Freitag, 1. März 2024

Landeshauptstadt Stuttgart - die große Verliererin beim Stuttgart 21-Spiel?

Je nach Ausgang der laufenden Gerichtsverfahren (einschließlich der Revisionen) ist es möglich, dass die Landeshauptstadt Stuttgart zusätzliche Kosten des Projekts Stuttgart 21 in Milliardenhöhe schultern muss.

Wir sehen uns die Rolle der Landeshauptstadt Stuttgart in Sachen Stuttgart 21 heute mal etwas näher an. Irgendwelchen Entscheidungen von Gerichten soll hier in keinster Weise vorgegriffen werden.

Was könnte auf die Landeshauptstadt Stuttgart zukommen?
Ein Eckwert von null Euro zusätzlichen Kosten für die Landeshauptstadt Stuttgart wäre dann gegeben, wenn ein Gericht entschiede, dass der Bauherr (Die Bahn) alle Mehrkosten von Stuttgart 21 übernehmen muss.

Ein anderer Eckwert wäre so zu definieren, dass die Landeshauptstadt Stuttgart alle gegenüber dem Stuttgart 21-Vertrag auftretenden Mehrkosten übernehmen muss. Das wären weit über fünf Milliarden Euro. Stuttgart wäre dann pleite. Dieser Eckwert leitet sich daraus ab, dass sich die Stadtverwaltung Stuttgart sinngemäß so geäußert hat, das sie sich nicht am Projekt Stuttgart 21 beteiligte hätte, wenn die oberirdischen Gleise im Stuttgarter Talkessel nicht aufgelassen würden. Damit aber wird Stuttgart 21 in seiner Eigenschaft als Immobilienprojekt deutlich. Das aber ist ausschließlich Sache der Landeshauptstadt Stuttgart.
 
Eine dritte Variante wäre, dass sich Stuttgart gemäß dem bisherigen Anteil an der Finanzierung des Projekts auch bei den Mehrkosten beteiligen muss. Das wären so ganz grob geschätzt 1,5 Milliarden Euro, die an der Stadt hängenbleiben. Dieser Mittelweg ist gar nicht so unwahrscheinlich. Auch das würde Stuttgart hart treffen. Es müssten dann wohl alle freiwilligen Leistungen der Stadt eingeschränkt oder storniert werden. Stuttgart müsste hohe Schulden aufnehmen.
 
Die Bahnreform - nicht gut für Stuttgart
Stuttgart hat nach der Bahnreform gleich dreimal Pech gehabt. Zum einen kam mit Heinz Dürr ein Manager an die Spitze der Bahn, der kein Bahnfachmann war. Heinz Dürr interessierte sich für den Verkauf von Bahnflächen in größerem Ausmaß. Zum Zweiten stammte Heinz Dürr auch noch aus Stuttgart. Damit wurde der Stuttgarter Hauptbahnhof zum Versuchskaninchen in Sachen Vergoldung der Bahnflächen. Und zum Dritten hatte Dürr gegenüber dem damaligen Ministerpräsidenten Teufel und dem damaligen Stuttgarter OB Rommel - beides ebenfalls keine Bahnfachleute - leichtes Spiel. Beide ließen sich sofort von Stuttgart 21 begeistern.
 
Hätte die Landeshauptstadt Stuttgart die Bruchstellen von Stuttgart 21 erkennen müssen?
Stuttgart 21 weist mindestens zwei Systemfehler bzw. Bruchstellen auf.
 
Eine der Bruchstellen ist die außenseiterhafte Finanzierung des Projekts. Es ist immer ratsam, Projekte von derjenigen Institution finanzieren zu lassen, die dafür auch zuständig ist. Bei den Bahnstrecken und Bahnhöfen wäre dies der Bund. Der Bund wollte aber Stuttgart 21 nicht finanzieren. Sicher hatte und hat der Bund gute Gründe für diese Entscheidung. Die gewählte Finanzierung von Stuttgart 21 als eigenwirtschaftliches Projekt der Bahn bringt nun alle hinlänglich bekannten Probleme mit sich. Es gibt die inzwischen berühmte Sprechklausel, die nun vor Gericht gelandet ist. 
 
Aufgabe von Heinz Dürr und auch der Landeshauptstadt Stuttgart wäre gewesen, beim Bund für die Kombilösung beim Stuttgarter Hauptbahnhof zu werben. Kombilösung bedeutet die Erhaltung und die Modernisierung des Kopfbahnhofs sowie eine neue Durchmesserlinie mit einem viergleisigen Durchgangsbahnhof. Das hätte der Bund sicher nicht bereits im Jahr 1994 finanziert und verwirklicht. Der Bund musste erst mal viel in die neuen Bundesländer investieren. Aber in den Nuller Jahren oder den Zehner Jahren oder den Zwanziger Jahren wäre die Kombilösung in Stuttgart im Bau gewesen. Da ist auch ein wenig Geduld gefragt.
 
