Montag, 29. Juni 2020

Der vorgeschlagene neue Tunnel für die Gäubahn auf den Fildern kann nur Teil einer Alternative sein

Der von einem Gutachter für den Deutschlandtakt vorgeschlagene neue ca. 10 bis 12 Kilometer lange Tunnel für die Gäubahn auf den Fildern kann nur Teil einer Alternative sein.

Es darf keinesfall der Grundfehler des Projekts Stuttgart 21 wiederholt werden, dass bereits wenige Wochen nach der Präsentation des Projekts die Alternativlosigkeit in den Raum gestellt wird und die zugrundeliegenden Prämissen nicht hinterfragt werden dürfen. Das muss sich vor allem der Verband Region Stuttgart mit seinem Vorsitzenden Thomas Bopp sagen lassen.

Es gilt jetzt also, in einer breiten Diskussion die dem Tunnel für die Gäubahn auf den Fildern  zugrundeliegenden Prämissen zu hinterfragen und hierzu auch eine Alternativplanung vorzulegen.

Warum muss die Gäubahn denn unbedingt zum Flughafen fahren?
Diese auch dem vorgeschlagenen Gäubahntunnel auf den Fildern zugrundeliegende Prämisse muss hinterfragt werden.

Auf der Schweizer Seite hält die Gäubahn (Strecke Schaffhausen-Zürich) nicht am Flughafen Zürich, obwohl man vom Zug aus den Flughafen sogar sehen kann. Es gibt auch keinerlei Planungen, die Gäubahn an den Züricher Flughafen anzubinden. Allenfalls wird man in einigen Jahren mit einmal Umsteigen den Züricher Flughafen besser erreichen können, z.B. mit Hilfe der neuen Strecke der Glatttal-Stadtbahn, die zum Bahnhof Bülach fahren soll, wo auch die Gäubahn hält.

Es gibt keinerlei belastbare Daten dafür, dass der Stuttgarter Flughafen so wichtig ist, dass man die Züge der Gäubahn dorthin fahren lassen sollte. Statt dessen bietet sich analog zur Situation beim Zürcher Flughafen ein Umsteigen für die zum Stuttgarter Flughafen fahrenden Fahrgäste an, z.B. in S-Vaihingen.

Ist die Führung der Gäubahn durch den Fildertunnel der Weisheit letzter Schluss?
Der vorgeschlagene neue Tunnel für die Gäubahn auf den Fildern beseitigt zwar die Engstellen der bisherigen Planung zwischen der Rohrer Kurve und dem Flughafen. Die Züge der Gäubahn müssen jedoch weiter durch den problematischen Fildertunnel fahren, wo Mischbetrieb herrscht.

Der geplante neue Fernbahntunnel in Frankfurt/Main soll bei Inbetriebnahme von fünf Zügen pro Stunde und Richtung befahren werden. Das scheint ein realistischer Ansatz zu sein. Demgegenüber sollen durch den Fildertunnel pro Stunde und Richtung fahren:
  • 3 Fernzüge Stuttgart-Ulm
  • 1 schneller Regionalzug Stuttgart-Ulm
  • 2 MEX Stuttgart-Tübingen
  • 1 schneller Regionalzug Stuttgart-Reutlingen (-Sigmaringen)
  • 2 MEX der Gäubahn
  • 1 schneller Regionalzug bzw. Fernzug der Gäubahn
Das ergibt dann in der Summe 10 Züge pro Stunde und Richtung - und das auch noch im Mischbetrieb. Es ist zudem überhaupt noch nicht bekannt, welche betrieblichen Restriktionen (z.B. im Begegnungsfall) es für die beiden Richtungstunnels des Fildertunnels geben wird. Es erscheint somit besser zu sein, die Gäubahn erreicht den Stuttgarter Hauptbahnhof über ihre eigenen Gleise - wie das heute auch der Fall ist.

Um den Fildertunnel überhaupt zu erreichen, müssen die Züge der Gäubahn auch beim aktuellen Tunnelvorschlag einen engen 180 Grad-Bogen fahren. Das erinnert eher an eine Modelleisenbahn als an eine Eisenbahn des 21. Jahrhunderts.

Muss die Gäubahn unbedingt am Stuttgarter Hauptbahnhof durchgebunden werden?
Ein ganz klares Nein hierzu. Beim Integralen Taktfahrplan (Deutschlandtakt) ist es wichtig, dass die Züge der Gäubahn den Stuttgarter Hauptbahnof zur passenden Zeit erreichen, damit ein Umsteigen in alle Richtungen möglich ist. Die Durchbindung der Züge der Gäubahn bringt demgegenüber praktisch nichts.

