Sonntag, 7. April 2019

Was haben die neue Freiburger Straßenbahnlinie Rotteckring und der Stuttgarter Schnellbus X1 mit Stuttgart 21 zu tun?


Am 16. März 2019 wurde in Freiburg im Breisgau die neue Straßenbahnlinie Rotteckring eröffnet. Damit hat Freiburg eine dritte Stammstrecke für seine Straßenbahn/Stadtbahn erhalten. In Stuttgart fährt seit einigen Monaten der neue Schnellbus X1 zwischen der Innenstadt und Bad Cannstatt - mit sehr mäßigem Erfolg.

Beide Verkehrsmaßnahmen haben direkt oder indirekt etwas mit dem Projekt Stuttgart 21 zu tun. Das wollen wir uns heute in diesem Blog näher ansehen.

Die neue Straßenbahnlinie Rotteckring in Freiburg umfasst einen neuen 1,9 Kilometer langen zweigleisigen Streckenabschnitt in der Freiburger Innenstadt von der Heinrich-von-Stephan-Straße bis zum Europaplatz. Der neue Streckenabschnitt bildet die dritte Stammstrecke der Freiburger Straßenbahn. Die beiden anderen, schon lange in Betrieb befindlichen Stammstrecken kreuzen sich am Bertoldsbrunnen in der Altstadt. Die neue dritte Stammstrecke meidet diesen Bereich und fährt am Rand der Altstadt entlang.


Freiburg hat jetzt bereits drei Stammstrecken bei seinem Straßenbahnnetz
Die ca. 230.000 Einwohner-Stadt Freiburg im Breisgau hat somit bereits drei Stammstrecken bei ihrem städtischen Schienenverkehrssystem. Das Straßenbahnnetz von Freiburg ist damit optimal strukturiert mit großer Leistungsfähigkeit und größtmöglicher Pünktlichkeit und Regelmäßigkeit. Das Verhältnis zwischen der Zahl der Streckenzweige und der Zahl der Stammstrecken ist ausgewogen. Die Auswirkungen von Betriebsstörungen auf einzelnen Abschnitten können minimiert werden. Freiburg kann an Stelle des 10-Minuten-Takts auf allen Linien einen 7,5-Minuten-Takt bei guter Betriebsqualität anbieten.

Da sieht es in Stuttgart, mit ca. 630.000 Einwohner fast dreimal so groß wie Freiburg, leider anders aus. Als einziges städtisches Schienenverkehrsnetz in den vergleichbaren Großstädten verfügt die Stuttgarter Stadtbahn nur über zwei Stammstrecken. Das hat massive negative Folgen für den Betrieb und die Leistungsfähigkeit.

Wegen der fehlenden dritten Stammstrecke ist in Stuttgart der 7,5-Minuten-Takt nicht möglich
An Stelle des z.B. in Freiburg möglichen 7,5-Minuten-Takts auf allen Straßenbahnlinien können die Stuttgarter Stadtbahnlinien nur jeweils im 10-Minuten-Takt fahren. Die beiden Stammstrecken sind ausgelastet bzw. überlastet. Zusätzliche Angebote können im Kernbereich des Netzes nicht gefahren werden. Die Pünktlichkeit und Regelmäßigkeit des ganzen Stadtbahnsystems leidet unter der Überlastung der beiden Stammstrecken.

Um wenigstens kleinere Verbesserungen und Leistungssteigerungen für die Fahrgäste anbieten zu können, müssen in Stuttgart Verlegenheitslösungen umgesetzt werden.

So kann z.B. die Linie U2 nicht im 7,5-Minuten-Takt an Stelle des 10-Minuten-Takts betrieben werden, wie es eigentlich wegen der starken Nachfrage zumindest im Abschnitt Neugereut - Bad Cannstatt erforderlich wäre. Es musste statt dessen eine neue Linie U19 eingerichtet werden, die von Bad Cannstatt allerdings nicht weiter in Richtung Innenstadt fährt, sondern zum Cannstatter Wasen.

So kann z.B. die Linie U1 nicht im 7,5-Minuten-Takt an Stelle des 10-Minuten-Takts betrieben werden, wie es eigentlich wegen der starken Nachfrage zumindest im Abschnitt Fellbach - Bad Cannstatt erforderlich wäre. Statt dessen musste eine neue Linie U16 eingerichtet werden, die von Bad Cannstatt allerdings nicht weiter in Richtung Innenstadt, sondern nach Feuerbach fährt.

