnhof wird immer wieder der gewünschte Bau von Wohnungen im Rosensteinviertel angegeben.

Dabei zeigt die Blaupause zum Rosensteinviertel - der ehemalige Güterbahnhof Bad Cannstatt -, dass der Wohnungsbau auf ehemaligem Bahngelände gerade in Stuttgart sehr viel langsamer vorangeht, als es sich die Planer wünschen.

Das Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs in Bad Cannstatt steht nun schon seit mehreren Jahrzehnten für eine neue Nutzung bereit. Bisher ist dort noch keine einzige Wohnung gebaut worden, obwohl der Bau von Wohnungen auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs Bad Cannstatt ein erklärtes Ziel des Gemeinderats und der Stadtverwaltung ist und obwohl angeblich in Stuttgart Tausende Wohnungen fehlen.

Quartierspark, Bürobauten, Sportbad, aber keine neuen Wohnungen
In den letzten Jahren hat man auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs Bad Cannstatt einen neuen Quartierspark, den Veielbrunnenpark angelegt. Es wurden inzwischen auch vier Bürogebäude an der Peripherie des Geländes hochgezogen. Mit dem Bau des Sportbads wurde jetzt begonnen. Aber neue Wohnungen gibt es auch Jahrzehnte nach der Aufgabe der Bahn-Nutzung des Geländes nicht. Erst vor wenigen Tagen ist sogar eine Wohnungsbaufirma, die Wohnungen auf dem Gelände geplant hat, abgesprungen. Begründet wurde dies mit den in den vergangenen Jahren eingetretenen Kostensteigerungen bei den Grundstücks- und Baupreisen, die eine Erstellung von bezahlbaren Wohnungen auf dem Gelände verunmögliche.


Bisher gibt es keine überzeugende Argumentation, dass dies auf dem Gelände des zukünftigen Rosensteinviertels anders ablaufen wird. Man muss vielmehr davon ausgehen, dass es einige bzw. viele Jahrzehnte benötigen wird, bis das Rosensteinviertel von Stuttgart 21 vollständig bebaut sein wird. Eine zumindest mal vorübergehende Beibehaltung der bestehenden Gäubahnführung zum Stuttgarter Kopfbahnhof hat somit praktisch keine Auswirkungen auf den Wohnungsbau im Rosensteinviertel. Es schadet der Stadtentwicklung nicht, wenn einige wenige Hektar Grundfläche, die langfristig für eine Bebauung vorgesehen sind, erst mal im Eigentum der Bahn bleiben.

Verträge kann man ändern
Nun wird dagegen immer wieder argumentiert, dass es einen Vertrag zwischen der Landeshauptstadt Stuttgart und der Bahn gibt, wonach die Flächen, die heute die Gäubahn benutzt, in das Eigentum der Landeshauptstadt Stuttgart übergehen und dass die Bahn hierführ wegen der verspäteten Fertigstellung von Stuttgart 21 sogar Verzugszinsen an die Stadt bezahlen muss.

Verträge können geschlossen und auch wieder aufgelöst bzw. geändert werden. Selbstverständlich kann das im Falle der Landeshauptstadt Stuttgart nur der Stuttgarter Gemeinderat beschließen. Voraussetzung dafür ist allerdings eine ausführliche und fundierte Vorlage seitens der Stadtverwaltung an den Stuttgarter Gemeinderat. Hier sind jetzt also der OB Fritz Kuhn und der Baubürgermeister Peter Pätzold gefordert. Wenn dem Gemeinderat eine solche fundierte Vorlage vorliegt, bestehen gute Chancen, dass die Räte einer Änderung des Vertrags mit der Bahn zustimmen werden.

Der geplante Interimsbahnhof der Gäubahn macht das baden-württembergische Bahnnetz kaputt
Nach jetzigem Sachstand ist geplant, dass die Züge der Gäubahn ab ca. 2025 für die Dauer mehrerer Jahre in einem Interimsbahnhof enden, der in der Nähe des Nordbahnhofs liegt. Es mag ja sein, dass man von dort relativ rasch in die Stadtbahn und in die S-Bahnlinien S4 bis S6 umsteigen kann. Entscheidend ist jedoch, dass die Gäubahn dann nicht mehr die Stuttgarter Innenstadt und - noch wichtiger - den Stuttgarter Hauptbahnhof anfährt. Damit geht die Netzwirkung der Gäubahn verloren. Es gibt dann keine direkte Umsteigemöglichkeit mehr von der Gäubahn zur Filstalbahn (Richtung Esslingen, Plochingen, Göppingen, Geislingen an der Steige, Ulm), zur Remstalbahn (Richtung Waiblingen, Schorndorf, Schwäbisch Gmünd, Aalen), zur Murrbahn (Richtung Backnang, Murrhardt, Schwäbisch Hall, Crailsheim), zur Frankenbahn (Richtung Heilbronn, Würzburg) zur Residenzbahn (Richtung Vaihingen/Enz, Pforzheim, Karlsruhe) und zum Fernverkehr der Bahn.