Zudem muss man die Option offenhalten, dass die Fernzüge der Gäubahn demnächst auch von einem Schweizer Verkehrsunternehmen gefahren werden. Dieses Schweizer Verkehrsunternehmen hat aber wohl kein Interesse daran, dass seine Züge über Stuttgart hinauf noch weiter fahren.

Die Gäubahn braucht also keineswegs im nur achtgleisigen Stuttgart 21-Durchgangsbahnhof zu halten. Statt dessen bietet sich ein Halt der Gäubahn in einem ergänzenden Kopfbahnhof an.

Ist beim Flughafen wirklich ein so super Umsteigepunkt?
Ein Gutachten der Uni Karlsruhe verneint dies. Die Umsteigewege zwischen den einzelnen Bahnhofsteilen der bisherigen Planung am Flughafen sind zu lang und zu umständlich. Zudem muss im Rahmen des Integralen Taktfahrplans alles darangesetzt werden, damit der zentrale Umsteigeknoten Stuttgart-Hauptbahnhof funktioniert. Irgendwelche Sub-Knoten können da auch hinderlich sein.

Muss die Gäubahn über den Flughafen umgeleitet werden?
Wenn das eine so gute Lösung wäre, müsste man dies weltweit häufiger sehen. Das ist aber nicht der Fall. Der Standard der Flughafenanbindung über die Schiene weltweit sind eine oder mehrere Stichstrecken ins Stadtzentrum oder zum Hauptbahnhof. Eine Umleitung ganzer Zugstrecken und Zugläufe über Flughäfen ist nicht im Interesse der Mehrheit der durchfahrenden Fahrgäste.

Bringt der vorgeschlagene neue Tunnel für die Gäubahn auf den Fildern neue Erkenntnisse?
Ja. Denn jetzt ist klar, dass der Bund bereit ist, einen hohen Betrag in eine Verbesserung des Zulaufs der Gäubahn zum Bahnknoten Stuttgart zu investieren. Dieser Betrag kann dann aber auch an Stelle eines Tunnels auf den Fildern für die Gäubahn in neue Tunnels im Verlauf der Panoramastrecke der Gäubahn investiert werden.

Warum sollte die Gäubahn am Bahnhof S-Vaihingen an Stelle des Flughafenbahnhofs halten?
Der Bahnhof S-Vaihingen ist dem Flughafenbahnhof überlegen. Es verkehren am Bahnhof Vaihingen wesentlich mehr Stadtbahnlinien und auch mehr S-Bahnlinien als am Flughafen. Zudem befinden sich in der Umgebung des Bahnhofs S-Vaihingen mehr Arbeitsplätze und Studienplätze als in der Umgebung des Flughafens.

Welche Optionen gibt es für die Panoramastrecke der Gäubahn?
Es gibt im Grunde zwei Optionen. Das sind die Ausbauoption und die Neubauoption.

Bei der Ausbauoption werden mehrere kürzere Tunnel gebaut. Dazu gehört ein Tunnel zwischen Österfeld und dem Rudolph-Sophien-Stift, ein verlängerter und gestreckter Hasenbergtunnel und ein verlängerter und gestreckter Kriegsbergtunnel, so dass die Gleise der Gäubahn unmittelbar neben und parallel zum S-Bahnhaltepunkt Nordbahnhof (Umsteigepunkt) zu liegen kommen. Zu dieser Ausbauoption gehört auch der Bau eines unterirdischen Kopfbahnhofs beim Stuttgarter Hauptbahnhof, sofern ein oberirdischer Kopfbahnhof bei der Politik partout nicht durchzusetzen ist.

Die Neubauoption beinhaltet einen langen neuen Tunnel zwischen Dachswald und dem Nordbahnhof. Dieser Tunnel verläuft unter dem Kräherwald.

Das Geld für die Ausbauoptionen ist jetzt vorhanden - eine andere Schlussfolgerung kann man aus dem Plänen für einen Gäubahntunnel auf den Fildern nicht ziehen.

Es gilt jetzt, die Beibehaltung der beiden eigenen Gleise für die Gäubahn im Zulauf zum Bahnknoten Stuttgart als attraktive Alternative zum Tunnelvorschlag auf den Fildern in die Diskussion zu bringen. 
     

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.