Freitag, 18. Mai 2012

Die etwas merkwürdigen Argumente des VVS gegen einen Regionalzugbahnhof S-Vaihingen

Auf seiner Internetseite erklärt der Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS), weshalb er einem Regionalzughalt in Stuttgart-Vaihingen kritisch gegenübersteht. Zu finden ist die Stellungnahme wie folgt: man geht auf www.vvs.de. In der Kopfzeile klickt man auf FAQ ("häufig gestellte Fragen"). Dann klickt man in der linken Spalte auf "Fahrplanangebot". Man kommt darauf zu verschiedenen Fragen, unter anderem zum Regionalzughalt in S-Vaihingen.

Immerhin gibt der VVS mit der Behandlung der Thematik des Regionalzughalts in S-Vaihingen unter der Rubrik FAQ zu, dass es sich hier um ein häufig vorbebrachtes Anliegen aus der Bevölkerung handelt. Die Menschen wollen also diesen Regionalzughalt. Wir werden jetzt nachfolgend alle Argumente des VVS daraufhin überprüfen, ob sie selbsttragend und stichhaltig sind oder ob es sich hier möglicherweise nur um einen Versuch handelt, den etappierbaren Ausbau des Bahnknotens Stuttgart als Alternative zu Stuttgart 21 schlecht zu reden. Die Reihenfolge der Argumente ändern wir hier im Vergleich zum VVS-Text, damit eine bessere Struktur entsteht.



1. Argument: Der VVS argumentiert, dass Regionalzüge im VVS-Netz nur an den Endpunkten des S-Bahnnetzes sowie in den Kreisstädten halten sollen. Ausnahme ist Bad Cannstatt.
1. Stellungnahme: Das ist Prinzipienreiterei. Zudem ist es falsch. Die Regionalzüge halten schließlich auch in Winnenden. Das ist weder Endpunkt im S-Bahnnetz noch Kreisstadt. Und genauso verhält es sich mit den Regionalzughalten Plochingen und Wendlingen. Wenn die S-Bahn später mal bis Kirchheim/Neckar und Vaihingen/Enz erweitert wird, trifft dies auch auf den Regionalzughalt Bietigheim zu.  Sinnvoll ist ein pragmatischer Ansatz, der einen  Regionalzughalt dort vorsieht, wo Bedarf besteht und sich unter dem Strich für die Fahrgäste eine Verbesserung ergibt. Und das ist in S-Vaihingen der Fall. Das Einzugsgebiet dieses Bahnhofs ist größer als das so mancher Kreisstadt. Wenn man aber bei den Prinzipien bleiben will, gäbe es ebenfalls einen Ausweg. Als zusätzliches Kriterium für einen Regionalzughalt wären dann alle Bahnhöfe aufzunehmen, in denen es Streckenverzweigungen gibt. Um das zweimalige Umsteigen der über Eck fahrenden Fahrgäste zu vermeiden, müssen die Regionalzüge an den Verzweigungspunkten halten. Das tun sie derzeit auch fast überall, mit Ausnahme des Verzweigungspunkts S-Zuffenhausen und S-Vaihingen/Rohr.

2. Argument: Der VVS argumentiert, dass es eine Aufgabenteilung der Zugsysteme (S-Bahn und Regionalbahn) gibt, die eine gleichmäßige Auslastung der Zugsysteme garantieren soll. Kein Zugsystem soll somit dem anderen Fahrgäste wegnehmen.
2. Stellungnahme: Dieses Argument kehrt sich im Falle von S-Vaihingen ins Gegenteil. Bekanntlich ist die S1 von Herrenberg nach Stuttgart tendenziell überlastet. Die parallel verkehrende Gäubahn hat eher noch Kapazitäten frei. Was liegt also näher, als dass die Gäubahn die S1 entlastet. Und das tut sie am Besten dadurch, dass sie auch in S-Vaihingen hält. Denn damit können Fahrgäste zwischen Herrenberg und Vaihingen, zwischen Böblingen und Vaihingen sowie zwischen Vaihingen und Hauptbahnhof neben der S1 auch die Gäubahn benutzen.

