Montag, 3. Dezember 2012

Ausstiegskosten aus S21 liegen weit unter einer Milliarde Euro

Im Zusammenhang mit der aktuellen Kostenexplosion bei Stuttgart 21 und dem nahenden Ende des Projekts rücken jetzt die Ausstiegskosten wieder ins Blickfeld. Einige Kreise bei der Bahn behaupten, dass Ausstiegskosten von 2 Milliarden Euro anfallen werden und dass es deshalb besser sei, das Projekt weiterzuführen. Sogenannte unabhängige Fachleute werden mit der Aussage zitiert, dass die Ausstiegskosten bei ca. einer Milliarde Euro liegen werden.

Im heutigen Post in diesem Blog geht es darum, eine andere These aufzustellen und zu zeigen, dass die Ausstiegskosten aus Stuttgart 21 weit unter einer Milliarde Euro liegen werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass alle Beteiligten - insbesondere Bahn und Politik - sofort ihre Spielchen einstellen und konstruktiv zusammenarbeiten.

Wir werden jetzt einige wichtige Beispiele für anfallende Ausstiegskosten aufzählen und jeweils sehen, ob diese Ausstiegskosten tatsächlich anfallen.


1. Sulzbachtalviadukt bei Denkendorf
Die Bauarbeiten für dieses große Ingenieurbauwerk sind vergeben, die Bauarbeiten haben begonnen. Nach dem Aus für Stuttgart 21 kann sofort die Alternativplanung vorangetrieben und fertiggestellt werden. Diese Alternativplanung sieht eine Express-S-Bahn vom bestehenden Flughafenbahnhof entlang der Autobahn nach Wendlingen (Umsteigen in Richtung Tübingen und Kirchheim/Teck) und weiter nach Plochingen (Umsteigen in Richtung Ulm und Esslingen) vor. Diese Express-S-Bahn benötigt ebenfalls den Sulzbachtalviadukt.

Bauherr und Finanzier für die Express-S-Bahn ist gemäß den derzeit geltenden Zuständigkeiten der Verband Region Stuttgart. Der Löwentanteil der Kosten für die Express-S-Bahn wird jedoch im Rahmen einer Sonderzuwendung finanziert, die vom Land kommt. Diese Sonderzuwendung wird aus den Mitteln finanziert, die das Land bisher für S21 reserviert hat. Die Sonderzuwendung ist gerechtfertigt, weil die Express-S-Bahn die Anbindung des Landesflughafens und der Landesmesse an das Bahnnetz von BW entscheidend verbessert. Diese Finanzierung ist - im Gegensatz zur Finanzierung von Stuttgart 21 - verfassungskonform.

2. Unterirdisches Technikgebäude beim Kopfbahnhof
Das unterirdische Technikgebäude ist vergeben und im Bau. Dieses Gebäude wird auch für den Kopfbahnhof benötigt und erleichtert die Sanierung des Kopfbahnhofs. Dieses Gebäude hätte die Bahn also im Rahmen ihrer ureigenen Aufgabe, den Stuttgarter Hauptbahnhof zu sanieren, sowieso bauen müssen. Deshalb können die Kosten für das Technikgebäude nicht als Ausstiegskosten aus Stuttgart 21 verbucht werden.

3. Seitenflügel, Dach und Gleisvorfeld des Kopfbahnhofs
Bei diesen Bauwerken verhält es sich ähnlich wie bei 2. Im Rahmen einer Modernisierung des Kopfbahnhofs muss man sich mit all diesen Bauwerken beschäftigen. Zwar hätte man die Seitenflügel des Kopfbahnhofs nicht unbedingt abreisen müssen. Das ist leider jetzt geschehen. Man hätte die Seitenflügel jedoch sanieren und modernisieren müssen. Da man sie abgerissen hat, muss man sie jetzt eben wiederaufbauen. Dafür genügen sie dann zukünftig modernen Ansprüchen und haben eine Lebensdauer von weiteren hundert Jahren.

