Dienstag, 4. Januar 2011

Stuttgart hat ein Problem mit dem Verkehr

Durch die Schlichtung zu Stuttgart 21 und die Übertragung im Fernsehen (Phoenix) hat es ganz Deutschland erfahren: Stuttgart hat ein Problem mit dem Verkehr.

Das hat einmal mit Stuttgart 21 zu tun, aber nicht nur. Ganz Deutschland hat durch die Übertragung der Schlichtung erfahren, dass sich Stuttgart und dessen Bürgerinnen und Bürger mit einem Mega-Bahnprojekt herumschlagen müssen, das eigentlich niemand will, das kropfunnötig ist, das einen der besten Bahnhöfe Europas zerstört und einen zentralen Teil der Stuttgarter Innenstadt gleich noch mit.



Der Moderator von Phoenix, Hans-Werner Fittkau, hat im Vorspann zu den Fernsehübertragungen und bei einigen Interviews noch einen ganz anderen Punkt des Stuttgarter Verkehrs angesprochen. Fittkau hat mehrfach und deutlich gesagt, dass Stuttgart ein Problem mit dem Straßenverkehr hat.

Und diese Probleme hat Herr Fittkau anscheinend live mitbekommen. Denn zu jeder Schlichtungsrunde mussten ja das Übertragungsteam von Phoenix und der Moderator von irgendwoher anreisen. Dabei haben die Phoenix-Mitarbeiter anscheinend die Stuttgarter Straßenverkehrsprobleme mit den langen Staus, mit der Führung von zwei Bundesstraßen durch den Stuttgarter Talkessel, mit dem Fehlen von Ringen (Mittlerer Ring, Äußerer Ring) und mit dem überdimensionierten Ausbauzustand der Straßen im Verlauf des Cityrings mit autobahnähnlichen Zuständen ausgiebig erleben können.

"Braucht Stuttgart nicht viel mehr einen langen Straßentunnel als Stuttgart 21?": so fragte Fittkau einmal einen Interviewpartner. Oder: "Mir ist bis heute nicht klar, warum Stuttgart einen neuen Bahnhof braucht". Und Professor Dr. Volker Klotz betonte, dass das für Stuttgart 21 reservierte Geld eigentlich eher in einen Straßenring investiert gehört.

Damit sind wir beim Thema, das ja in den letzten Posts bereits angekündigt worden ist. Warum hat Stuttgart keinen Mittleren Ring? Ist es sinnvoll, in den kommenden 20 Jahren noch einen Mittleren Ring zu bauen? Wie könnte ein Mittlerer Ring verlaufen und in welchen Stufen könnte er gebaut werden?

Schaut man auf aktuelle Straßenkarten europäischer Länder (z.B. Italien, Frankreich, Niederlande, England) stellt man fest, dass inzwischen viele Großstädte, ja die überwiegende Mehrzahl der Großstädte, über einen Straßenring bzw. sogar über mehrere Ringe verfügen. Bei Städten zwischen 500.000 und 2 Mio Einwohnern hat sich ein Dreiringsystem bewährt: 1. Cityring (um die Innenstadt), 2. Mittlerer Ring (um die inneren Stadtbezirke), 3. Äußerer Ring (ungefähr entlang der Stadtgrenzen). 

Nur Stuttgart spielt den Außenseiter. Ringe gibt es in Stuttgart so gut wie nicht. Die Folgen sind klar und die Folgen sind jetzt dank der Stuttgart 21 - Schlichtung und dank Phoenix auch ganz Deutschland bekannt. Ein Ruhmesblatt ist die Verkehrspolitik der Landeshauptstadt Stuttgart also nicht. Drastischer ausgedrückt könnte man sagen: die (Straßen)verkehrspolitik von Stuttgart ist gescheitert.

Ein Ausweg aus der verfahrenen (Verkehrs)situation kann eigentlich nur sein, dass Stuttgart von den Erfahrungen anderer Städte lernt und seine Sonderwege aufgibt. Geht man einmal davon aus, dass es den Straßenverkehr auch noch in den nächsten 100 Jahren geben wird, ist der Bau eines Mittleren Rings für Stuttgart in den nächsten 20 Jahren unabdingbar. Denn der heutige Zustand mit dem Durchgangsverkehr im Talkessel und der damit verbundenen Umwelt- und Feinstaubbelastung darf nicht mehr lange andauern.

Nun gibt es die bekannten Einwände, dass Stuttgart wegen seiner besonderen topographischen Situation sich keinen Mittleren Ring leisten kann. Denn dieser würde entweder durch die vielen Tunnels sehr teuer werden oder er würde die Stadtlandschaft zerstören.

Hierauf gibt es zwei Antworten. Zunächst einmal braucht gerade Stuttgart mit seiner Kessellage einen Mittleren Ring. Denn die Windgeschwindigkeit ist in keiner anderen Großstadt Deutschlands so klein wie im Stuttgarter Talkessel. Dies führt zu einer hohen Belastung der Luft mit Abgasen und Feinstaub. Daraus folgt, dass im Stuttgarter Talkessel nur derjenige Autoverkehr etwas zu suchen hat, der unbedingt dort sein muss. Und da handelt es sich in erster Linie um den Verkehr der Anwohner, der Gewerbetreibenden und der Linienbusse. Alle anderen (Straßen)verkehre müssen aus dem Kessel raus! Zwei Bundesstraßen (B14 und B27) führen durch den Kessel. Sie haben dort nichts zu suchen.

Und für die zweite Antwort machen wir einmal einen gedanklichen Ausflug nach München. München hat ja eine ganz andere Topographie als Stuttgart. Die Stadt liegt großteils vollkommen eben. Trotzdem weist der Mittlere Ring in München heute bereits 12 Tunnels auf (2 davon im Bau).. 

Biedersteiner Tunnel, 300 Meter
Brudermühltunnel, 780 Meter
Candidtunnel, 250 Meter
Effnertunnel, 100 Meter
Innsbrucker-Ring-Tunnel, 194 Meter
Landshuter-Allee-Tunnel, 360 Meter
Leuchtenbergtunnel, 167 Meter

Trappentreutunnel, 550 Meter
Petueltunnel, 1.473 Meter 
Richard-Strauss-Tunnel, 1.500 Meter
Tunnel Garmischer Straße  (im Bau), 1.530 Meter
Tunnel Heckenstallerstraße (im Bau), 620 Meter 
Summe: 7.824 Meter

Bei einer Gesamtlänge des Münchner Mittleren Rings von 27 Kilometer verlaufen somit  29 Prozent des Mittleren Rings.im Tunnel. Ein zeitgemäßer Mittlerer Ring, der die heutigen Anforderungen an die Umwelt, die Natur und die Bewohner der Stadt berücksichtigt, verläuft anscheinend zu einem nicht kleinen Teil im Tunnel. Dabei ist es unerheblich, ob sich eine Stadt in der Ebene befindet oder ob sie mit einer schwierigen Topographie zurechtkommen muss.

Und im nächsten Post - dem vorläufig letzten im Rahmen dieses kleinen Ausflugs in den Städtebau und zum Straßenverkehr - geht es dann konkret um den Stuttgarter Mittleren Ring: wo kann er verlaufen, in welchen Etappen kann er gebaut werden und welche Entlastungswirkung wird er bringen?    

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