Dienstag, 6. August 2019

Stuttgarts OB Fritz Kuhn auf dem Luftverkehrs-Irrweg

Gemäß einer Zeitungsmeldung soll sich Stuttgarts OB Fritz Kuhn gegen weiteren Inlandsflugverkehr ab Stuttgart im Allgemeinen sowie gegen Flüge von Stuttgart nach Frankfurt bzw. München im Besonderen ausgesprochen haben.

Man wundert sich, weshalb OB Fritz Kuhn dieses alte und längste ausdiskutierte Randthema der Verkehrspolitik jetzt wieder zur Sprache bringt. Weiß er es nicht besser oder will er von seinem Versagen bei der Stuttgarter Verkehrspolitik ablenken?

Es ist schon vielfach gesagt worden: Niemand, der von Stuttgart nach München reisen will, benutzt hierfür das Flugzeug. Unter den Verkehrsmitteln Bahn, Auto und Flugzeug ist das Flugzeug bei einer Reise von Stuttgart und München das langsamste Verkehrsmittel. Trotzdem gibt es mehrere Flüge der Lufthansa pro Tag von Stuttgart nach München und zurück.

Niemand reist von Stuttgart nach München mit dem Flugzeug
Hierbei handelt es sich um Zubringerflüge bzw. Abbringerflüge zum bzw. vom großen Lufthansa-Hub (Knotenpunkt) München. Fluggäste, die von Stuttgart nach München fliegen, setzen dort ihre Reise ausnahmslos mit einem anderen Flugzeug fort. Will man mit der Bahn vom Stuttgarter Hauptbahnhof zum Münchner Flughafen fahren, gibt die Fahrplanauskunft Fahrzeiten von etwas über drei Stunden an. Da wird dann das Flugzeug plötzlich wieder konkurrenzfähig.


Die Fahrzeiten von Stuttgart zum Münchner Flughafen sind aber nicht der wichtigste Grund für das Bestehen von Flügen der Lufthansa von Stuttgart nach München. Es gab vor einigen Monaten ein wegweisendes Gerichtsurteil. Reisende, die mit der Bahn zum Flughafen gefahren sind und dort wegen einer Verspätung der Bahn ihren Flug nicht mehr erreicht haben, haben auf Schadensersatz geklagt. Die Richter wiesen die Klage ab. Sie argumentierten, dass bei einer Anreise zum Flughafen mit der Bahn gewisse Verspätungen und Störungen von vornherein einkalkuliert werden müssen. Konkret müsse man fahrplanmäßig mindestens drei Stunden vor dem Abflug am Flughafen sein, um eventuell einen Schadensersatz geltend machen zu können.

Mit diesem Urteil ist die vor allem in den Neunziger Jahren dieses Jahrhunderts vielgepriesene Transportkette Bahn-Flugzeug geplatzt. Die Anreise zu einem Flughafen per Bahn wird damit unattraktiv. Zunächst mal wegen der enormen Zeit, die das Ganze mit dem mindestens dreistündigen Aufenthalt am Flughafen kostet. Und zum anderen auch mit der Unmöglichkeit, im Falle eines verpassten Flugs Entschädigungen zu bekommen. Bei einer Anreise mit dem Flugzeug zu einem großen Hub gibt es im Falle eines verpassten Anschlussflugs dagegen sehr wohl Entschädigungen seitens der Luftverkehrsgesellschaft.

Die Transportkette Bahn-Flugzeug funktioniert nicht zufriedenstellend
Solange also die Transportkette Bahn-Flugzeug nicht richtig funktioniert - und damit sind auch eventuelle Entschädigungen gemeint - wird es weiterhin Flüge von Stuttgart nach München geben. Das sollte Fritz Kuhn wissen und auf seine populistische Forderung nach Einstellung dieser Flüge verzichten.

Das genannte Gerichtsurteil hat auch Auswirkungen auf das Projekt Stuttgart 21. Denn mit diesem Urteil sollte es auch den letzten harten Stuttgart 21-Befürwortern klargeworden sein, dass der Stuttgart 21-Flughafenbahnhof und die vielgepriesene Transportkette Bahn-Flugzeug nicht funktionieren. Zumindest sollte man das jetzt zum Anlass nehmen, auf den milliardenschweren Stuttgart 21-Flughafenbahnhof in Tieflage zu verzichten und auch die Gäubahn über S-Vaihingen und nicht über den Flughafen zum Hauptbahnhof zu führen.

Will OB Fritz Kuhn mit seinen populistischen Forderungen nach Einstellung der Flüge Stuttgart-München von seinem eigenen verkehrspolitischen Versagen ablenken?
Fritz Kuhn hat in Sachen Verkehrspolitik in Stuttgart bisher kaum etwas zu Wege gebracht. Selbstverständlich ist die Amtszeit von Fritz Kuhn zu kurz, um die jahrzehntealte falsche Verkehrspolitik in Stuttgart ungeschehen zu machen. Aber er könnte und müsste wenigstens erste Schritte in Richtung auf eine Verkehrszukunft in Stuttgart einleiten und die Rolle Stuttgarts als verkehrspolitischer Außenseiter in Europa beenden.

