Montag, 12. Dezember 2011

Lindau stimmt für Kombilösung

Die Bürgerinnen und Bürger der bayerischen Bodenseestadt Lindau haben sich am Wochenende bei einer Volksabstimmung mit Mehrheit für eine Kombilösung zum Lindauer Bahnhof ausgesprochen. Danach bleibt der Kopfbahnhof auf der Insel für den Regionalverkehr und für die geplante Bodensee-S-Bahn erhalten. Der Personenfernverkehr hält zukünftig an einem Durchgangsbahnhof auf dem Festland. Dieser Durchgangsbahnhof wird auch vom Regionalverkehr und der geplanten S-Bahn angefahren.



Sowohl in politischer als auch in verkehrlicher Hinsicht ist es aufschlussreich, einen Vergleich zwischen der Lindauer Situation und Stuttgart 21 zu ziehen.

Zur Lindauer Bahnhofsfrage gab es jetzt eine Volksabstimmung. Abstimmen durften die Bürgerinnen und Bürger von Lindau, nicht jedoch von ganz Bayern. Das würde man auch aus größerer räumlicher Distanz als richtig und passend einstufen. Werden doch von der Lindauer Bahnhofsfrage hauptsächlich die Bürgerinnen und Bürger von Lindau tangiert. Leider wurde die Stuttgarter Bahnhofsfrage nicht in die Hände der Stuttgarterinnen und Stuttgarter gelegt, die doch hauptsächlich, wenn nicht sogar ausschließlich von Stuttgart 21 sowie den Alternativen dazu betroffen sind.

In Stuttgart wandte die Politik einen Trick an, damit nicht die Stuttgarterinnen und Stuttgarter, sondern das ganze Land befragt werden mussten. Für diesen Trick kam der Politik die absolut außenseiterische Finanzierung von Stuttgart 21 entgegen. Im Gegensatz zu praktisch allen anderen Verkehrsprojekten in Deutschland ist Stuttgart 21 nicht im Bundesverkehrswegeplan aufgelistet. Stuttgart 21 könnte mangels Wirtschaftlichkeit nie über den Bundesverkehrswegeplan finanziert werden. Statt dessen wird Stuttgart 21 durch massive Subventionen des Landes, der Landeshauptstadt, der Region Stuttgart sowie des Flughafens finanziert. Und über die Subventionen des Landes wurde die Volksabstimmung geführt. Es gab somit gar keine Volksabstimmung über die Sinnhaftigkeit von Stuttgart 21 sowie über mögliche Alternativen. Abgestimmt wurde über die Subvention des Landes.

Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen den Abstimmung in Lindau und zu Stuttgart 21 ist, dass die Bürgerinnen und Bürger in Lindau über eine Kombilösung mit Kopfbahnhof und  zusätzlichem Durchgangsbahnhof abstimmen konnten. Die Bürgerinnen und Bürger von Baden-Württemberg konnten nicht über eine Kombilösung für Stuttgart abstimmen.

Es gibt einige weitere Unterschiede. So war in Lindau der Ausbau der Strecke München-Memmingen-Lindau-Zürich und deren Elektrifizierung nicht Bestandteil der Volksabstimmung. Es ging nur um den Bahnhof Lindau. Bei der Volksabstimmung zu Stuttgart 21 wurde jedoch von der Propaganda der Stuttgart 21-Befürworter ein falscher Zusammenhang zwischen Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm hergestellt. In Lindau konnten die Bürgerinnen und Bürger zudem vor einem Baubeschluss entscheiden. Zu Stuttgart 21 wurde die Volksabstimmung erst nach dem Baubeschluss und nach dem Beginn von vorbereitenden Bauarbeiten angesetzt.

Bei Stuttgart 21 wurde den Bürgerinnen und Bürgern Angst gemacht vor exorbitant hohen Kosten für das Land, sollte Stuttgart 21 beendet werden. Bei der Lindauer Abstimmung gab es keine Ausstiegskosten, einmal, weil das Vorhaben noch nicht beschlossen wurde, und zum anderen, weil die Umstrukturierung des Bahnknotens Lindau "normal" finanziert wird und nicht auf außenseiterische Weise wie bei Stuttgart 21.

Und im Vorfeld der Abstimmung in Lindau gab es nicht diese massiven und geldschweren Kampagnen wie das bei Stuttgart 21 seitens der Stuttgart 21-Betreiber und -Profiteure der Fall war.