Auch das Dach des Kopfbahnhofs über den Bahnsteigen muss auf jeden Fall erneuert werden. Das bestehende Dach war eigentlich nur ein Nachkriegsprovisorium. Somit können auch die mit dem Dach verbundenen Kosten nicht als Ausstiegskosten verbucht werden.

Das Gleisvorfeld wurde als vorbereitende Maßnahme für S21 umgebaut. Dabei ist einiges schiefgelaufen, wie die Entgleisungen gezeigt haben. Verschiedene Module des Gleisvorfelds müssen im Rahmen der Modernisierung des Kopfbahnhofs noch einmal umgebaut werden. Jedoch wurde das Gleisvorfeld im Rahmen des Umbaus schon einmal im Grundsatz modernisiert und stabilisiert. All dies hätte man auch machen müssen, wenn man von vornherein den Kopfbahnhof modernisiert hätte. Interessant ist, dass der Umbau des Gleisvorfelds gezeigt hat, dass man sehr wohl den Kopfbahnhof und das Gleisvorfeld sanieren kann, ohne dass dies zu Betriebsbeeinträchtigungen und Belästigungen führt - wenn man es richtig plant und baut.

4. Grundstückskosten
Ein großer Teil der angesetzten Ausstiegskosten aus Stuttgart 21 beinhaltet die Rückzahlungen der Bahn an die Landeshauptstadt Stuttgart im Rahmen der Rückabwicklung der von Stuttgart vorzeitig getätigten Grundstückskäufe einschließlich der Zinszahlungen.

Diese Rückzahlungen sind nur zu einem kleinen Teil als Ausstiegskosten verbuchbar. Die Grundstücke des D-Gebiets (Gäubahn) hätten auch bei einer Verwirklichung von Stuttgart 21 rückabgewickelt werden müssen. Denn die Gäubahn wäre ja weiterhin gefahren. Das hat ja auch der neue Stuttgarter OB Fritz Kuhn bereits angekündigt.

Die C-Gebiete können auch ohne Stuttgart 21 bebaut werden. Diese Grundstücke müssen somit nicht rückabgewickelt werden. Beim B-Gebiet kann ein Teil der Flächen bei der Landeshauptstadt Stuttgart verbleiben. Denn der bestehende Abstell- und Wartungsbahnhof kann auf jeden Fall verkleinert werden. Denn das dezentrale Abstellkonzept (z.B. in Tübingen) kann auch mit dem Kopfbahnhof umgesetzt werden. Die nicht mehr benötigte Fläche wird dem Rosensteinpark zugeschlagen. Und für das A-Gebiet (Gleisvorfeld) kann die zukünftige Möglichkeit einer teilweisen Überbauung vorgesehen werden, so dass auch für dieses Gebiet ein Teil der Grunstückskosten nicht zurückgezahlt werden muss.

Im Übrigen hätte das Gleisvorfeld mindestens zum Teil auch bei Stuttgart 21 erhalten bleiben müssen. Denn nach allen bisher vorliegenden Gerichtsentscheiden hätten die Gleisanlagen für den Betrieb der Mitbewerber der Bahn erhalten bleiben müssen.

5. Weitere Ausstiegskosten sind unbedingt zu vermeiden
Wenn eingangs gesagt wurde, dass Bahn und Politik jetzt sofort ihre Spielchen einstellen sollen und konstruktiv zusammenarbeiten sollen, dann bezieht sich das auch darauf, dass jetzt weiteres Faktenschaffen sofort beendet werden muss.

Das heißt: sofortiger Baustopp jetzt. Das gilt auch und insbesondere für die SSB, die im Auftrag der DB den Stadtbahntunnel unter der Heilbronner Straße bauen will. Wer unter den gegebenen Umständen jetzt diesen Tunnel wider besserers Wissen baut, muss damit rechnen, für die entstandenen Schäden und zusätzlich entstehenden Ausstiegskosten haftbar gemacht zu werden.                     

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