Freitag, 29. September 2023

Die neue 300 km/h-ICE-Strecke Berlin - Halle - Erfurt - Würzburg - Stuttgart - Zürich - Mailand und die Auswirkungen auf Stuttgart 21

Im Rahmen des European Green Deal haben mehrere europäische Bahnen eine Anzahl neuer 300 km/h-Hochgeschwindigkeitsstrecken durch Europa vorgeschagen.

Stuttgart ist beim European Green Deal auch dabei
Ziel dieser neuen Bahnstrecken soll sein, den Flugverkehr in Europa stark zu reduzieren. Unter den neuen 300 km/h-Hochgeschwindigkeitsstrecken gibt es auch eine Strecke, die Stuttgart betrifft. Der Neubauteil dieser neuen ICE-Verbindung beginnt südlich von Erfurt und verläuft über Würzburg und Stuttgart nach Zürich. Diese neue ICE-Strecke kann man auch in einen größeren Rahmen einbinden. Das wäre dann z.B.: Warschau - Berlin - Halle - Erfurt - Würzburg - Stuttgart - Zürich - Mailand - Genua.

Wir sehen uns heute hier in diesem Blog die neue, vorgeschlagene 300 km/h-ICE-Strecke im Zusammenhang mit Stuttgart und Stuttgart 21 näher an.

Das Ganze steht ja erst am Anfang. Vieles ist noch nicht klar. Das aber ist gerade ein ganz wichtiger Moment, um verschiedene Pflöcke einzuschlagen und die Sache gleich ganz am Anfang in die richtige Richtung zu lenken - auch vor dem Hintergrund des noch laufenden Projekts Stuttgart 21.  

Wo soll der 300 km/h-ICE in der Region Stuttgart halten?
Hierzu gibt es eine ganz klare Antwort. Der 300 km/h-ICE hält in der Region Stuttgart nur einmal. Dieses Einmal meint den Stuttgarter Hauptbahnhof. 
 
Man baut nicht eine 300 km/h Strecke und lässt dann den ICE zweimal oder mehrmals in einer Region halten. Das wäre ein Widerspruch. Mit einem zweimaligen Halt pro Region könnte der 300 km/h-ICE dem Luftverkehr keine Konkurrenz machen. Leider ist zu erwarten, dass - wie auch bei Stuttgart 21 - von Lokalpolitikern Wünsche nach weiteren ICE-Halten geäußert werden. Dem ist gleich von Anfang an entschieden entgegenzutreten.
 
Soll die neue Schnellfahrstrecke Erfurt - Würzburg - Stuttgart - Zürich über den Stuttgarter Flughafen führen?
Die Antwort lautet auch hier ganz klar: Nein! Ein Fehler wie bei Stuttgart 21 darf sich nicht wiederholen. Bei Stuttgart 21 wollte man, dass der ICE Mannheim - Stuttgart - Ulm am Stuttgarter Flughafen hält. Hierzu leitete man die "Magistrale" Mannheim - Stuttgart - Ulm zum  Stuttgarter Flughafen um. Obwohl nach jetzigem Kenntnisstand nur ganz wenige ICE am Stuttgarter Flughafen halten werden, müssen zukünftig alle ICE den Umweg über den Flughafen machen. 
 
Der neue 300 km/h-ICE der Relation Erfurt - Würzburg - Stuttgart - Zürich darf weder am Flughafen halten noch über den Flughafen Stuttgart umgeleitet werden.
 
Sollen die Züge der neuen Schnellfahrstrecke in Heilbronn halten?
Hier lautet die Antwort ebenfalls: Nein. Das mag etwas drastisch klingen und könnte - falsch verstanden - in Heilbronn zu Protesten führen. Nun gehört aber Heilbronn zur Metropolregion Stuttgart (nicht zu verwechseln mit der Region Stuttgart). Um mit dem Flugverkehr konkurrenzfähig zu sein, darf der 300 km/h-ICE in jeder Metropolregion nur einmal halten. Und das ist nun mal in der Metropolregion Stuttgart der Stuttgarter Hauptbahnhof.
 
Allerdings profitieren die Bürgerinnen und Bürger der Region Heilbronn trotzdem vom neuen 300 km/h-ICE und von der neuen Schnellfahrstrecke Erfurt - Würzburg - Stuttgart - Zürich. Bei einer Reise in nördliche Richtung ab Heilbronn fährt man zunächst mal wie bisher nach Würzburg und steigt dann dort in den neuen 300 km/h-ICE um. Bei einer Reise in südliche Richtung ab Heilbronn fährt man zunächst mal wie bisher nach Stuttgart und steigt dann dort in den neuen 300 km/h-ICE um.
 
Kann die neue 300 km/h-Strecke noch einige 200 km/h-Züge zusätzlich aufnehmen?
Das muss man in der Tat ganz genau prüfen. Die 300 km/h-Züge dürfen durch die auf demselben Gleis fahrenden 200 km/h-Züge nicht behindert werden. Mit den 200 km/h-Zügen wäre es theoretisch möglich, dass auch Regionen/Bahnhöfe wie Heilbronn, Rottweil oder Singen/Konstanz bessere Anbindungen bekommen. Hierzu müsste man allerdings eine Ausfädelung/Einfädelung aus der und in die 300 km/h-Strecke bauen. Diese Aus-/Einfädelungen sind oft aufwändig und teuer. Sie lohnen sich nur, wenn ein ausreichendes Fahrgastpotenzial vorhanden ist.       
 
Passt der neue 300 km/h-ICE in den achtgleisigen Stuttgart 21-Tiefbahnhof?
Ja, der 300 km/h-ICE Würzburg - Stuttgart - Zürich passt in den achtgleisigen Stuttgart 21-Tiefbahnhof, wenn von dort eine Reihe von Regionalzügen herausgenommen und in den Ergänzungsbahnhof geführt wird.
 