Kommen wir nun zu den verkehrlichen Unterschieden.

Das, was jetzt in Lindau gebaut werden soll, entspricht nicht der Kombilösung von Geißler/SMA für Stuttgart. Denn der Durchgangsbahnhof in Lindau soll nicht unterhalb oder beim bestehenden Kopfbahnhof auf der Insel gebaut werden, sondern wenige Kilometer entfernt davon auf dem Festland. Übertragen auf Stuttgart würde die Lindauer Lösung bedeuten, dass ein Durchgangsbahnhof für den Fernverkehr in Bad Cannstatt geschaffen wird mit direkter Anbindung aus Richtung Zuffenhausen sowie dass der Kopfbahnhof für den Regionalverkehr beibehalten wird.

Für Lindau ist die Lösung mit den beiden in größerer räumlicher Entfernung sich befindenden Bahnhöfen und dem Halt der Fernzüge außerhalb der Kernstadt durchaus tragbar. Denn die Fahrgäste der Fernverkehrsrelation Zürich-München wollen nur zu einem ganz geringen Teil in die Kernstadt von Lindau. Und Umsteigen auf den Regionalverkehr und S-Bahnverkehr des Bodenseeraums können die Fernverkehrsreisenden auch beim neuen Bahnhof auf dem Festland. Im Gegensatz dazu will ein relativ großer Anteil der Fernverkehrsreisenden nicht durch Stuttgart durchfahren, sondern dort aus- und einsteigen. Und bei einem Fernverkehrshalt nur in Bad Cannstatt wäre die Anbindung an den Regionalverkehr nicht vollständig gewährleistet.

Aus Sicht der Bahn wäre der neue Fernverkehrsbahnhof auf dem Lindauer Festland als alleiniger Bahnhof für Lindau ausreichend. Die Bahn hat bereits im Vorfeld der Volksabstimmung angekündigt, dass sie sich die Betriebs- und Instandhaltungskosten für einen zweiten Bahnhof - in diesem Fall den Kopfbahnhof auf der Insel im Bodensee - von der Stadt Lindau finanzieren lassen will. Die Stadt Lindau wiederum hat bereits vor der Volksabstimmung bestätigt, dass sie gewillt ist, diese Finanzierung zu leisten. Denn im Gegenzug spart sich die Stadt Lindau eine Buslinie zwischen dem Fernverkehrsbahnhof und der Insel, die bei Aufgabe des Kopfbahnhofs hätte eingerichtet werden müssen.

Ganz anders stellt sich die Situation in Stuttgart dar. Der viergleisige Tiefbahnhof bei der Kombilösung von Geißler /SMA ist in keinster Weise in der Lage, den gesamten Zugverkehr  beim Stuttgarter Hauptbahnhof abzuwicklen. Der Kopfbahnhof wird dringend als zusätzlicher Bahnhof gebraucht. Genauso verhält es sich für die Variante, dass der Fernverkehrsbahnhof in Bad Cannstatt eingerichtet wird. Und ebenso verhält es sich für den Fall, dass Stuttgart 21 mit seinem achtgleisigen Tiefbahnhof tatsächlich gebaut wird. Auch hier wird sich zeigen, dass der Kopfbahnhof weiterhin benötigt wird. Im Gegensatz zu Lindau wird also die Bahn in Stuttgart  die Betriebs- und Instandhaltungskosten für den Kopfbahnhof nicht der Stadt oder dem Land in Rechnung stellen können. Denn die Bahn ist zum Unterhalt der für einen attraktiven und erforderlichen Bahnbetrieb nötigen Bahnanlagen verpflichtet.

Fazit: Die Volksabstimmung zu Stuttgart 21 wird keine befriedigende Wirkung entfalten. Denn in der Volksabstimmung ging es nur darum, die Subventionen des Landes, die Bestandteil einer in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bisher einmaligen Finanzierungskonstruktion eines Verkehrsweges sind, zu beurteilen. Es war der Bevölkerung nicht erlaubt, über die Sinnhaftigkeit von Stuttgart 21 abzustimmen sowie vor der Abstimmung neutral zu diskutieren, noch war es möglich, über bestimmte Varianten, wie zum Beispiel die Kombilösung von Geißler/SMA abzustimmen.           

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