Sonntag, 28. Juli 2013

OB Fritz Kuhn macht bei der Bekämpfung der Stuttgarter Verkehrsprobleme den Bock zum Gärtner

Der Stuttgarter OB Fritz Kuhn hat jetzt einen sogenannten Aktionsplan "Nachhaltig mobil in Stuttgart" vorgestellt. Diesen Plan hat er von einem Lenkungskreis erarbeiten lassen, der außer ihm selbst als Leiter aus fünf Mitgliedern besteht. Mitglieder des Kreises sind außer OB Fritz Kuhn Städtebaubürgermeister Matthias Hahn, Technischer Bürgermeister Dirk Thürnau, Ordnungsbürgermeister Dr. Martin Schairer, der Bürgermeister für allgemeine Verwaltung Werner Wölfle und SSB-Technikvorstand Wolfang Arnold.

Diese Sach- und Personalentscheidung Kuhns zeigt einmal mehr, mit wie wenigen Ambitionen dieser OB gedenkt, sein Amt auszuüben und wie er inzwischen auf dem Boden des politischen KleinKlein angekommen ist. Sehen wir uns mal die fünf Mitglieder des Lenkungskreises mit unterschiedlicher Intensität an.


Matthias Hahn
Matthias Hahn (SPD), ein Jurist, ist seit dem Jahr 1996 Beigeordneter für Städtebau (Bürgermeister) der Landeshauptstadt Stuttgart. Das sind nun immerhin bereits 17 Jahre, eine lange Zeit. Jedenfalls ist diese Zeit lang genug, dass man Missstände in seinem zu verantwortenden Aufgabengebiet nicht mehr so ohne weiteres auf andere Personen oder auf die Vorgänger im Amt abschieben kann.

Unter an Architektur und Städtebau interessierten Personen in Deutschland ist es inzwischen Konsens, dass Stuttgart die Stadt mit den hässlichsten Gebäuden und den unscheinbarsten Straßenzügen Deutschlands ist. Wäre nicht die schöne topographische Lage der Stadt (für die Politiker Gott sei Dank nichts können), sähe es um Stuttgart ganz schlecht aus. Welchen Anteil hat der Städtebaubürgermeister Matthias Hahn an dieser Misere?

Im inneren Stadtbereich von Stuttgart gibt es so viele Tiefgaragenstellplätze wie in keiner anderen deutschen Großstadt - und gerade sind Tausende weitere Tiefgaragenstellplätze im Bau. Das unter anderem führt zu einem überbordenden Autoverkehr mit der entsprechend hohen Feinstaubbelastung im Stuttgarter Talkessel. Gerade eine Stadt wie Stuttgart, die in einem Talkessel liegt und deshalb für Feinstaub besonders anfällig ist, sollte eigentlich diejenige Stadt in Deutschland sein, die die wenigsten Tiefgaragenstellplätze aufweist und die ein hochattraktives, vollautomatisches öffentliches Zubringersystem vom Rand ins Zentrum der Stadt hat. Was hat Matthias Hahn befördert bzw. unterlassen, um diese Missstände in Stuttgart entstehen zu lassen?

Stuttgart ist die einzige Großstadt in Deutschland, die bisher vorwiegend in den Ausbau der Radialstraßen investiert hat und den Bau von Ringstraßen (Mittlerer Ring) fast vollständig vernachlässigt hat. Das führt zum Beispiel zu der Groteske, dass die Einwohner des Großraums östlich von Stuttgart bis nach Aalen zwar mit Hilfe von Schnellstraßen bis vor die Tore Stuttgarts kommen, dann aber mangels Alternativen durch den Talkessel von Stuttgart fahren müssen, wenn sie auf die Autobahnen (z.B. A8 nach Karlsruhe, A81 zum Bodensee) weiterkommen wollen. Was hat Matthias Hahn in den 17 Jahren seiner Amtszeit unternommen, um bei diesem Thema die Außenseiterrolle Stuttgarts zu beenden?

