Dienstag, 24. September 2019

Erleidet Stuttgart 21 das Schicksal des Schweizer Gotschnatunnels?

Der im Jahr 2005 eröffnete 4,2 Kilometer lange Gotschnatunnel im Schweizer Kanton Graubünden muss wegen Anhydritproblemen umfangreich saniert werden. Das teilt das Schweizer Bundesamt für Straßen ASTRA auf seiner Website mit.

Meldungen dieser Art sind auch für das Projekt Stuttgart 21 interessant. Denn dieses Projekt ist nicht nur in verkehrlicher, betrieblicher und finanzieller Hinsicht ein Irrtum. Stuttgart 21 bringt es auch fertig, viele Kilometer Tunnel in quellfähigem Gestein unter einer Großstadt bauen zu müssen - ein Risiko, das man anderswo wohl kaum eingegangen wäre.

Der Gotschnatunnel ist ein Teil der Umfahrung von Klosters, einem berühmten Fremdenverkehrsort im Kanton Graubünden und gleichzeitig die Hauptzufahrt auf der Straße zum weltbekannten Kurort, Fremdenverkehrsort und Veranstaltungsort Davos.

Der Tunnel weist nun Deformationen auf, die auf chemische und physikalische Vorgänge im Gestein zurückzuführen sind. Die Fahrbahn im Gotschnatunnel weist aktuell an drei Stellen Hebungen auf. Untersuchungen haben nun ergeben, dass die Hebungen durch quellenden Anhydrit verursacht werden. Ohne sofortiges Handeln würde der Tunnel in absehbarer Zeit unbefahrbar werden.


Der Tunnel wird nun von April 2019 bis Juni 2020 saniert. Hierzu wird der Tunnel dreimal jeweils während Jahreszeiten mit schwachem Verkehrsaufkommen für die Dauer von 10, 11 und 13 Wochen gesperrt. Im Rahmen der Sanierung wird unter anderem zwischen dem Felsen und der Fahrbahn eine Knautschzone eingebaut. Über der Knautschzone wird ein verstärktes Gewölbe eingebaut, das der Hebung Widerstand leistet. Dieses Konzept soll auch zukünftig zur Anwendung kommen, wenn sich an weiteren Stellen des Tunnels Deformationen zeigen.

Die Kosten der jetzt anstehenden Sanierung an drei Tunnelstellen des Gotschnatunnels sind mit 25 Millionen Franken veranschlagt.

Wie würde eine Anhydrit-Sanierung bei den Stuttgart 21-Tunneln aussehen?
Zwischen einem Straßentunnel und einem Bahntunnel gibt es in Bezug auf quellenden Anhydrit Unterschiede. Ein Bahntunnel - insbesondere ein Tunnel mit fester Fahrbahn - ist bereits bei wesentlich kleineren Deformationen unfahrbar als dies bei einem Straßentunnel der Fall ist.

Die Sperrung eines Stuttgart 21-Tunnels - insbesondere die Sperrung des Feuerbacher Tunnels - wegen Anhydritproblemen hat wesentlich größere Auswirkungen auf das Verkehrssystem als die Sperrung des Gotschnatunnels. Während der Sperrzeiten des Gotschnatunnels werden in der Ortsdurchfahrt Klosters verschiedene Vorkehrungen getroffen (z.B. Lotsen an wichtigen Punkten), um den Verkehrsfluss sowohl in Richtung Davos als auch den örtlichen Verkehr zu bewältigen. Wäre bei Stuttgart 21 der Feuerbacher Tunnel gesperrt, wäre der Stuttgarter Hauptbahnhof weitgehend vom Bahnverkehr abgehängt.

Gibt es ein europäisches Anhydrit-Tunnelregister?
Eine Art europäisches Anhydrit-Tunnelregister wäre sinnvoll, um die Dimension des Problems auch im Hinblick auf Stuttgart 21 abschätzen zu können.

Redundanzmaßnahmen bei Stuttgart 21 sind erforderlich
Um eventuelle zukünftige Tunnelsperrungen bei Stuttgart 21 besser abfangen zu können, sind dringend Redundanzmaßnahmen erforderlich.

So ist zum Beispiel das fünfte und sechste Gleis der Zufahrt Zuffenhausen mit einer Führung durch den bestehenden Pragtunnel und in einen Kopfbahnhof nicht nur aus Gründen der Leistungsfähigkeit erforderlich, sondern eben auch, um den Stuttgarter Hauptbahnhof bei einer Sperrung des Feuerbacher Tunnels aus Richtung Norden noch anfahren zu können.

Der Erhalt der Panoramastrecke der Gäubahn ist nicht nur aus Leistungsgründen erforderlich (mangelnde Leistungsfähigkeit der Mischbetriebsstrecke Rohr-Flughafen), sondern eben auch, um bei einer Sperrung des Fildertunnels den Stuttgarter Hauptbahnhof von der Gäubahn aus noch anfahren zu können.     

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