Mittwoch, 26. September 2018

Ablehnung der BUND- und VCD-Vorschläge zu Stuttgart 21 durch Regionalpräsident Thomas Bopp war erwartbar

Der Vorsitzende des Verbands Region Stuttgart, Thomas Bopp, hat gemäß einem Artikel der Stuttgarter Zeitung die vom VCD und vom BUND gemachten Vorschläge für eine Modifizierung des Projekts Stuttgart 21 und eine Anpassung des Projekts an die geänderten Rahmenbedingungen abgelehnt.

Das war zu erwarten und ist deshalb nichts besonderes. Thomas Bopp gehört zu den heftigsten Befürwortern von Stuttgart 21 in der Form, wie es vor über 30 Jahren konzeptionell festgezurrt worden ist. Bereits vor Jahren war Thomas Bopp der erste, der den von Heiner Geißler und der Schweizer Verkehrsberatungsfirma SMA gemachten Vorschlag für eine Kombilösung beim Ausbau des Bahnknotens Stuttgart ablehnte. Solche Politiker nannte man zu DDR-Zeiten "Betonköpfe".

Thomas Bopp arbeitet somit weiter daran, dass Stuttgart seine Außenseiterposition bei verkehrlichen Themen ausbaut und festigt. Den Vorschlag eines Kombibahnhofs lehnte er seinerzeit mit dem Argument ab, dass hier die Nachteile von Stuttgart 21 sowie des heutigen Kopfbahnhofs zusammenkämen. 


Kopfbahnhof und Durchgangsbahnhof bilden beim Kombibahnhof ein unschlagbares Team 
Das kann man freilich auch genau andersherum sehen, indem man feststellt, dass bei einem Kombibahnhof die spezifischen Vorteile eines Durchgangsbahnhofs und eines Kopfbahnhofs zusammenkommen. Jeder Teilbahnhof bringt seine spezifischen Stärken ein. Kopfbahnhof und Durchgangsbahnhof bilden beim Kombibahnhof somit ein starkes Team.

Nun ist der Stuttgarter Hauptbahnhof seit dem Jahr 1978 bereits ein Kombibahnhof. Im Jahr 1978 wurde die Stammstrecke der Stuttgarter S-Bahn eröffnet. Sie beinhaltet einen zweigleisigen Durchgangsbahnhof für die S-Bahn unter dem Kopfbahnhof. Seit nunmehr 40 Jahren ist somit der Stuttgarter Hauptbahnhof bereits ein Kombibahnhof. Und es ist mir nicht bekannt, dass dies irgendwelche Nachteile gehabt hätte. Wenn die Umsteigewege zwischen dem Kopfbahnhof und dem S-Bahnhof zur Zeit etwas länger sind, dann liegt dies nicht am Kombibahnhof, sondern an den Bauarbeiten für Stuttgart 21.

Fast alle Kopfbahnhöfe in Europa sind zudem bereits Kombibahnhöfe bzw. sie werden zu Kombibahnhöfen umgebaut bzw. es gibt Planungen für Kombibahnhöfe. Nicht berücksichtigt sind hier die Kopfbahnhöfe an den Enden eines Streckennetzes wie z.B. der Bahnhof von Oberstdorf im Allgäu. Wenn man an Kombibahnhöfe denkt, fällt vielen Menschen vielleicht als erstes der Zürcher Hauptbahnhof ein, der ja mit dem Kopfbahnhof, der ersten Stammstrecke der S-Bahn und der Durchmesserlinie (zweite Stammstrecke der S-Bahn sowie Fernbahn) sogar ein doppelter Kombibahnhof ist.

Den Kombibahnhöfen gehört die Zukunft
Es gibt aber noch viel, viel mehr Kombibahnhöfe. Jetzt im kommenden Dezember 2018 werden zum Beispiel im Rahmen des Großprojekts Crossrail 1 die Londoner Bahnhöfe Paddington und Liverpool Street zu Kombibahnhöfen gemacht. Bei einer virtuellen Reise durch Europa wird man viele, viele weitere Kombibahnhöfe entdecken.

Auch bei der Entwicklung der Stuttgarter S-Bahn, der Hauptaufgabe des Verbands Region Stuttgart, geht Thomas Bopp falsche Wege, Außenseiterwege. Das zeigt sich bei einem Vergleich der Münchner S-Bahn mit der Stuttgarter S-Bahn.