Matthias Hahn nahm einmal an einem Termin der sogenannten Schlichtung unter Heiner Geißler zu Stuttgart 21 teil. Hierbei bleibt vor allem sein Wutanfall in Erinnerung. Er geriet in Rage, als von Seiten der Bürgerbewegung gegen Stuttgart 21 der Vorwurf erhoben wurde, dass sich die Stadt nicht richtig um den Mineralwasserschutz kümmern würde. Es nahmen ja, aufsummiert über alle Termine der Schlichtung, sehr viele Personen an dieser Veranstaltung teil. Keine dieser zahlreichen Personen, ob jetzt bei den Stuttgart 21-Betreibern oder bei der großen Bürgerbewegung gegen Stuttgart 21, leistete sich einen solchen Wutausbruch. Ist Matthias Hahn vielleicht überfordert?         

Wolfgang Arnold
Der Technische Vorstand der Stuttgarter Straßenbahn AG - zumindest nach derzeitigem Sach- und Wissensstand ein glühender Befürworter von Stuttgart 21 - trat bei der sogenannten Schlichtung zu Stuttgart 21 unter Heiner Geißler nicht auffällig in Erscheinung. Er war wohl bei einem Termin zugegen, äußerte sich aber nicht öffentlich. Bei der einige Monate später stattfindenden Präsentation des sogenannten Stresstests war Arnold ebenfalls zugegen. Hier meldete er sich einmal zu Wort, indem er die von Egon Hopfenzitz genannten Zugzahlen beim Kopfbahnhof in den Sechziger Jahren mit dem Argument in Frage stellte, dass damals ja noch die Vorgängerzüge der S-Bahn in den Kopfbahnhof einfuhren.

Die relative Unauffälligkeit von Arnold in der Öffentlichkeit täuscht jedoch über den wahren Einfluss von Arnold hinweg. Man muss es tatsächlich so sagen: Kaum einem anderen Ingenieur hier in Stuttgart ist es in den vergangenen Jahrzehnten so gelungen, Einfluss auf die Politik zu gewinnen und die Politik für Stuttgart 21 auf Linie zu bringen. Arnolds Betätigungsfeld sind eher die Hinterzimmer und das diskrete Strippenziehen. Meiner Auffassung nach hat hier die Bürgerbewegung gegen Stuttgart 21 einen großen Fehler gemacht, indem sie sich auf alle möglichen Personen im Zusammenhang mit Stuttgart 21 konzentriert hat, aber praktisch nicht auf Arnold.

Dabei ist im Zusammenhang mit Arnold und Stuttgart 21 vieles zu klären. Es bestehen gewisse Anhaltspunkte dafür, dass Arnold hinter dem unsäglichen Schuster-Brief zu Stuttgart 21 im Vorfeld der Volksabstimmung gestanden hat, diesem Brief, der wohl den Ausschlag für die dünne Stimmenmehrheit der Stuttgart 21-Befürworter in Stuttgart gegeben hat.

Und die Expertenrunde, die Schuster nach dem Bekanntwerden des Vorschlags der Kombilösung einsetzte und die ohne mit der Wimper zu zucken diesen Vorschlag rundweg ablehnte, ist wohl ohne Arnold kaum denkbar. Obwohl den Repräsentanten der großen Bürgerbewegung gegen Stuttgart 21 die Kombilösung ebenfalls nicht gefiel, waren sie wenigstens bereit, die Sache näher zu betrachten.

Arnold war der verkehrstechnische Berater des früheren OB Schuster. Man kann getrost davon ausgehen, dass alle Ansichten und Argumente zu Stuttgart 21, die Schuster von sich gab, letztendlich von Arnold eingeflüstert worden sind. Wer weiß, vielleicht hätte sich Schuster gar nicht so sehr für Stuttgart 21 eingesetzt, hätte es diesen Einfluss von Arnold nicht gegeben.