So kann die Bahn mit dem Auto nicht mithalten. So kann die Verkehrswende nicht geschafft werden. So gibt es kein integrales baden-württembergisches Bahnnetz.

Geradezu lustig ist es, wenn jetzt einige Stuttgart 21-Befürworter den von Landesverkehrsminister Hermann initiierten Regionalbahnhof Stuttgart-Vaihingen preisen und die dadurch erreichbaren Verbesserungen loben. In der Tat bietet der zukünftige Regionalbahnhof Vaihingen viele Vorteile. Das Lob der Stuttgart 21-Befürworter für den Regionalbahnhof Vaihingen ist jedoch vergiftet. Denn es dient nur dazu, die jahrelange Unterbrechung der Gäubahn kurz vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof kleinzureden. Sollte dann später mal die Führung der Gäubahn über den Flughafen in Betrieb gehen, würden alle diese Vorteile des Regionalbahnhofs Vaihingen wieder verschwinden.

Was bietet denn der neue Regionalbahnhof Vaihingen?
Es gibt als Folge dieses neuen Bahnhofs bessere Verbindungen von der Gäubahn zur Stuttgarter Universität. Es gibt bessere Verbindungen von der Gäubahn zum Stuttgarter Westen (S-Bahnhaltepunkte Schwabstraße und Feuersee). Es gibt mit einmaligem Umsteigen in die Stadtbahn gute Verbindungen von der Gäubahn nach Stuttgart-Süd, nach Stuttgart-Möhringen und nach Stuttgart-Degerloch. Vor wenigen Tagen erst hat der Stuttgarter Gemeinderat eine Untersuchung über neue Stadtbahnstrecken in S-Vaihingen in Auftrag gegeben, die die Knotenpunktsfunktion des Vaihinger Bahnhofs weiter stärken werden (neue Strecke nach Büsnau, neue Strecke zum Autobahnkreuz Stuttgart - ehemals IBM). 

Der Regionalbahnhof Vaihingen ist auch wichtig, um das massiv wachsende, größte Gewerbegebiet Stuttgarts Am Wallgraben (Synergiepark) an den öffentlichen Verkehr besser anzubinden. Der Regionalbahnhof Vaihingen ist auch als Umsteigepunkt zur Flughafen- und Filder-S-Bahn wichtig. Der Regionalbahnhof Vaihingen ist auch wichtig, um die überlastete S1 zwischen Herrenberg und Vaihingen zu entlasten. Auch vor dem Hintergrund der Taktlücken bei der S1 zwischen Herrenberg und Böblingen als Folge des nach wie vor fehlenden dritten Gleises in diesem Abschnitt ist ein starker Regionalbahnverkehr Herrenberg-Böblingen-Vaihingen wichtig.

All diese Vorteile müssen selbstverständlich dauerhaft erhalten bleiben und nicht nur für einige Jahre zur Verfügung stehen.

Wie kann es jetzt weitergehen?
Es ist zu hoffen, dass die Bahn alles daransetzen wird, um den Baubeginn für die Rohrer Kurve, für eine Umrüstung der Flughafen-S-Bahn, für einen Flughafenbahnhof der Gäubahn und für einen unterirdischen  Flughafenbahnhof in der Relation Stuttgart-Wendlingen weiter zu verzögern.

Dann ist zu hoffen, dass die Politik in den kommenden Monaten doch noch zur Vernunft kommen wird und eine Änderung des Vertrags zwischen der Landeshauptstadt Stuttgart und der Bahn sowie eine Anpassung des Projekts Stuttgart 21 an die geänderten Rahmenbedingungen beschließen wird. Ab 2025 muss die Gäubahn sowie das fünfte und sechste Gleis der Zufahrt Zuffenhausen zunächst mal weiterhin oberirdisch an einen Rest-Kopfbahnhof angeschlossen werden.

Wenn zukünftige Politiker dann weiterhin partout darauf bestehen, dass alle Bahngleise im Stuttgarter Talkessel von der Oberfläche verschwinden, kann in den Dreißiger Jahren dann immer noch ein unterirdischer Kopfbahnhof und eine unterirdische Zufahrt der Gäubahn sowie des fünften und sechsten Gleises der Zufahrt Zuffenhausen zum Kopfbahnhof gebaut werden.           

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