Sonntag, 18. September 2011

BW-FDP: am Abgrund der Politik

Eigentlich hatte ich mir ja vorgenommen, die FDP in diesem Blog zu ignorieren. Jedes Wort zu dieser Partei ist eigentlich eines zu viel. Bald wird man die FDP bei den Wahlergebnissen eh nur noch unter den Sonstigen erwähnen. Und hier in Baden-Württemberg schießt der FDP-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Rülke, mit seinen dummen Sprüchen vor allem im Zusammenhang mit S21 vollends den Vogel ab.

Aber jetzt breche ich doch meinen Vorsatz. Denn am Beispiel der beiden auf den ersten Blick so unterschiedlichen landespolitischen Themen, dem geplanten Nationalpark im Nordschwarzwald sowie Stuttgart 21, wird die ganze Absurdität der FDP-Politik besonders deutlich. Die FDP hat inzwischen als einzige Partei im Land BW die Einrichtung eines ersten Nationalparks in diesem Bundesland explizit abgelehnt. Bei Stuttgart 21 hingegen kettet sich die FDP ohne wenn und aber an das dümmste Bauprojekt (Zitat Süddeutsche) an.



Wie aber steht es objektiv um die beiden Projekte Nationalpark und Stuttgart 21? Es ist vielleicht interessant, hier einmal Vergleiche zu ziehen. Fangen wir an.

Bundesverwaltung
Das zuständige Bundesamt für Naturschutz hat bereits mehrfach dringend die Einrichtung weiterer Nationalparks in Deutschland gefordert. Insbesondere hat das Bundesamt die bisher nationalparklosen Flächenbundesländer Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg aufgefordert, auf ihrem Gebiet mindestens einen Nationalpark einzurichten. Beim Bahnknoten Stuttgart hat die Bundesverwaltung zu keiner Zeit einen Ausbau analog zu Stuttgart 21 verlangt.


Bundesregierung
Die Bundesregierung hat im Rahmen ihrer Biodiversitätsstrategie verbindlich festgelegt, dass bis zum Jahr 2020 mindestens zwei Prozent der Fläche Deutschlands Wildnis sein sollen bzw. zu Wildnis entwickelt werden sollen. Dieses Ziel ist nur durch die Einrichtung weiterer Nationalparks zu erreichen. Insbesondere kann das Land BW dieses Ziel nicht umsetzen, ohne wenigstens einen Nationalpark und ein weiteres Biosphärengebiet einzurichten. Hingegen hat die Bundesregierung zu keiner Zeit einen Ausbau des Bahnknotens Stuttgart analog Stuttgart 21 verlangt. Die Bundesregierung hat Mittel für den Ausbau des Bahnknotens Stuttgart reserviert. Diese Mittel sind jedoch nicht an Stuttgart 21 gebunden und können auch für alternative Ausbaumaßnahmen beim Bahnknoten Stuttgart (z.B. K21) eingesetzt werden. Die Verträge zu Stuttgart 21 hat die Bundesregierung nur auf massiven Druck der CDU in Baden-Württemberg unterschrieben.

Europäische Union
Das europäische Parlament hat im Jahr 2009 fast einstimmig einen Beschluss verabschiedet, der die Komission auffordert, alle in Europa vorhandenen Wildnisflächen zu katalogisieren und streng zu erhalten sowie auch - und das ist besonders wichtig - verloren gegangene Wildnis wiederherzustellen. Für die Biodiversität ist es besonders wichtig, dass die Wildnisflächen in Europa über alle Regionen verteilt sind. Vor diesem Hintergrund kommt auch BW eine Verantwortung für die Schaffung zukünftiger Wildnis z.B. im Rahmen eines Nationalparks zu. Die europäische Komission hat ihrerseits das Scheitern der bisherigen Naturschutzkonzeption Natura 2000 festgestellt vor dem Hintergrund, dass das Artensterben und der Verlust der Biodiversität durch die bisherige Konzeption nicht gestoppt werden konnten. Die Komission hat eine modifizierte Natura 2000-Konzeption bis zum Jahr 2020 verabschiedet, die den Wildnisgedanken stärker als bisher betont. Es besteht die Möglichkeit, dass BW zukünftig von der EU verpflichtet wird, Wildnisgebiete auszuweisen.

Stuttgart 21 hingegen wird von der EU nicht gefordert, auch wenn interessierte Teile der Politik immer wieder das Gegenteil behaupten. Es gibt keinen Euro der EU für Stuttgart 21. Zuschüsse der EU fließen allenfalls für die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm. Die ominöse europäische Magistrale Paris-Bratislava wurde im Übrigen erst auf massiven Druck und Lobbyarbeit aus BW nachträglich in das Magistralensystem der EU aufgenommen. Die EU hatte diese gegenüber einigen anderen Magistralen vollkommen nachgeordnete Verbindung ursprünglich gar nicht als Magistrale ausweisen wollen.

Nichtregierungsorganisationen (NGO`s)
Alle fachlich zuständigen NGO`s (z.B. NABU, BUND, Greenpeace) fordern die umgehende Einrichtung eines Nationalparks Nordschwarzwald und haben hierfür mit Eigenmitteln bereits zum Teil umfangreiche Untersuchungen angestellt. Die für den Bahnverkehr zuständigen NGO`s (z.B. VCD, Pro Bahn) lehnen dagegen Stuttgart 21 unisono ab.

Fachleute, Wissenschaftler
Auch hier dasselbe Bild: alle renommierten Fachleute und Wissenschaftler im Bereich Flächennaturschutz und Wildnis verlangen die Einrichtung weiterer Nationalparks, darunter den Nationalpark Nordschwarzwald. Wird jedoch Stuttgart 21 irgendwelchen Fachleuten und Wissenschaftlern, die nicht zur Stuttgarter Gruppe (Heimerl) gehören, vorgelegt, zerplatzt dieses Projekt wie eine Seifenblase.

UNO
Die IUCN ist die Unterorganisation der UNO, die für den Flächennaturschutz und für die Erhaltung der Biodiversität weltweit zuständig ist. Die IUCN fordert die Einrichtung weiterer Schutzgebiete der IUCN-Kategorie II (Nationalpark) vor allem in Regionen, die bisher unterversorgt sind. Dazu gehört Baden-Württemberg. Mir ist hingegen nicht bekannt, dass die UNO oder irgendeine sonstige internationale Organisation Stuttgart 21 fordert.

Fazit
Wie würde sich ein verantwortungsbewusster Landespolitiker oder eine Landespolitikerin bei der beschriebenen Faktenlage verhalten? Er oder sie würde doch sicher alles daransetzen, um möglichst rasch einen mit den internationalen Vorgaben kompatiblen Nationalpark in BW einzurichten. Und er/sie würde in Demut die internationale Verantwortung Baden-Württembergs für die Erhaltung der Biodiversität wahrnehmen. Andererseits würde er/sie das durch nichts zu rechtfertigende und von der CDU-Vorgängerregierung hinterlassene Projekt Stuttgart 21 so schnell wie möglich qualifiziert abwickeln.

Was aber macht die FDP? Sie macht genau das Gegenteil. Sie stemmt sich gegen die Einrichtung des Nationalparks Nordschwarzwald und versucht, das Sackgassenprojekt Stuttgart 21 weiter voranzutreiben.

Wie könnte man so ein Verhalten bewerten? Na ja, so wie in der Überschrift dieses Posts: BW-FDP: am Abgrund der Politik.      

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