Wo ist die dritte Stammstrecke für die Stuttgarter Stadtbahn?
Die Stuttgarter Stadtbahn hat als einiges städtisches Verkehrsmittel in den vergleichbaren deutschen Großstädten nur zwei Stammstrecken. Das führt zu einer Überlastung und zur Unmöglichkeit, mehr Verkehr auf die Stadtbahn zu bringen.

Wo ist die Initiative von Fritz Kuhn für eine dritte Stammstrecke der Stuttgarter Stadtbahn? Zunächst mal müsste die Systemfrage gestellt werden. Soll die dritte Stammstrecke mit der Hochflur-Stadtbahn, mit einer Niederflurstraßenbahn oder mit einer fahrerlosen U-Bahn mit Bahnsteigtüren gefahren werden? In einem zweiten Schritt wäre dann die Linienführung der dritten Stammstrecke zu bestimmen und festzulegen, welche der bestehenden Zulaufstrecken auf die dritte Stammstrecke umgelenkt werden.

Wo ist die zweite Stammstrecke für die Stuttgarter S-Bahn?
Als einziges S-Bahnsystem im deutschsprachigen Raum verbindet die Stuttgarter S-Bahn die beiden Hauptzulaufstrecken zum Hauptbahnhof nicht direkt miteinander. Das führt unter anderem dazu, dass die Hälfte aller S-Bahnlinien in Stuttgart nicht durchgebunden werden kann, sondern innerhalb der Stammstrecke endet.

Wo ist die Initiative von Fritz Kuhn für eine zweite Stammstrecke der Stuttgarter S-Bahn? Zunächst mal müsste das Pflichtenheft dieser zweiten Stammstrecke festgelegt werden. Aus der Hauptaufgabe, die beiden Hauptzufahrten zum Stuttgarter Hauptbahnhof direkt miteinander zu verbinden, ergäbe sich dann eine Linienführung wie folgt: Bad Cannstatt - Hauptbahnhof - Hegelplatz - Kräherwald - Feuerbach - Zuffenhausen.

Wo sind die Straßenringe?
Durch die Innenstadt von Stuttgart führen zwei Bundesstraßen. Wer vom großen Schnellstraßensystem im Bereich Remstal/Murrtal auf die A 8 nach Karlsruhe oder auf die A 81 zum Bodensee will, muss nach wie vor durch den Stuttgarter Talkessel fahren.

Solange dies so ist, sind alle Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung des Stuttgarter Talkessels wirkungslos. Wo ist die Initiative von Fritz Kuhn für einen Mittleren Ring für Stuttgart, der unter anderem den Fildertunnel von Gaisburg bis nach Degerloch beinhaltet? Wo ist die Initiative von Fritz Kuhn für eine Vollendung des Außenrings, der unter anderem den Nordostring und eine neue Schurwaldquerung beinhaltet?

Wann gibt es endlich Änderungen am jahrzehntealten Projekt Stuttgart 21?
Selbst kleineren Änderungen am jahrzehntealten Projekt Stuttgart 21 verschließt sich Fritz Kuhn bis jetzt. Dazu gehören ein zusätzlicher Kopfbahnhof, um zusätzliche Bahnsteiggleise bereitzuhalten. Dazu gehören das fünfte und sechste Gleis für die Zufahrt Zuffenhausen. Dazu gehört auch die Führung der Gäubahn über S-Vaihingen zum Hauptbahnhof an Stelle der Führung über den Flughafen.

Weder die Volksabstimmung zu Stuttgart noch der zu Stuttgart 21 bestehende Vertrag können als Ausrede herhalten, das Projekt Stuttgart 21 jetzt - solange dies noch möglich ist - zu verändern und zu modernisieren.

Der Schnellbus X1 - die Lachnummer Deutschlands
Eine verkehrliche Maßnahme hat Fritz Kuhn doch auf den Weg gebracht. Es ist die Schnellbuslinie X1 zwischen dem Wilhelmsplatz Bad Cannstatt und der Stuttgarter Innenstadt.

Nach wie vor sitzen in diesen Bussen jedoch nur sehr wenige Menschen. Dieses Projekt muss damit als gescheitert angesehen werden. Der Schnellbus X1 taugt nicht dafür, die großen verkehrspolitischen Verfehlungen, die sich in Stuttgart über Jahrzehnte angehäuft haben, zu kaschieren. 

Gemäß der Straßenverkehrsordnung ist unnötiges Herumfahren von Kraftfahrzeugen nicht gestattet. Es muss geprüft werden, ob so ein Fall bei der Schnellbuslinie X1 nicht bereits vorliegt.            

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