Die zweite Bruchstelle ist die minimalistische Ausgestaltung des Projekts als Folge des Zwangs, dass alle oberirdischen Gleise im Stuttgarter Talkessel verschwinden müssen. Die Landeshauptstadt Stuttgart hat ja erklärt, Stuttgart 21 nur dann zu unterstützen, wenn es keine oberirdischen Gleise mehr gibt. Das aber hatte unmittelbare Auswirkungen auf die Konfiguration von Stuttgart 21. Das Projekt musste in der Folge in einer minimalistischen Form ausgeführt werden. Alles andere hätte sich nicht gerechnet.
 
Der Hauptbahnhof erhält nur acht Gleise. Der für 40 Prozent der Verkehrsnachfrage und der Zugzahlen zum/vom Hauptbahnhof zuständige Nordzulauf erhält nur zwei Gleise. Die Führung der Gäubahn über die Gleise der Flughafen-S-Bahn muss als unfahrbar bezeichnet werden. Ebenfalls unfahrbar mit eingleisigem Abschnitt und mehreren höhengleichen Gleiskreuzungen ist die Relation Hauptbahnhof - Untertürkheimer Tunnel - Waiblingen. Bei den Gleisen des Stuttgart 21-Hauptbahnhofs muss teilweise sogar die Doppelbelegung eingeführt werden - und das trotz starker Längsneigung der Gleise. Der Deutschlandtakt (Integraler Taktfahrplan) ist mit Stuttgart 21 zum Scheitern verurteilt - in Bezug auf die zu wenigen Zulaufgleise und in Bezug auf die zu wenigen Bahnsteiggleise.
 
Verschiedene Ergänzungsprojekte musste das Land BW übernehmen, wie die Große Wendlinger Kurve, der Regionalbahnhof Vaihingen und die P-Option. Verschiedene Maßnahmen, um Stuttgart 21 irgendwie zum Laufen zu bringen, wurden dem Bund vor die Türe gekarrt. Das sind z.B. der Digitale Knoten Stuttgart, der Nordzulauftunnel und der Pfaffensteigtunnel.
 
Was hätte die Landeshauptstadt Stuttgart unternehmen müssen?
Die Landeshauptstadt Stuttgart hätte die Hauptbahnhöfe in Europa analysieren müssen dergestalt, ob es irgendwo ein zweites Stuttgart 21 gibt. Das Ergebnis hätte Nein gelautet. In der Folge hätte die Landeshauptstadt Stuttgart ihre Unterschrift unter das Projekt verweigern müssen. Das Projekt wäre damit Projekt geblieben.           
 
Frankfurt am Main ist zu beneiden 
Hier noch kurz als Beispiel ein Bahnprojekt, das so läuft, wie es eigentlich in Deutschland vorgesehen ist.
 
In Frankfurt am Main läuft alles anders als in Stuttgart, will heißen, in Frankfurt am Main läuft alles normal. Vor einigen Monaten betonte der Oberbürgermeister von Frankfurt, dass die Stadt Frankfurt keinen Cent am neuen Fernbahntunnel in Frankfurt zuzahlen muss.

Da hat er Recht. Denn der Frankfurter Fernbahntunnel ist ein Vorhaben im Rahmen der Bundesschienenwege und wird vom Bund finanziert. Es ist im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans 2030 enthalten.

Es gab bereits Einwände, dass die Einwohnerinnen und Einwohner von Frankfurt vom neuen Fernbahntunnel eigentlich gar nichts haben. Das ist allerdings falsch. Denn der neue Fernbahntunnel ermöglicht es, noch mehr Fernzüge über den Frankfurter Hauptbahnhof zu führen.

Viel wichtiger aber ist, dass auch der Regionalverkehr vom Fernbahntunnel profitiert. Denn der Fernbahntunnel macht im Frankfurter Kopfbahnhof mehrere Gleise frei, die bisher dem Fernverkehr dienen. Damit können in Zukunft auch mehr Regionalzüge fahren und die Überlastung des Regionalverkehrssystems in der Region Rhein-Main abmildern.

Das geht aber nur, weil als Folge des Fernbahntunnels kein einziges Gleis im Frankfurter Kopfbahnhof stillgelegt wird. Im Gegenteil: Bald sollen die Bauarbeiten für das neue Gleis 25 des Kopfbahnhofs beginnen.

 

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