So kann z.B. die Linie U6 nicht im 7,5-Minuten-Takt an Stelle des 10-Minuten-Takts betrieben werden, wie es eigentlich wegen der starken Nachfrage erforderlich wäre. Statt dessen behilft man sich mit der neuen Tangentiallinie U16, die von Feuerbach in Richtung Bad Cannstatt fährt.

Die Schnellbuslinie X1 ist eine peinliche Verlegenheitslösung
Nicht zuletzt hat man seit wenigen Monaten die neue Schnellbuslinie X1 zwischen Bad Cannstatt und der Innenstadt eingerichtet. Sie soll sowohl die hochbelastete S-Bahn zwischen Bad Cannstatt und der Innenstadt als auch die Stadtbahn zwischen dem Wilhelmsplatz und der Innenstadt entlasten.

Die neue Schnellbuslinie X1 wird jedoch auch einige Monate nach ihrer Inbetriebnahme kaum angenommen. Die kursierenden widersprüchlichen Zahlen von über 2.000 bzw. nur tausend Fahrgästen pro Tag sind nichtssagend und irreführend. Maßgebend ist allein, wie viele Fahrgäste pro Bus am stärkstbelasteten Querschnitt vorhanden sind. Nehmen wir z.B. mal die Haltestelle Hauptbahnhof. Dort fahren im Verlauf der Linie X1 pro Bus gemäß eigener Beobachtung 0 bis 6 Fahrgäste - eine Katastrophe. Diese Fahrgäste werden mit Gelenkbussen transportiert! Da wäre ja ein Transport dieser Fahrgäste mit dem Taxi besser und billiger!

Die Menschen scheinen die neue Schnellbuslinie X1 nicht annehmen zu wollen. Die Menschen scheinen trotz Überfüllung nicht von der S-Bahn oder von der Stadtbahn auf den Bus umsteigen zu wollen. Irgendwie kann man das nachvollziehen. Denn auch ein noch so moderner Bus kann in Bezug auf den Fahrkomfort nicht mit der S-Bahn oder Stadtbahn mithalten.

Was aber hat das alles mit Stuttgart 21 zu tun?
Gäbe es das kropfunnötige Projekt Stuttgart 21 nicht, dann wäre in Stuttgart die dritte Stammstrecke für die Stadtbahn das bestimmende Verkehrsthema der Neunziger Jahre und der Nuller Jahre gewesen. Dann hätte die Stuttgarter Stadtbahn jetzt drei Stammstrecken. Dann könnten alle radialen Stadtbahnlinien in Stuttgart jetzt bereits im 7,5-Minuten-Takt an Stelle des 10-Minuten-Takts verkehren. Dann wäre der Stadtbahnbetrieb in Stuttgart heute pünktlicher und regelmäßiger. Dann könnte Stuttgart schon längst wesentlich wirkungsvoller auf die hohen Feinstaub- und Stickoxidwerte reagieren und den Autoverkehr weiter reduzieren.

Es ist aber leider nicht so gekommen. Der Großteil der Finanzmittel, der Planungskapazitäten, der Ideenschmiden, der Manpower ging nicht in die dritte Stammstrecke der Stadtbahn sondern in das Projekt Stuttgart 21. Und dieses Projekt ist ja immer noch weit von einer Fertigstellung entfernt. 

Alle die großen Verkehrs- und Umweltprobleme, mit denen sich Stuttgart derzeit herumschlagen muss, sind eine unmittelbare Folge dieser Fehlentwicklung. Gott sei Dank gibt es kein Freiburg 21. Das hat es jetzt ermöglicht, dass Freiburg sein Straßenbahn-/Stadtbahnnetz wirkungsvoll ausbauen konnte und drei Stammstrecken hat. In Stuttgart wird man sich dagegen noch Jahrzehnte mit Verlegenheitslösungen herumschlagen müssen.

Ein Zug der Linie 5 fährt in Freiburg im Verlauf der neuen Strecke am Theater und am Platz der Alten Synagoge vorbei
 

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