Nennen wir mal konkrete Zahlen. Wird ein Halbstundentakt unterstellt, werden vier ICE-Züge pro Stunde der Relation Würzburg - Stuttgart - Zürich zusätzlich in den Stuttgart 21-Tiefbahnhof geführt. Es müssen nun mehr als vier Regionalzüge pro Stunde zusätzlich aus dem Stuttgart 21-Tiefbahnhof herausgenommen werden. Überschläglich müssen acht Regionalzüge pro Stunde zusätzlich aus dem Stuttgart 21-Tiefbahnhof herausgenommen werden. Das hat etwas mit den hohen Pünktlichkeitsanforderungen an den 300 km/h-ICE zu tun. Vor der planmäßigen Einfahrt dieses Zuges muss eine größere Zeitlücke liegen, in der kein vorhergehender Regionalzug diesen ICE ausbremsen kann.
 
Letztendlich läuft es beim Bahnknoten Stuttgart mit den 300 km/h-ICE auf die vor dem Jahr 1994 aktuellen Planungen eines Kombibahnhofs hinaus, wie er ja z.B. in Zürich und Frankfurt umgesetzt wurde bzw. wird. Im achtgleisigen Tiefbahnhof in Stuttgart verkehren dann alle ICE, die IC sowie ganz wenige ausgewählte IRE. Der Großteil der Regionalzüge wird im Ergänzungsbahnhof (= Kopfbahnhof) verkehren. 
 
Warum muss der Pfaffensteigtunnel vor dem Hintergrund des neuen 300 km/h-ICE sofort gestoppt werden?
Der Pfaffensteigtunnel passt nicht zum neuen 300 km/h-ICE Würzburg - Stuttgart - Zürich. Mit dem Pfaffensteigtunnel wird die Gäubahn und damit der zukünftige 300 km/h-ICE zu einer Umleitung über den Flughafen gezwungen. Mehr noch - beim Flughafen würde der 300 km/h-ICE auch noch zu einer 180 Grad-Kurve gezwungen, die mit nur ca. 70 km/h befahrbar ist. Das passt nicht zusammen. Das geht nichht.
 
Das Gebot der Stunde ist deshalb der sofortige Planungsstopp für den Pfaffensteigtunnel und der Neustart der Planung im Rahmen des 300 km/h-ICE Würzburg - Stuttgart - Zürich. An Stelle des Pfaffensteigtunnels muss ein direkter Tunnel vom Hauptbahnhof (Fildertunnel) in den Raum Böblingen gebaut werden.
 
Wie passt der neue 300 km/h-ICE in den Integralen Taktfahrplan (Deutschlandtakt)
Der neue 300 km/h-ICE passt überschläglich betrachtet sehr gut in den Deutschlandtakt.
 
Die Luftlinie zwischen dem Stuttgarter Hauptbahnhof und dem Würzburger Hauptbahnhof ist ungefähr 127 Kilometer lang. Damit ist es mit Hilfe einer Schnellfahrstrecke gut möglich, eine Kantenzeit von 60 Minuten zwischen Stuttgart und Würzburg einzurichten. Die Fahrzeit zwischen Stuttgart und Würzburg mit dem neuen ICE wäre dann ca. 10 Minuten kürzer als die Kantenzeit, somit also 50 Minuten. Heute beträgt die Fahrzeit einiges über zwei Stunden.
 
Die Luftlinie zwischen dem Stuttgarter Hauptbahnhof und dem Zürcher Hauptbahnhof ist ungefähr 163 Kilometer lang. Analog der Strecke nach Würzburg kann man auch in der Relation Stuttgart - Zürich mit Hilfe einer Schnellfahrstrecke den Integralen Taktfahrplan (Deutschlandtakt) mit ca. 50 Minuten Fahrzeit berücksichtigen. Heute beträgt die Fahrzeit weit über zwei Stunden.
 
Wie wird die neue ICE-Strecke Würzburg - Zürich an den Stuttgarter Hauptbahnhof angebunden?
Jetzt kommen wir doch noch schnurstracks zu Stuttgart 21. Da werden voraussichtlich über 11 Milliarden Euro ausgegeben, um einen neuen unterirdischen Engpass zu schaffen, der ohne Ergänzungsbahnhof nicht erweiterbar ist und der auch nicht in genügendem Umfang auf solche neuen Entwicklungen wie den Deutschlandtakt oder die neue 300 km/h-ICE-Strecke Würzburg - Stuttgart - Zürich reagieren kann.
 
Wir haben hier einen Jahrhundert-Planungsfehler vorliegen. Klar ist aber: Der neue 300 km/h-ICE muss in den Stuttgart 21-Tiefbahnhof fahren. Hierzu müssen zunächst einige Regionalzüge aus dem Tiefbahnhof herausgenommen und in den Ergänzungsbahnhof migriert werden.
 
Dann wäre es gut, wenn der 300 km/h-ICE eigene Zulaufgleise zum Stuttgart 21-Hauptbahnhof hätte. Genau das aber wird wohl nicht mehr möglich sein. Aus und in Richtung Norden muss der 300 km/h-ICE deshalb in den Nordzulauftunnel ein- bzw. von dort ausgeschleift werden. Aus und in Richtung Süden muss der 300 km/h-ICE irgendwie in den Fildertunnel ein- bzw. von dort ausgeschleift werden. Das wirkt sich selbstverständlich negativ auf die zeitlich zu staffelnde Ankunft und Abfahrt der verschiedenen ICEs aus. Aber das Jahrhundertprojekt Stuttgart 21 wird tatsächlich über einen Zeitraum von hundert Jahren seine negativen Folgen haben.             


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.