Dienstag, 18. Dezember 2012

EU zieht falsche Begründung für S21-Förderung bisher nur teilweise zurück

Die Europäische Union hat jetzt die Begründung für ihre Förderung von Stuttgart 21 teilweise zurückgezogen und umstrukturiert. Ob dies wegen der von zahlreichen Bürgern initiierten Untersuchungen des europäischen Amts für Korruptionsbekämpfung der EU erfolgt ist, ist zur Zeit noch nicht bekannt.

Die Einwirkungen auf die EU in Bezug auf die Förderung von Stuttgart 21 laufen ja über zwei Ebenen, einmal über die EU-Kommission direkt und einmal über das europäische Amt für Betrugsbekämpung (OLAF). Realistischerweise muss man einräumen, dass man sich von der EU-Kommission diesbezüglich nicht allzu viel erhoffen darf. Denn obwohl EU-Kommissar Günther Oettinger nicht für das Thema Verkehr in der EU zuständig ist, ist er doch Mitglied der EU-Kommission und wirkt möglicherweise diesbezüglich auf den zuständigen EU-Kommissar ein.  

Trotz der inzwischen erfolgten Änderung ist die Begründung der EU für die Förderung von Stuttgart 21 weiterhin falsch. Das Thema ist somit noch längst nicht erledigt. Hoffnungen kann man nach wie vor auf das europäische Amt für Betrugsbekämpfung setzen. Dieses Amt muss unabhängig arbeiten und darf sich von den zuständigen Regierungen der Mitglieddsstaaten nicht beeinflussen lassen.


Fördert die EU überhaupt Stuttgart 21?
Mit diesem Thema haben wir uns in diesem Blog in den Posts vom 05.12.12 und vom 27.11.12 bereits beschäftigt. Ganz klar will die EU Stuttgart 21 fördern. Denn das Projekt Stuttgart 21 geht von S-Feuerbach bis nach Wendlingen. Der betreffende Abschnitt der EU-Förderung heißt somit "Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Stuttgart und Wendlingen".

Leider wird dieser Sachverhalt in der großen Bürgerbewegung gegen Stuttgart 21 nicht immer korrekt gesehen. Das ist wirklich schade. Denn als große Bürgerbewegung gegen Stuttgart 21 haben wir nur dann eine Chance auf Erfolg, wenn wir die Dinge nicht so machen, wie die Stuttgart 21-Projektbetreiber. Das heißt, die große Bürgerbewegung hat die Pflicht, alle Dinge vollständig und korrekt darzustellen. In diesem Zusammenhang ist es zum Beispiel schade, wenn ein Mitglied der großen Bürgerbewegung gegen Stuttgart 21 eine Fotodokumentation aller im Betrieb befindlichen Baustellen zu Stuttgart 21 erstellt und hierbei die größte aller Baustellen, den Sulzbachtalviadukt bei Denkendorf, einfach übersieht (zum Viadukt siehe in diesem Blog die Posts vom 03.12.12 und vom 06.11.12).     

Was hat die EU in ihrer Begründung geändert?
Die Begründung der Förderung von Stuttgart 21 wegen der angeblichen Verdoppelung der Kapazität des Stuttgarter Hauptbahnhofs wurde ersatzlos gestrichen und auch nicht durch eine andere Aussage zur Kapazität ersetzt. Hier wirken sich augenscheinlich die zahlreichen Beschwerden der Bürger bereits aus, die der EU klargemacht haben, dass Stuttgart 21 mitnichten eine Erhöhung der Kapazität, sondern vielmehr eine Reduzierung der Kapazität bedeutet.

Warum ist die Begründung der EU für die Förderung von Stuttgart 21 weiterhin falsch?
Die EU hat jetzt einige neue Begründungen für ihre Förderung von Stuttgart 21 nachgeschoben. Die EU sollte aufpassen, dass sie sich mit Stuttgart 21 nicht endgültig die Finger verbrennt.

Stichwort Flughafen
In der Begründung wird angeführt, dass Stuttgart 21 die Anbindung der Stuttgarter Flughafens an das nationale Eisenbahnnetz ermöglicht.