Mir wurde zugetragen, dass die Argumente von Arnold für Stuttgart 21 sich fast eins zu eins in der Argumentation der CDU für dieses Projekt wiederfinden. Ob eines solchen Einflusses eines Ingenieurs auf die Politik kann man nur baff den Kopf schütteln. Ob Arnold auch, wie Gerüchte besagen, der Berater der CDU-Landesregierung und von Ministerin Gönner war, kann ich nicht bestätigen. Denkbar ist es jedenfalls.

Und dann gibt es da ja noch das Verkehrswissenschaftliche Institut an der Universität Stuttgart (VWI), dessen Vorsitzender Arnold ist. Direktor dieses Instituts ist übrigens Professor Martin vom Institut für Eisenbahn- und Verkehrswesen der Universität Stuttgart. Wissenschaftlicher Beirat ist der emeritierte Professor Heimerl, der "Vater von Stuttgart 21". Noch brisanter ist jedoch ein weiterer Sachverhalt.

Das VWI hat 27 Kuratoriumsmitglieder und weitere 4 ständige Gäste bei Kuratoriumssitzungen. Diese 27 Kuratoriumsmitglieder kommen nun aus allen möglichen Institutionen aus der Region Stuttgart und sonstwoher, die letztendlich alle auch mit Stuttgart 21 zu tun haben. Beispiele: VVS, Verband Region Stuttgart, DB Netz AG, Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg, IHK, Universität Stuttgart, Verband Deutscher Verkehrsbetriebe, verschiedene Landesministerien. Damit erweist sich das VWI als ein geniales Instrument, um alle zuständigen Stellen in Sachen Stuttgart 21 auf Linie zu bringen.

Man fragt sich zudem, ob Arnold mit seinem Hauptberuf, der technischen Führung der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB), nicht richtig ausgelastet ist. Wie kann man beim Bestehen so vieler Missstände bei der SSB überhaupt noch Zeit dafür haben, ein größenwahnsinniges Vorhaben wie Stuttgart 21 zu bewerben? Und wie verträgt sich eigentlich das hundsteure Bahnrückbauprojekt Stuttgart 21 mit den Aufgaben der SSB, den öffentlichen Verkehr zu fördern und einen möglichst attraktiven, möglichst preiswerten und mit möglichst wenigen öffentlichen Zuschüssen auskommenden Nahverkehr in Stuttgart zu gewährleisten? 

Eigentlich kann man zu dieser Strippenzieherei hinter den Kulissen nur sagen: Chapeau! Das muss erst mal einer nachmachen. Denkt man jedoch an die SSB, muss man sagen, dass ein Technischer Vorstand mit diesem Unternehmen und der Lösung von dessen großen Problemen eigentlich von morgens bis abends ausgelastet sein müsste. OB Fritz Kuhn muss man jedenfalls empfehlen, sich diese Dinge einmal näher zu betrachten. 

Martin Schairer
Martin Schairer (CDU, Jurist) kam unter OB Schuster ins Amt. Man kann davon ausgehen, dass er in jeder Hinsicht auf der Linie von Schuster liegt. Die große Bürgerbewegung gegen Stuttgart 21 ist für Schairer nicht eine Bereicherung der Demokratie, nicht ein notwendiges Korrektiv bei Fehlentwicklungen, nicht etwas, auf das Stuttgart in der ganzen Welt stolz sein kann. Die große Bürgerbewegung gegen Stuttgart 21 ist für Schairer eher eine Störung der öffentlichen Ordnung.

Über das ihm zugeordnete Amt für öffentliche Ordnung hat Schairer unmittelbar mit den Demonstrationen und Protesten gegen Stuttgart 21 zu tun. Selbstverständlich gibt es auch in Bezug auf Demonstrationen Regeln und gesetzliche Vorgaben, die man einhalten muss. Es gibt hier aber wie bei anderen Sachbereichen auch jeweils einen Ermessensspielraum. Mehr braucht man dazu nicht zu sagen.

