Die Finanzierung von Stuttgart 21 sowie dessen technische Machbarkeit und verkehrstechnische Sinnhaftigkeit sind seit Monaten, wenn nicht seit Jahren fragwürdig. Das hat die SSB bisher nicht daran gehindert, den Zig Millionen Euro teuren Tunnelbau neben der Heilbronner Straße und durch das A1-Gebiet als Stuttgart 21-Folgemaßnahme zu forcieren. Im kommenden März will die SSB ungeachtet eines Stopps von Stuttgart 21 mit dem Bau beginnen.
Begründet wird dies jetzt unter anderem damit, dass inzwischen eine Absage der Tunnelbauten mit den damit verbundenen Entschädigungen der Baufirmen teurer sei als ein Bau des Tunnels in der Form einer Augen-zu-und-durch-Mentalität.
Die SSB muss aufpassen, dass sie nicht in das bereits ganz dünne Stuttgart 21-Eis einbricht. Denn die jetzt von der SSB angekündigte Vorgehensweise ist gleich aus mehreren Gründen nicht nur fragwürdig und abzulehnen. Sie kann auch juristische Folgen haben.
Zunächst einmal wundert man sich über die Verträge, die die SSB augenscheinlich mit den Baufirmen abgeschlossen hat. Wenn der Bau eines Zig Millionen Euro teuren Tunnels günstiger sein soll als der Nichtbau einschließlich der damit verbundenen eigentlich sehr geringen Entschädigung der Baufirmen für den bisher betriebenen Aufwand, dann stimmt mit den Verträgen irgend etwas nicht. Dasselbe Thema wurde ja im Zusammenhang mit den Bahntunnels bei Stuttgart 21 schon groß und breit diskutiert. Und hierbei hat sich gezeigt, dass selbst die Bahn hier nur mit vergleichsweise geringen Ausstiegskosten rechnet.
U12-Folgemaßnahme und Führung durch das A1-Gebiet sind nach einem Stopp von Stuttgart 21 unnötig
Kommen wir aber zum Kern des Problems. Wenn Stuttgart 21 demnächst gestoppt wird, sind sowohl die Folgemaßnahme des Stadtbahntunnels neben der Heilbronner Straße als auch die Führung der U12 durch das A1-Gebiet unnötig. Die SSB muss sich somit die - auch haftungsrechtlich relevante - Frage gefallen lassen, warum sie in einer Zeit, in der der Weiterbau von Stuttgart 21 alles andere als sicher war und ist bzw. immer unwahrscheinlicher wird, mit den Vorbereitungsarbeiten für den Tunnel neben der Heilbronner Straße begonnen hat. Die hieraus entstehenden Kosten hätte man vermeiden können und müssen. Und sollte je wider alle Vernunft in den kommenden Monaten sogar mit den eigentlichen Tunnelbauarbeiten der Stadtbahn begonnen werden, stellt sich die Frage, wer nach dem Stopp von Stuttgart 21 diese Baukosten bezahlt.
Genauso problematisch ist die Führung der U12 durch das A1-Gebiet mit der Haltestelle Budapester Platz. Diese Führung mit Haltestelle macht nur Sinn, wenn Stuttgart 21 gebaut würde und wenn das A2-Gebiet aufgesiedelt würde (was selbst bei einem Bau von Stuttgart 21 erst in frühestens 20 Jahren der Fall wäre).
Die SSB hat selbst diese Auffassung immer vertreten. Sie hat sogar im Vorfeld der Volksabstimmung des Landes zu Stuttgart 21 indirekt für Stuttgart 21 geworben, indem Vertreter der SSB den Bürgern von S-Münster und S-Hofen gesagt haben, dass die U12 nicht kommt, wenn Stuttgart 21 nicht gebaut wird. Die SSB hat damit gegenüber diesen Bürgern zu verstehen gegeben, dass sie bei der Volksabstimmung mit Nein stimmen müssen, wenn sie eine U12 haben wollen.
Diese Auffassung steht nach wie vor auf der Internetseite der SSB. Hier heißt es in einem Artikel unter der Rubrik "Projekte" als Überschrift: "Die U12 - eng verbunden mit Stuttgart 21". Und in dem Artikel heißt es anschließend, dass mit Hilfe einer Kosten-Nutzen-Untersuchung nachgewiesen werden konnte, dass die U12 wegen der Bebaung der freiwerdenden Gleisflächen wirtschaftlich ist.