Nun ist es nicht die Aufgabe der EU, die Anbindung eines Provinzflughafens an das nationale Eisenbahnnetz zu fördern. Und es ist schon gar nicht Aufgabe der EU, die europäische Magistrale Paris-Bratislava zu einem Umweg zu einem Provinzflughafen zu bewegen. Zudem steht mit der Express-S-Bahn Kopfbahnhof-S-Vahingen-Flughafen-Wendlingen-Plochingen eine viel wirkungsvollere Maßnahme in den Startlöchern, um die Anbindung des Flughafens zu verbessern. Diese Express-S-Bahn bindet den Flughafen auf dem schnellstmöglichen Weg an nicht weniger als vier Eisenbahnknoten an - und das zu einem Bruchteil der Kosten des Filderteils von Stuttgart 21.

Stichwort Gleisvorfeld und Zulaufstrecken
In der Begründung wird angeführt, dass Stuttgart 21 das Gleisvorfeld und die Zulaufstrecken des Stuttgarter Hauptbahnhofs verbessert.

Diese Begründung ist unzutreffend. Es gibt in Deutschland und in Europa keinen anderen großen Knotenbahnhof, bei dem fast die Hälfte aller Züge über eine nur zweigleisige Zufahrt geführt wird (Zufahrt Zuffenhausen). Der Bahnknoten Stuttgart wäre mit Stuttgart 21 der mickrigste Bahnknoten Europas.

Stichwort S-Bahn und Regionalverkehr
In der Begründung wird angeführt, dass Stuttgart 21 das S-Bahnnetz und den Regionalverkehr in der Region Stuttgart verbessert. Das ist selbstverständlich mitnichten der Fall. Das sowieso schon unterentwickelte S-Bahn-Netz in der Region Stuttgart wird durch Stuttgart 21 noch weiter zum Schattendasein verurteilt (siehe den Post vom 29.11.12).

Der Regionalverkehr wird durch Stuttgart 21 förmlich vergewaltigt. Fehlende Anschlüsse im Hauptbahnhof, die Durchbindung von Linien an einer Stelle, wo der Großteil der Fahrgäste auf den Stuttgarter Hauptbahnhof zentriert ist, horrende Trassengebühren wegen der Tunnel mit massiv steigenden Fahrpreisen und Engpässe, die der Regionalverkehr mit dem Fernverkehr teilt, lassen die Behauptung einer Verbesserung für den Regionalverkehr in das Kapitel Münchhausen abgleiten. Die Stuttgarter würden sich mit Stuttgart 21 möglicherweise freuen können, an einer europäischen Magistrale zu wohnen. Für ihre tagtäglichen Ortswechsel werden sie jedoch auf das Auto angewiesen sein.         

Umstrukturierung der EU-Förderung für Stuttgart 21 dringend erforderlich
Die gesamte Förderung der EU für Stuttgart 21 muss fundamental umstrukturiert werden. Alle Hinweise auf eine Anbindung des Flughafens, auf das Gleisvorfeld und die Zulaufstrecken und auf die S-Bahn sowie den Regionalverkehr müssen in der Begründung ersatzlos gestrichen werden.

Es bleibt als einzige Rechtfertigung für eine EU-Förderung der Fahrzeitgewinn auf der Strecke zwischen Stuttgart und Wendlingen. Dieser Fahrzeitgewinn wird jedoch auch dann vollständig erreicht, wenn die NBS Wendlingen-Ulm über S-Obertürkheim an den Kopfbahnhof angeschlossen wird.

Diese Anbindung vermeidet zudem alle Nachteile der bisher geplanten Strecke Stuttgart-Wendlingen. Die verkehrstechnisch vollkommen falsche Anbindung des Stuttgarter Flughafens an die Magistrale wird so vermieden. Die Leistungsfähigkeit des Kopfbahnhofs ist wesentlich höher als die des Stuttgart 21-Systems, so dass auch für Regionalzüge und für die S-Bahn bessere Bedingungen vorhanden sind. Und der Kopfbahnhof bietet durch den später möglichen Ausbau der Zulaufstrecken ein Potenzial für eine zukünftige weitere Leistungssteigerung.

Die EU darf die Magistrale Paris-Bratislava nicht fördern, wenn mit einem Teilabschnitt dieser Magistrale massive Verschlechterungen für die Bahnbedienung einer ganzen Region vorhanden sind. Die Magistrale darf gegenüber den Bedürfnissen des Regional-, S-Bahn- und nationalen Fernverkehrs nicht höherbewertet werden.

Fazit
Die EU muss die Förderung für den Abschnitt Stuttgart-Wendlingen zurückziehen. Gefördert werden darf nur die Anbindung der NBS Wendlingen-Ulm über S-Obertürkheim.          

  

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