Vielleicht doch noch eine Sache: Vor kurzer Zeit wurde mit großem Tamtam die Umgestaltung der Tübinger Straße zwischen der Sophienstraße und der Königstraße gefeiert. Im Zuge dieser Umgestaltung haben die Fußgänger und Radfahrer dort mehr Rechte erhalten, für den Kfz-Verkehr gilt im gesamten Straßenraum ein Parkverbot. Ich komme fast jeden Tag durch den umgestalteten Teil der Tübinger Straße. Jedesmal sehe ich dort Autos parken, oft bis zu 15 Fahrzeuge. Ich habe jedoch fast noch nie einen Strafzettel an diesen Autos kleben sehen. Das gehört wohl auch zum Thema Ermessensspielraum......    

Dirk Thürnau
Über Bürgermeister Thürnau wollen wir hier nicht viele Worte verlieren, damit der Artikel nicht zu lang wird. Die Bereiche, denen Thürnau vorsteht (z.B. Tiefbauamt) sind eher ausführende als gestaltende Bereiche. Glück gehabt.

Werner Wölfle
Und jetzt fehlt noch Werner Wölfle (Grüne), der aktuelle Bürgermeister für allgemeine Verwaltung von Stuttgart. Das ist (oder war?) ja ein Gegner von Stuttgart 21. Er nahm auf der Seite der Bürgerbewegung gegen Stuttgart 21 an der sogenannten Schlichtung unter Heiner Geißler teil. Da hat er sich sicher mächtig ins Zeug gelegt, um den Unsinn Stuttgart 21 für die Zuschauer sichtbar zu machen. Oder doch nicht? Ich habe ja den Großteil der Schlichtung verfolgt. Wölfle ist mir nur mit den Bildern in Erinnerung, auf denen er genüsslich von den bereitgestellten Butterbrezeln aß.

Und dann Wölfles Kommentar zum sogenannten Schlichterspruch von Heiner Geißler. Wölfle sagte: "Besser wie nix". Dabei war dieser Schlichterspruch ein einmaliger Skandal, indem er die gesamte Schlichtung ad absurdum führte. Stuttgart 21 müsse weitergebaut werden, so sagte es Geißler, weil eben schon mal damit angefangen worden ist. Wenn das als einziges Argument für Stuttgart 21 übrig geblieben ist, dann Gute Nacht. Dass von den Verbesserungsvorschlägen Geißlers, dem sogenannten Stuttgart 21 plus, am Ende nichts, aber auch überhaupt nichts übrig geblieben ist, hätte jedem aufgeweckten Zeitgeist schon bei der Verkündung des Schlichterspruchs klar sein müssen.

Später wurde Wölfle dann Bürgermeister unter OB Schuster. Er wurde dann bald durch einen Skandal bekannt, indem er ein SMS mit abfälligen Bemerkungen über einen Parteifreund, das nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war, aus Versehen an eine falsche Nummer leitete. Und nun soll dieser Wölfle (von Beruf Sozialpädagoge) bahnbrechende Vorschläge für Stuttgarts Verkehrszukunft machen?     

Fazit
Diese Altherrenmannschaft (mit Ausnahme von Thürnau sind die Mitglieder des Lenkungskreises alle bereits 60 oder älter) soll also die Stuttgarter Verkehrsmisere beenden, die ein Teil dieser Mannschaft selber mit angerichtet hat, und Stuttgart in eine bessere Verkehrszukunft führen? Das ist doch lächerlich. Aber es ist leider noch viel schlimmer. Mit solchen Entscheidungen fördert OB Kuhn die Verdrossenheit und das Unbehagen großer Teile der Bevölkerung mit dem Staat. Die Zahl der Nichtwähler wird so immer größer. 

Wenn immer dieselben Seilschaften den Ton angeben, egal ob man jetzt CDU oder Grüne wählt, wenn immer wieder dieselben Stehaufmännchen sagen, wo`s langgeht, dann stimmt etwas nicht mehr. Für die Grünen bedeutet dies jedenfalls nichts Gutes. Ein Grund, diese Partei zu wählen, lässt sich so immer schwerer finden.  

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