Freitag, 25. Februar 2011

Die Fehler der Siebziger Jahre


Der Stuttgarter Hauptbahnhof - der Kopfbahnhof, der Bonatz-Bau - ist eines der bedeutendsten Baudenkmäler Stuttgarts, eine Landmarke, ein identiätsstiftender Beitrag zur Großstadt Stuttgart. 

Leider wurden beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg und insbesondere in den Siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts gravierende Fehler gemacht. Dadurch wurde der Bonatz-Bau der Stadt entfremdet. Gleichzeitig wurde auch das urbane Umfeld gravierend geschädigt. 

Der Stuttgarter Kopfbahnhof ist heute durch Verkehrsadern und durch Verkehrsbauwerke von der übrigen Stadt weitgehend abgetrennt. Will man von der Stadt zum Bahnhof gehen, muss man erst einmal in den Untergrund verschwinden. Umgekehrt kann man vom Kopfbahnhof aus die Stadt nicht unmittelbar erleben. Gleich beim Verlassen des Kopfbahnhofs bzw. noch im Bahnhof werden die Fußgänger in den Untergrund geschickt.

Der Hauptbahnhof aus Richtung des Mittleren Schlossgartens gesehen: das Gelände wird nicht eben an den Bahnhof herangeführt. Statt dessen wird das Gelände abgesenkt. Die Fußgänger verschwinden auf der Ebene des ersten Untergeschosses in einer Unterführung.
Situation in der Nähe des Nordausgangs des Stuttgarter Hauptbahnhofs: hässliche Wände einer Fußgängerunterführung trennen den Bonatz-Bau von der Stadt und schieben sich frech in den Blickpunkt.
Die Königstraße, die belebteste Fußgängerstraße Stuttgarts, endet vor dem Hauptbahnhof in einem großen Loch. Dort müssen alle Fußgänger hinein, wenn sie zum Bahnhof wollen.
Was für ein städtebaulicher Gewinn wäre es, könnte man als Fußgänger an der Oberfläche und unmittelbar zum Hauptbahnhof gelangen. Leider ist dies zur Zeit weitgehend nicht möglich. Eine stark befahrene Straße und Eisenketten trennen den Hauptbahnhof und die sonstige Stadt mehr voneinander als dies zum Beispiel ein Fluss tun könnte.
An erster Stelle einer zukunftsgerichteten Stadtplanung muss stehen, dass der Stuttgarter Kopfbahnhof wieder in die Stadt integriert wird und dass die Fehler der Siebziger Jahre beseitigt werden. Statt dessen will man mit dem Projekt Stuttgart 21 die in der Vergangenheit gemachten Fehler konservieren und noch verstärken.

Nun geht es nicht darum, etwa die unterirdischen Haltestellen von Stadtbahn und S-Bahn in Frage zu stellen. Es fällt jedoch auf, dass in den großen U-Bahnstädten wie zum Beispiel London oder Paris die Eingänge zu den unterirdischen Stationen wesentlich weniger dominant sind als dies rund um den Stuttgarter Hauptbahnhof der Fall ist. In den großen Städten Europas, die ihre historischen Gebäude noch nicht zum größten Teil wie in Stuttgart zerstört haben, ordnen sich die Verkehrsbauwerke und die Abgänge zu den unterirdischen Stationen dem urbanen Umfeld unter. In Stuttgart ist es genau umgekehrt. Dort schieben sich die Abgänge in die Unterwelt nach vorne, erheben den Anspruch, wichtiger zu sein als die Gebäude, Plätze und Wege der Stadt.

An erster Stelle der Stuttgarter Städtebauagenda muss die Durchgängigkeit der Stadt an der Oberfläche stehen. Weg mit den überdimensionierten Verkehrsbauwerken! Der Normalfall der urbanen Stadt ist nicht das Verkehrsbauwerk in den Untergrund, sondern die eben zu begehende Platz- und Straßenfläche.

Der allgemeine Kfz-Verkehr muss vor dem Hauptbahnhof auf dem Arnulf-Klett-Platz vollständig verschwinden. Der Cityring muss zukünftig über die Wolfframstraße verlaufen. Die Abgänge in den Untergrund müssen redimensioniert werden. Vor dem Hauptbahnhof bleibt an der Oberfläche Platz für die Fußgänger sowie für die Linienbusse und Taxen (und vielleicht auch mal für eine oberirdische Ringstraßenbahn). 

Im nächsten Post geht es um den Südflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs, der auch heute noch eine ganz wichtige städtebauliche Aufgabe hat.        

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