Noch dümpelt der Bau von Stuttgart 21 vor sich hin - scheinbar unbeeindruckt von der Corona-Pandemie. Das dürfte aber nur die Ruhe vor dem Sturm sein. Denn als Folge der Corona-Krise könnte es massive Änderungen beim Projekt Stuttgart 21 geben.
Mit der Pflicht zum Tragen einer Maske in öffentlichen Verkehrsmitteln scheint man in Deutschland die Ansteckungsgefahr in Bahn und Bus als gelöst zu betrachten. Gemäß einem Artikel der Internetausgabe der Zeitung "Die Welt" vom 18.05.2020 sehen dies Metropolen wie London und Paris aber ganz anders. Dort legt man weiterhin auf einen Mindestabstand in öffentlichen Verkehrsmitteln und auf Bahnsteigen Wert.
Das aber hat massive Auswirkungen auf die Kapazität des öffentlichen Verkehrs. So können die Stadtbusse in London statt 85 Plätze nur noch Plätze für 15 Personen anbieten. Die Kapazität der U-Bahn wird nur noch sage und schreibe 13 bis 20 Prozent der Werte der Vor-Corona-Zeit betragen.
London will diesen dramatischen Veränderungen mit einem massiven Ausbau des Radwegenetzes begegnen. Der private Kfz-Verkehr soll möglichst nicht weiter ansteigen.
Welche Auswirkungen hat eine wenn auch nur eingeschränkte Durchsetzung von Abstandsregeln für das Projekt Stuttgart 21?
Wegen seiner extrem hügeligen Lage wird man in Stuttgart den Radverkehr nicht ganz so ausweiten können, wie das in vielen Großstädten, die in der Mehrzahl doch in der Ebene liegen, möglich ist.
Die Betonung in der Region Stuttgart im Rahmen der Aufarbeitung der Corona-Krise muss also in zusätzlichen Zügen, Bahnen und Bussen liegen, so dass der Besetzungsgrad pro Fahrzeug kleiner wird.
Zusätzlicher Kopfbahnhof
Auch ohne die Corona-Krise hätte man beim Projekt Stuttgart 21 einen zusätzlichen, ergänzenden Kopfbahnhof gebraucht. Dieser zusätzliche Kopfbahnhof wird benötigt für die Aufnahme des 5. und 6. Gleises der Zufahrt Zuffenhausen, für die Aufnahme des Metropolexpress von Nagold-Calw, für die Aufnahme der Züge der Gäubahn über die Panoramastrecke und für den Deutschlandtakt (integraler Taktfahrplan) im Bahnknoten Stuttgart.
Nun wird der zusätzliche Kopfbahnhof auch benötigt, um die zusätzlichen Züge, die wegen des Mindestabstands zwischen den Fahrgästen erforderlich werden, aufzunehmen.
Fünftes und sechstes Gleis der Zufahrt Zuffenhausen
Diese beiden Gleise wären auch ohne die Corona-Krise erforderlich geworden. Denn mit 12 Zügen pro Stunde und Richtung sind die beiden vorhandenen Gleise der Zufahrt Zuffenhausen bereits heute ausgelastet. Das fünfte und sechste Gleis ist auch erforderlich, um den Deutschlandtakt im Bahnknoten Stuttgart einführen zu können.
Nun wird das fünfte und sechste Gleis der Zufahrt Zuffenhausen auch wegen der geänderten Abstandsregeln erforderlich. Denn diese Regeln führen zu noch mehr Zügen in der Zufahrt Zuffenhausen.
Hierzu ist noch zu betonen, dass die Planung der Bahn für ein fünftes und sechstes Gleis der Zufahrt Zuffenhausen im Rahmen eines neuen 10 Kilometer langen Tunnels von der A81 bis Feuerbach den Bedarf nicht vollständig deckt. Erforderlich ist das fünfte und sechste Gleis unmittelbar neben den bestehenden Gleisen von Zuffenhausen bis Feuerbach.
S-Bahn-Stammstrecke
Die S-Bahn-Stammstrecke muss von einigen Zügen entlastet werden, um die Zahl der Fahrgäste auf den Bahnsteigen zu verringern. Deshalb müssen mindestens vier der zur Zeit 24 Züge pro Stunde und Richtung aus der Stammstrecke herausgenommen werden und in den ergänzenden Kopfbahnhof geführt werden.
Neues Zugsicherungssystem ETCS
Dieses System soll für die S-Bahn und für den Bahnknoten Stuttgart nicht eingeführt werden. Ziel dieses Systems ist, auf die vorhandenen Gleise noch mehr Züge zu packen. Das aber ist als Folge der Corona-Epidemie nicht mehr gefragt. Es müssen pro Gleis sogar weniger Züge fahren. Statt dessen werden zusätzliche Gleise benötigt.
Flughafen/Messe
Die Anbindung des Flughafens / der Messe war bereits ohne Corona-Krise unsinnig. Ein ICE-Halt ist Quatsch. Denn der ICE soll in jeder Großstadt nur einmal halten. Eine Umleitung der Regionalzüge der Gäubahn und der Neckartalbahn über den Flughafen ist ebenfalls nicht sinnvoll. Ein Gutachten der Uni Karlsruhe hat einem Umsteigeknoten am Flughafen im Rahmen von Stuttgart 21 zudem ein schlechtes Zeugnis ausgestellt.
Es kommt nun hinzu, dass als Folge der Corona-Krise der Luftverkehr voraussichtlich dauerhaft geschwächt werden wird. Das gilt auch für die Messe, die an Bedeutung verlieren wird. Von daher sind alle Investitionen von Stuttgart 21 am Flughafen sofort zu stoppen. Statt dessen sollen die Investitionsmittel in die oben genannten Maßnahmen gesteckt werden.
Dritte Stammstrecke für die Stuttgarter Stadtbahn
Auch ohne Corona-Krise wäre die dritte Stammstrecke für die Stuttgarter Stadtbahn unabdingbar gewesen. Das wurde hier in diesem Blog bereits vielfach ausgeführt. Als Folge der Corona-Krise ist die dritte Stammstrecke für die Stuttgarter Stadtbahn umso notwendiger. Dadurch können auf den Zulaufstrecken mehr Züge fahren. Zudem können die bestehenden beiden Stammstrecken entlastet werden.
Die dritte Stammstrecke für die Stuttgarter Stadtbahn soll bevorzugt in der Konfiguration als Niederflurstraßenbahn ausgeführt werden.
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