U12 durch das A1-Gebiet ist ohne Stuttgart 21 unwirtschaftlich
Das bedeutet aber im Umkehrschluss, dass die U12 nicht wirtschaftlich ist, wenn die Gleisflächen (A2-Gebiet angrenzend an A1-Gebiet) nicht oder nur eingeschränkt bebaut werden können. Eine Zuwendung für diese Maßnahme über das Gemeindeverkehrsfinanzierungesetz (GVFG) ist somit bei einem Nichtbau von Stuttgart 21 zu stornieren. Alles andere wäre Subventionsbetrug.
In der Tat sind die Haltestelle Budapester Platz und die Führung der U12 durch das A1-Gebiet so unnötig wie ein Kropf, wenn Stuttgart 21 demnächst gestoppt wird. Denn das A1-Gebiet und alle angrenzenden Bestandsquartiere sind mit den bestehenden Haltestellen Türlenstraße, Pragfriedhof und Milchhof bestens erschlossen. Eine Haltestelle Budapester Platz würde in Sachen Erschließung sogar Schaden anrichten.
U12-Budgetierung ist insgesamt fragwürdig
Nun wird von Seiten der SSB als Argument für den Tunnelbau neben der Heilbronner Straße und die Führung der U12 durch das A1-Gebiet auch angeführt, dass die U12 nur als Gesamtprojekt (vom einen Ende in Dürrlewang bis zum anderen Ende am Neckar bei S-Münster) wirtschaftlich sei und nur als Gesamtprojekt bezuschusst würde.
Das mag ja verwaltungstechnisch im Moment so gehandhabt werden. Aber es geht doch nicht, dass man wegen eines verwaltungstechnischen Sachverhalts, der jederzeit auch geändert werden kann, jetzt Zig Millionen für unnötige Tunnelbauten ausgibt.
Als Randnotiz ist hierzu erst einmal zu nennen, dass die Führung der U12 nach Dürrlewang ebenfalls äußerst fragwürdig und kontraproduktiv ist. Der richtige Endpunkt der U12 ist eigentlich der Bahnhof in Vaihingen, einer der zukünftigen wichtigen Bahnknoten der Nach-Stuttgart 21-Zeit. Dort wird zukünftig die Express-S-Bahn vom Kopfbahnhof zum Flughafen halten, ebenso wie die Regionalzüge der Gäubahn. Die Bewohner von Dürrlewang und des Gewerbegebiets Vaihingen sind über eine neue Buslinienführung direkt an den Bahnhof Vaihingen anzubinden.
Indem die U12 nicht zum Vaihinger Bahnhof geführt wird, sondern wenige hundert Meter davor in ein Gewerbegebiet umgeleitet wird, wird der zukünftige Bahnknoten Vaihingen geschwächt. Auch diese Planung der SSB dient also dazu, Stuttgart 21 zu propagieren und die Alternativen zu hintertreiben.
U12 ist auch ohne die Führung durch das A1-Gebiet wirtschaftlich
Aber selbstverständlich ist die U12 von Remseck bis Vaihingen und meinetwegen bis Dürrlewang auch ohne die Führung über das A1-Gebiet wirtschaftlich. Es würden dann zwar einige Nutzen entfallen, indem die potenziellen Fahrgäste aus dem A2-Gebiet nicht vorhanden sind. Im Gegenzug entfallen aber auch enorme Kosten. Denn die Führung der U12 über die Friedhofstraße - dort, wo heute die U15 fährt - erfordert nur ganz geringe Kosten von unter einer Million Euro für Anpassungsmaßnahmen, im Gegensatz zu 100 bis 120 Millionen Euro Kosten bei der aktuellen Planung.
Wenn also die Nutzen einer Maßnahme kleiner werden, im Gegenzug die Kosten aber sehr viel kleiner werden, erhält man als Ergebnis dann trotzdem einen positiven Nutzen-Kosten-Faktor.
Jetzt sind einmal mehr die zuständigen Gremien und Institutionen gefragt. Dazu gehören:
Der Bezirksbeirat Stuttgart-Mitte
Der Bezirksbeirat Stuttgart-Nord
Der Umwelt- und Technik-Ausschuss des Gemeinderats
Der Aufsichtsrat der SSB
Der Oberbürgermeister von Stuttgart
Die Juristen zu Stuttgart 21
Das Verkehrsministerium Baden-Württemberg als Zuwendungsgeber
Das Bundesverkehrsministerium als Zuwendungsgeber
Es wäre im Sinne aller Beteiligten, wenn es gelänge, die U12-Kuh der SSB rechtzeitig vom einbrechenden Stuttgart 21-Eis zu nehmen.
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