Im Verlauf der ersten Stammstrecke der Münchner S-Bahn fahren zur Zeit 30 Züge pro Stunde und Gleis. Das wird als zu viel angesehen. Die Pünktlichkeit und Regelmäßigkeit des Betriebs bleibt auf der Strecke. Unter anderem deswegen wird in München zur Zeit die zweite Stammstrecke für die S-Bahn gebaut. Die zweite Stammstrecke dient unter anderem der Entlastung der ersten Stammstrecke. Nach der Inbetriebnahme der zweiten Stammstrecke werden nur noch 20 Züge pro Stunde und Gleis im Verlauf der ersten Stammstrecke fahren. Das fördert die Betriebsqualität (Pünktlichkeit, Regelmäßigkeit und Fahrzeiten).

Auch bei der Stuttgarter S-Bahn geht der Verband Region Stuttgart einen Außenseiterweg
Bei der Stuttgarter S-Bahn will der Verband Region Stuttgart jetzt genau den gegenteiligen Weg gehen. Heute fahren im Verlauf der Stammstrecke 24 Züge pro Stunde und Richtung. Der Verband Region Stuttgart will mit Hilfe eines neuen Signalsysystems diese Zugzahl steigern.

Das wird schiefgehen. Angesagt für die Stuttgarter S-Bahn ist - wie in München - die Entlastung der ersten Stammstrecke. Da eine zweite Stammstrecke auf absehbare Zeit nicht zur Verfügung steht, muss eine der sechs S-Bahnlinien, die heute durch die erste Stammstrecke fahren, aus dieser Stammstrecke herausgenommen werden. Diese Linie - es ist wohl die S 6 - endet dann im achtgleisigen Kopfbahnhof des Kombibahnhofs Stuttgarter Hauptbahnhof. 

Das fehlt übrigens in der Ausarbeitung des BUND für den Kombibahnhof. Der achtgleisige Kopfbahnhof muss zukünftig nicht nur die Metropolexresszüge von Ludwigsburg und die Züge der Gäubahn, sondern eben auch und gerade die Züge der Linie S 6 sowie die zukünftigen Metropolexpresszüge von Calw aufnehmen.

Ausgeglichen wird dies im Verlauf der Stammstrecke der Stuttgarter S-Bahn durch den Einsatz von Langzügen (drei Zugteile) auf allen S-Bahnlinien. Dieses Potenzial ist ja heute bei weitem nicht ausgeschöpft. Viele S-Bahnzüge fahren heute nur als Vollzüge (zwei Zugteile).

Warum muss Stuttgart als einzige Großstadt ein Europa ohne oberirdische Bahngleise auskommen?
Auch die anderen Argumente gegen einen Kombibahnhof in Stuttgart stehen auf tönernen Füßen. Warum muss denn der Stuttgarter Talkessel so dringend von jeglichen Bahngleisen befreit werden? Es gibt hunderte Großstädte in Europa. In jeder dieser Großstädte ist die Eisenbahn auch oberirdisch vertreten. Da muss es schon ganz starke Argumente geben, warum Stuttgart auch bei diesem Thema eine Außenseiterrolle spielen soll und als einzige Großstadt in Europa die Bahngleise vollständig in den Untergrund verlegen soll. Bisher habe ich solche starken Argumente nicht gehört.

Nehmen wir mal auch noch ganz hypothetisch und wirklichkeitsfremd an, dass es im Stuttgarter Talkessel beliebig viele Wohnung zu kaufen oder zu mieten gibt und dass zudem die Mehrheit der Bevölkerung sich diese Wohnungen auch leisten kann. Dann würden innerhalb eines Jahres hunderttausende Menschen in den Stuttgarter Talkessel ziehen. Die Nachfrage wäre enorm.

Das ist ein Problem aller europäischen Großstädte. Und dieses Problem ist nicht lösbar. Es können nicht alle Menschen, die gerne in den inneren Stadtbezirken wohnen würden, dort auch tatsächlich wohnen. Man kann dieses Problem allenfalls dadurch abmildern, dass man möglichst gute öffentliche Verkehrsverbindungen von der Peripherie in die Innenstädte schafft.

Vor diesem Hintergrund ist das im Rahmen von Stuttgarter 21 geplante Rosensteinviertel ein Tropfen auf den heißen Stein. Das Rosensteinviertel kann die potenzielle Nachfrage nach Wohnungen im Stuttgarter Talkessel nicht einmal in Ansätzen befriedigen. Und bei einem Kombibahnhof können fast soviele neue Wohnungen gebaut werden wie beim bisherigen Projekt Stuttgart 21.

Der Verband Region Stuttgart besteht nicht nur aus Thomas Bopp. Es ist jetzt an der Zeit, dass die Exekutive des Verbands sowie die Abgeordneten im Regionalparlament hier ein Gegengewicht bilden. Die Abkehr Stuttgarts von seinem Außenseitertum bei Verkehrsfragen sollte an erster Stelle der Agenda des Verbands Region Stuttgart stehen.              

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