Dienstag, 18. Januar 2011

"Alternativlos" ist Unwort des Jahres 2010

Das Wort alternativlos ist zum Unwort des Jahres 2010 gewählt worden und Stuttgart 21 hat an dieser Wahl einen ganz großen Anteil.

Eine unabhängige Jury aus Sprachwissenschaftlern, Journalisten und Schriftstellern hat heute das Wort alternativlos aus 624 verschiedenen Vorschlägen ausgewählt. Das Unwort des Jahres wird seit dem Jahr 1991 gekürt. Außer im Zusammenhang mit Stuttgart 21 wurde das Wort alternativlos auch im Zusammenhang mit den Finanzhilfen für Griechenland und mit der Gesundheitsreform verwendet.



Nach Ansicht der unabhängigen Jury suggeriert das neue Unwort des Jahres, dass es bei einem Entscheidungsprozess von vornherein keine Alternativen gibt und dass es von daher auch keine Notwendigkeit zur Diskussion und Argumentation gibt.

Mit der Wahl des Unworts des Jahres 2010 haben die Gegner von Stuttgart 21 und die Befürworter eines zukunftsgerechten Konzepts für den Ausbau des Bahnknotens Stuttgart einen großen moralischen Sieg davongetragen. Wie bereits nach der Schlichtung, so fällt auch nach der Wahl des Unworts des Jahres 2010 das autoritäre Gebäude von Stuttgart 21 immer mehr in sich zusammen. 

Wie sieht der Sachverhalt der angeblichen Alternativlosigkeit im Zusammenhang mit Stuttgart 21 konkret aus?

Stichwort Anbindung Flughafen:
Von Befürworterseite hieß es immer, dass ein etappierbarer, bedarfsgerechter Ausbau des Bahnknotens Stuttgart auf der Basis des bestehenden Kopfbahnhofs deshalb nicht in Frage komme, weil nur das Projekt Stuttgart 21 den Flughafen an den Fernverkehr anschließe. Inzwischen ist jedoch klar, dass eine Anbindung des Stuttgarter Flughafens an den Fernverkehr so unnötig wie ein Kropf ist und im Gegenteil dem System Bahn eher schadet. Irgend jemand hat die Anbindung des Stuttgarter Flughafens an den Fernverkehr als unverrückbare Randbedingung in die Welt gesetzt. Deshalb sei Stuttgart 21 alternativlos. Diesem jemand gelang es, viele der Hochglanzprospekte lesenden Parlamentarier auf seine Seite zu ziehen. Stimmen, die eine Anbindung des Flughafens an den Fernverkehr ablehnten, wurden nicht berücksichtigt.

Stichwort Bebauung des Gleisvorfelds:
Von Befürworterseite hieß es immer, eine Bebaung des bisherigen Gleisvorfelds des Hauptbahnhofs sei unabdingbar. Nur durch Stuttgart 21 würde das Gleisvorfeld für eine Bebauung frei. Deshalb sei Stuttgart 21 alternativlos. Inzwischen dürfte jedoch bekanntgeworden sein, dass auch beim Projekt K21 (etappierbarer, bedarfsgerechter Ausbau des Bahnknotens Stuttgart auf der Basis des bestehenden Kopfbahnhofs) ca. 75 Prozent der bei Stuttgart 21 freiwerdenden Fläche freiwerden. Und während beim Projekt Stuttgart 21 diese Fläche frühestens in 15 bis 20 Jahren für eine Bebauung zur Verfügung steht, wäre beim Projekt K 21 der Wohnungsbau sofort möglich. Zudem hat sich gezeigt, dass der Großteil der Fläche wegen klimatologischer Bedingungen eigentlich gar nicht bebaut werden sollte. Und es hat sich gezeigt, dass es in Stuttgart gar keinen Bedarf nach freiwerdender Fläche in größerem Umfang gibt. Es stehen nicht nur Büroetagen im Bestand massenhaft leer. Auch beim Wohnungsbau  besteht auf den aktuell in Stuttgart zu bebauenden Gebieten keine Nachfrage. Beispiele dafür sind das Güterbahnhofsareal in Bad Cannstatt, der Killesberg oder die Wohnbebauung Probstsee, wo alle für eine Bebauung genannten Termine mangels Nachfrage Jahr um Jahr nach hinten verschoben werden.

Stichwort Entlastung der Anwohner bestehener Bahnstrecken:
Von Befürworterseite hieß es immer, Stuttgart 21 sei alternativlos, weil nur so die Anwohner der Bahnstrecke im Stuttgarter Neckartal vom Bahnverkehr entlastet werden können. Inzwischen ist jedoch klar geworden, dass der besonders lärmintensive Güterverkehr auf der Bahnstrecke im Neckar- und Filstal zunehmen soll und damit der Wegfall einiger Fernzüge mehr als wettgemacht wird. Außerdem ist die Entlastung der Anwohner von Bahnstrecken durch einen Tunnel keine Lösung. Was sollen denn die Anwohner der Bahnstrecken in Hannover, Berlin, Köln, Frankfurt, Bremen und in hunderten weiterer Städte sagen? Soll man dort auch überall Tunnel bauen? Das ist ja in keinster Weise finanzierbar. Im Gegenteil: ein Tunnel verhindert nur die Suche nach Lösungen gegen den Lärm, die bundesweit wirken und die finanzierbar sind. Und solche Lösungen setzen bei den Fahrzeugen an.

Man könnte den Begriff alternativlos noch im Zusammenhang mit vielen anderen Teilaspekten zu Stuttgart 21 verwenden. Hoffentlich wachen bis zur Landtagswahl noch möglichst viele Menschen auf und realisieren, auf welche Weise sie von kleinen Interessengruppen an der Nase herumgeführt werden.  

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