3. Argument: Der VVS argumentiert, dass die zwei zusätzlichen Minuten Fahrzeit, die durch den Regionalzughalt in S-Vaihingen entstehen, nirgendwo mehr eingeholt werden können. Unter anderem würden allein durch die Zugflügelung in Eutingen (Richtung Horb/Freudenstadt) zwei bis drei Minuten verbraucht.
3. Stellungnahme: Das ist nun wirklich eine Steilvorlage des VVS für die Einrichtung des Regionalzughalts in S-Vaihingen. Auf die Zugflügelung in Eutingen können wir nämlich verzichten. Zugflügelungen sind mit großen Nachteilen behaftet. Die Attraktivität eines Bahnsystems ergibt sich nicht aus Zugflügelungen, sondern dadurch, dass man in allen Knotenpunkten gute Anschlüsse hat. Die Stadtbahn in Hannover hat vor einigen Jahren mal eine Flügelung in ihrem Liniennetz gehabt. Das wurde wieder eingestellt, weil der Verschleiß an den Fahrzeugen, die zusätzliche Fahrzeit und die Irritationen bei den Fahrgästen den Vorteil der direkten Führung in zwei Richtungen nicht aufgewogen haben. Das trifft auch auf den Fall hier in Eutingen zu. Ich kann das deshalb sagen, weil ich hin und wieder mit der Bahn in BW unterwegs bin und auch die Flügelung in Eutingen aus der Praxis kenne. Zudem ist die Strecke Eutingen-Freudenstadt inzwischen eine typische Stadtbahnstecke mit höhengleichen Gleisüberwegen zu den Bahnsteigen. Diese Strecke sollte ausschließlich von den Fahrzeugen der Karlsruher Stadtbahn befahren werden, die z.B. im Gefahrenfall schneller bremsen können als die Züge der DB. Der ET 425 der DB ist ein Fremdkörper auf dieser Strecke. Würde man die Strecke Eutingen-Freudenstadt vollständig der Stadtbahn Karlsruhe überlassen (wie das auch bei der Murgtalbahn der Fall ist), würde das Land als Besteller der Züge sogar Geld sparen. Und mit dem gesparten Geld kann die Stadtbahn vielleicht sogar zusätzliche Eilzüge alle zwei Stunden ohne Halt zwischen Freudenstadt und Eutingen anbieten und damit die Attraktivität der Strecke weiter steigern. Aber die Flügelung in Eutingen ist außerhalb des VVS-Gebiets. Deshalb müsste man sich diesbezüglich mit dem zuständigen Verkehrsministerium in BW unterhalten.

4. Argument: Bei einem Halt der Regionalzüge in S-Vaihingen erreicht man in Richtung Flughafen und in Richtung Universität dieselbe S-Bahn wie beim Umsteigen in Böblingen.
4. Stellungnahme: Wichtig ist zunächst, dass man in S-Vaihingen in Richtung Flughafen nur einmal umsteigen muss. An anderer Stelle erklärt der VVS, dass die S-Bahnen im Berufsverkehr alle 5 Minuten in Vaihingen vorbeifahren. Damit ist klar, dass man in Vaihingen in Richtung Uni eine frühere S-Bahn erreicht als beim Umsteigen in Böblingen. Zudem müssen Bau und Betrieb eine Einheit bilden. Stuttgart 21 ist ja gerade ein Paradebeispiel für ein Projekt, bei dem dies nicht der Fall ist. In S-Vaihingen wäre dies anders. Mit der Inbetriebnahme des Regionalzughalts in S-Vaihingen nimmt eine Express-S-Bahn Hauptbahnhof-Vaihingen-Flughafen den Betrieb auf, die direkten Anschluss von und zur Gäubahn in Richtung Böblingen hat. Diese - zunächst jede Stunde, später halbstündlich verkehrende - Express-S-Bahn ist der erste Mosaikstein für eine bessere Anbindung des Flughafens. Sie wird später fortgesetzt vom Flughafen über Wendlingen nach Plochingen.

5. Argument: Der Bau eines zusätzlichen Bahnsteigs 4 ist sehr kompliziert. Am Gleis 1 kann der Regionalzug gar nicht halten.
5. Stellungnahme: Es ist schon merkwürdig, dass der VVS den Bau eines ganz normalen Bahnsteigs, wie es ihn in Deutschland tausendfach gibt, für problematisch hält. Auch wenn für diesen Bahnsteig ein Güterzuggleis verlegt werden muss, ist dies doch Peanuts im Vergleich zu Stuttgart 21. Dort müssten zum Beispiel Stadtbahntunnels für 200 Mio Euro verlegt werden, dazu Parks, Gebäude von Weltrang, Schulen, Planetarien usw. Dazu äußert sich der VVS nicht bzw. er darf sich nicht dazu äußern. Der vorhandene Bahnsteig 1 wird übrigens von 90 cm Höhe auf 70 cm erniedrigt. Die Züge der S1 in Richtung Herrenberg halten zukünftig an Gleis 2, wo bereits die Züge der S2 und S3 halten.      

    

Fazit: Die Sach- und Faktenlage zum Regionalzughalt in S-Vaihingen dürfte eindeutig sein. Wir freuen uns auf den Bau des Regionalzughalts in S-Vaihingen und die Einrichtung der Express-S-Bahn Hauptbahnhof-Vaihingen-Flughafen als allererstem Mosaikstein eines etappierbaren Ausbaus des Bahnknotens Stuttgart. Sollte ein Vertreter des VVS am ersten Spatenstich teilnehmen wollen, ist er selbstverständlich willkommen.      

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