Freitag, 23. März 2012

Vom Leiden der Fahrgäste


Berechnet hat es wahrscheinlich noch niemand. Aber es ist wahrscheinlich, dass die Beeinträchtigungen für die Fahrgäste während der Bauzeit von Stuttgart 21 die Nutzen sogar übersteigen, die während einer 100jährigen Betriebszeit von Stuttgart 21 für die Fahrgäste entstehen. Deutlicher kann der ganze Widerspruch und der ganze Irrsinn, der im Projekt Stuttgart 21 steckt, nicht zum Ausdruck kommen.

Bei den Beeinträchtigungen kann man unterscheiden zwischen den geplanten und den ungeplanten Beeinträchtigungen. Zu den geplanten Beeinträchtigungen gehört zum Beispiel, dass während einer Zeitdauer von 10 bis 15 Jahren (möglicherweise auch von 20 Jahren, denn es muss ja auch die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm fertig sein, bevor Stuttgart 21 in Betrieb geht) die Prellböcke und der Querbahnsteig des Kopfbahnhofs ca. 100 Meter in Richtung Gleisvorfeld verlegt werden. Das wird Tag für Tag zu längeren Wegen für alle Fahrgäste führen, einschließlich der damit verbundenen Nachteile bei Anschlüssen zu anderen Verkehrsmitteln.

Zu den ungeplanten Beeinträchtigungen gehörten zum Beispiel die monatelangen Störungen bei der S-Bahn mit Fahrtausfällen und Fahrzeitverlängerungen, die als Folge eines versehentlich entfernten Blocksignals bereits aufgetreten sind. Und zu den ungeplanten Beeinträchtigungen gehört eben auch die jetzt gerade bestehende Sperrung der Gleise 15 und 16 im Kopfbahnhof, bedingt durch die Beschädigung des Dachs über diesen Gleisen als Folge der Abrissarbeiten am Südflügel des Kopfbahnhofs.  
Die Gleise 15 und 16 des Stuttgarter Hauptbahnhofs sind wegen einer Beschädigung des Bahnsteigsdachs bis auf weiteres gesperrt.

Man kann nur hoffen, dass die teilweise Zerstörung des Daches von Gleis 15 und 16 strafrechtliche Ermittlungen nach sich zieht. Es ist ja reiner Zufall, dass dort nichts Schlimmeres passiert ist. Da hätten ja viele Fahrgäste auf dem Bahnsteig sein können, als ein Gegenstand herunterfiel. Und es hätte genauso das gesamte Dach herunterfallen können. Gefährlicher Eingriff in den Bahnverkehr, das ist keine Bagatelle.    

Der Zug fährt nach Freudenstadt, auf der Anzeigetafel am Bahnsteig von Gleis 4 ist aber ein Zug nach Heilbronn angezeigt. Des Rätsels Lösung: 200 Meter vom Prellbock entfernt steht tatsächlich ein zweiter Zug auf Gleis 4. Dieser Zug fährt nach Heilbronn. Die Doppelbelegung von Gleis 4 wurde wegen der Sperrung der Gleise 15 und 16 notwendig. Das Nachsehen haben die Fahrgäste. Und wie könnte es anders sein: wie von Zauberhand sind plötzlich alle ansprechbaren Angestellten der DB verschwunden. Niemand ist da, der das Informationschaos auflösen kann. Fahrgäste, die in der letzten Minute vor der Abfahrt des Heilbronner Zuges zum Bahnsteig kommen (daran ist ja überhaupt nichts auszusetzen), erreichen ihren Zug nicht mehr. Fahrgäste nach Freudenstadt stehen rätselnd auf dem Bahnsteig herum.   

Der Zug nach Heilbronn fährt als erster von Gleis 4 ab. Wer aber kommt schon auf die Idee, dass 200 Meter vom Prellbock entfernt noch ein zweiter Zug steht?


Mit den Arbeiten von Stuttgart 21 wurde noch nicht richtig begonnen. Bereits jetzt haben sich die Beeinträchtigungen für die Fahrgäste jedoch in einer Größenordnung summiert, die de facto unerträglich ist.

Kommen wir noch einmal zum Thema der Nutzen von Stuttgart 21. Bisher glaubte man, dass die Nutzen von Stuttgart 21 nur ganz klein sind. In den letzten Tagen wird jedoch immer klarer, dass Stuttgart 21 gar keine Nutzen für die Fahrgäste bringt. 

Schon von jeher war klar, dass Stuttgart 21 allenfalls Fahrzeitgewinne von ganz wenigen Minuten bringt, und auch das nur auf ganz bestimmten Strecken. Auf anderen Strecken verlängern sich sogar die Fahrzeiten. Dann darf man das Gutachten der Beratungsfirma SMA nicht vergessen. Hier wird nachgewiesen, dass ein Ausbau des Kopfbahnhofs (K21) in der Summe sogar größere Fahrzeitverkürzungen bringt als Stuttgart 21. Und schließlich muss man die Erkenntnisse aus den letzten Tagen berücksichtigen. Immer mehr deutet darauf hin, dass Stuttgart 21 - wie auch alle anderen großen Bahnhöfe in Europa - maximal 4 Züge pro Stunde und Gleis leisten kann. Das bestätigt jetzt auch das plötzlich aufgetauchte Papier der DB, das für Stuttgart 21 nur 30 Züge pro Stunde zugrundelegt. (8 Gleise mal 4Züge pro Gleis und Stunde = 32 Züge pro Stunde.) Von daher hat also Stuttgart 21 eine geringere Leistungsfähigkeit als der bestehende Kopfbahnhof. Es werden bei Stuttgart 21 weniger Züge fahren als heute und damit werden auch jegliche Fahrzeitgewinne und jeglicher Nutzen Makulatur.

Größtmöglicher Schaden für die Fahrgäste während der nächsten 15-20 Jahre. Kein Nutzen für die Fahrgäste während der 100 jährigen Betriebszeit von Stuttgart 21. Es ist ein Desaster. Wer zieht als erstes die Reißleine und beendet den Irrsinn?              

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