Mittwoch, 30. April 2025

Güterzüge über die Schnellfahrstrecke Wendlingen - Ulm: Alle Argumente

In den vergangenen Wochen haben verschiedene Medien das Thema der Leichtgüterzüge im Verlauf der NBS Wendlingen - Ulm wieder aufgenommen.

Dieses Thema war bereits beim Sach- und Faktencheck zu Stuttgart 21 unter Heiner Geißler aktuell.

Fakt ist: Ca. 16 Leichtgüterzüge pro Tag über die NBS sind erforderlich, damit die NBS mehr Nutzen als Kosten verursacht. Allerdings ist gemäß den Medienberichten bisher (Betriebszeit bereits mehrere Jahre) nur ein einziger Leichtgüterzug über die NBS gefahren.

Über die NBS können nur relativ kurze Güterzüge (Leichtgüterzüge) fahren, damit die Steigungen von bis zu 25 Promille keine übermäßige Zugkraft in den Kupplungen zwischen Lok und Wagen bzw. zwischen den Wagen verursachen. Alternativ benötigte man eine Schublok.

Bevor  wir aber die Bewertung "unwirtschaftlich" über die NBS Wendlingen - Ulm niederprasseln lassen, gilt es festzuhalten, dass wir zur Zeit noch bei der NBS Wendlingen - Ulm ein Provisorium haben. Der "Endzustand" wird erst erreicht, wenn die neue Doppelspur S-Hauptbahnhof - Wendlingen in Betrieb sein wird - nach aktuellem Stand also frühestens ab Dezember 2026. Erst danach ist das Thema der Leichtgüterzüge auf der NBS endgültig bewertbar.

Es ist auch möglich, dass die aktuelle Nichtinanspruchnahme von Güterzügen über die NBS außer den fahrzeugseitigen Problemen auch durch betriebliche und verkehrliche Probleme begründet werden kann. Das sehen wir uns heute ein wenig näher an.

 
S-Untertürkheim - Plochingen bis Ende 2026
Dieser Streckenabschnitt ist seit vielen Jahren überlastet. Das zeigt sich z.B. daran, dass der Regionalverkehr aus dem Filstal nach Stuttgart nicht so fahren kann wie eigentlich wünschenswert. Verschiedene Züge enden in Plochingen. Auch ist kein sauberer Halbstundentakt möglich. Es ist wahrscheinlich, dass die Überlastung der Strecke auch negative Auswirkungen auf den Güterverkehr hat.
 
Plochingen - Wendlingen bis Ende 2026
Bis zur Inbetriebnahme der neuen Doppelspur S-Hauptbahnhof - Wendlingen fahren drei ICE pro Richtung und Zweistundenintervall über die Strecke Plochingen - Wendlingen der Neckaralbbahn. Das wirkt sich negativ auf den Regionalverkehr und den S-Bahnverkehr sowie wahrscheinlich auch auf den Güterverkehr aus.
 
Albvorlandtunnel der NBS bis Ende 2026
Bis zur Inbetriebnahme der neuen Doppelspur S-Hauptbahnhof - Wendlingen kann beim zweiröhrigen, 8.174 Meter langen Albvorlandtunnel der NBS nur der Tunnel Richtung Wendlingen befahren werden. Es gibt hier also einen über 8,2 Kilometer langen eingleisigen Abschnitt. Das bewirkt, dass nur ein Teil der ICE über die NBS fahren kann. Möglicherweise wirkt sich das auch negativ auf den Güterverkehr aus, indem Güterzüge gar nicht fahren können. 
 
Mischverkehr im Verlauf der NBS bis Ende 2026
Im Verlauf der NBS fahren heute die ICE mit bis zu 250 km/h, der RE mit bis zu 200 km/h und die theoretischen Leichtgüterzüge mit 100 km/h. Das ist ein geradezu schulbuchhafter Mischverkehr. Überholgleise gibt es nur im Bahnhof Merklingen. Die NBS ist 59,6 Kilometer lang. Zur Zeit fahren drei ICE pro Richtung und Zweistundenintervall. Dazu kommt ein RE pro Stunde. Ob hier noch ein Güterzug auf die Strecke zwischen die ICE und den RE passt, sollte man mal ganz genau analysieren, sofern noch nicht geschehen.  
 
S-Untertürkheim - Plochingen ab 2027
Die neue Doppelspur S-Hauptbahnhof - Wendlingen entlastet die Bahnstrecke S-Untertürkheim - Plochingen merkbar. Alle ICE fahren dann nicht mehr durchs Neckartal, sondern über die neue Doppelspur. Es können dann bessere Regionalzugverbindungen Stuttgart - Filstal angeboten werden. Und es dürfte für den Güterverkehr mehr Platz geben. Davon würden selbstverständlich auch die über die NBS fahrenden Leichtgüterzüge profitieren. 
 
Plochingen - Wendlingen ab 2027
Der Wegfall der ICE in diesem Abschnitt dürfte zu einer Verbesserung der Situation für die Leichtgüterzüge führen. 
 
Albvorlandtunnel der NBS ab 2027
Auch nach Inbetriebnahme der neuen Doppelspur S-Hauptbahnhof - Wendlingen bleibt der Albvorlandtunnel für die Leichtgüterzüge eine eingleisige Strecke mit Zweirichtungsverkehr. Die Leichtgüterzüge müssten sich dann gegen drei ICE pro Stunde vorarbeiten. Ob so etwas gutgeht?  
 
Mischverkehr im Verlauf der NBS ab 2027
Im "Endzustand" wird die Zahl der Züge im Verlauf der NBS steigen. Es sollen dann drei ICE pro Stunde und Richtung fahren. Dazu kommt der stündlich fahrende RE. Für die Leichtgüterzüge wird dadurch das Fahren im Verlauf der NBS weiter erschwert oder sogar unmöglich.
 
Geislinger Steige
Wenn ein Bahnunternehmen unbedingt einen Leichtgüterzug zwischen Stuttgart und Ulm fahren lassen will, kann das auch über die Filstalstrecke und die Geislinger Steige an Stelle der NBS  geschehen. Zumindest bei den Güterzügen ist der Fahrzeitunterschied zwischen der NBS und der Filstalstrecke gar nicht so hoch, weil solche Züge ja nicht mit 250 km/h über die NBS brettern. 
 
Zusammenfassung
Eine endgültige Bewertung von Leichtgüterzügen auf der NBS Wendlingen - Ulm ist erst nach Inbetriebnahme der neuen Doppelspur S-Hauptbahnhof - Wendlingen möglich.
 
Jedoch sind die Chancen klein, dass ab diesem Zeitpunkt nennenswert Güterzüge über die NBS fahren. Denn zusätzlich zum Problem der Anhängelasten in den Steigungsstrecken gibt es auch noch die Probleme des Mischverkehrs im Verlauf der NBS sowie der Mega-Engstelle Albvorlandtunnel. Diese Probleme werden als Folge der neuen Doppelspur S-Hauptbahnhof - Wendlingen eher zu- als abnehmen.        


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