Sonntag, 30. April 2017

Stuttgart 21 verhindert S-Bahn-Ringschluss von den Fildern ins Neckartal

Ca. 500 Millionen Euro soll nach einer im April 2017 präsentierten und vom Landkreis Esslingen sowie einigen Städten und Gemeinden um Wendlingen am Neckar beauftragten Untersuchung eine S-Bahnverbindung von den Fildern in Richtung Neckartal kosten. Die Wirtschaftlichkeit einer solchen Verbindung ist hierbei noch gar nicht berücksichtigt.

Der für das Gesamtnetz der Stuttgarter S-Bahn und für dessen Netzstruktur sowie für die ÖPNV-Erschließung des Filderraums enorm wichtige S-Bahn-Ringschluss dürfte somit auf absehbare Zeit nicht gebaut werden, ein Desaster für den öffentlichen Verkehr in der Region Stuttgart.

Im heutigen Post in diesem Blog wollen wir herausarbeiten, dass das Projekt Stuttgart 21 für das Scheitern des Projekts S-Bahn-Ringschluss verantwortlich ist - und das gleich in mehrfacher Hinsicht.

Fangen wir mal mit den Verbindungen an, die Stuttgart 21 für die Relation vom Neckartal auf die Fildern mit Flughafen, Messe und zahlreichen Industriegebieten sowie von der Raumschaft zwischen Schwäbischer Alb, Filstal und Neckartal auf die Fildern anbieten wird.


Das Projekt Stuttgart 21 wird Regionalverkehre von der Neckartalbahn (Tübingen-Reutlingen-Nürtingen) zum neuen Flughafenbahnhof auf den Fildern anbieten. Diese Verkehre werden über die Wendlinger Kurve geführt werden. Im Berufsverkehr ist wohl mit zwei Zügen pro Stunde und Richtung zu rechnen. Außerhalb des Berufsverkehrs wird es möglicherweise nur ein Zug pro Stunde und Richtung sein.

Für Kirchheim/Teck, Wendlingen, Plochingen und das Filstal bietet Stuttgart 21 kein Angebot
Damit ist das zukünftige Angebot von Stuttgart 21 für die Verbindung Neckartal-Fildern bereits beschrieben. Kein attraktives Angebot gibt es für Kirchheim/Teck und Umgebung, für Wendlingen und Umgebung, für Plochingen und Umgebung sowie für das Filstal und seine Umgebung.

Sehen wir uns mal beispielhaft Kirchheim/Teck an. Wenn man zukünftig von Kirchheim/Teck auf die Fildern fahren will, kann man dies auch zukünftig so tun wie bisher. Man fährt also mit der S-Bahn zum Hauptbahnhof und steigt dort in eine andere S-Bahn oder auch in einen Regionalzug in Richtung Flughafen um. Oder man fährt mit der S-Bahn nach Wendlingen, steigt in einen Regionalzug nach Nürtingen um und steigt in Nürtingen erneut um in einen Regionalzug zum Flughafenbahnhof. Attraktiv ist keine dieser Verbindungen. Mit dem Auto ist man in wenigen Minuten über die Autobahn A8 von Kirchheim/Teck am Flughafen. Mit der Bahn wird dies auch zukünftig eher in Richtung einer Gesamtfahrzeit (einschließlich Umsteigezeiten) von bis zu einer Stunde gehen.

Im Prinzip ähnlich verhält es sich mit den Verbindungen Wendlingen-Flughafen, Plochingen-Flughafen und Filstal-Flughafen.

Hätte man an Stelle von Stuttgart 21 in den Neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts unmittelbar im Anschluss an die Inbetriebnahme des Flughafenbahnhofs der S-Bahn den Ringschluss der S-Bahn ins Neckartal vorangetrieben, gäbe es heute längst attraktive Verbindungen sowohl aus Richtung Tübingen-Reutlingen-Nürtingen zum Flughafen als auch aus Richtung Plochingen-Wendlingen zum Flughafen als auch aus Richtung (Göppingen)-Kirchheim/Teck zum Flughafen, die jeweils mit der Straße in Konkurrenz treten könnten.

Warum verhindert Stuttgart 21 den S-Bahn-Ringschluss?
Wie aber verhindert Stuttgart 21 nun ganz konkret den S-Bahn-Ringschluss und attraktive Bahnverbindungen aus der gesamten Raumschaft zwischen Schwäbischer Alb, Filstal und Neckartal auf die Fildern?

Zunächst einmal dadurch, dass es die potenzielle Trasse der S-Bahn belegt. Diese potenzielle Trasse der S-Bahn für attraktive Verbindungen zwischen den Fildern/dem Flughafen/der Landesmesse/den Filder-Industriegebieten und der Raumschaft zwischen Schwäbischer Alb/Filstal/Neckartal verläuft vom bestehenden Flughafenbahnhof der S-Bahn entlang der Autobahn A8 bis zur Neckarbrücke. Von dort geht es weiter mit der Wendlinger Kurve in Richtung Nürtingen/Reutlingen/Tübingen, mit der Wendlinger Gegenkurve in Richtung Wendlingen/Plochingen und mit einem kurzen geradeausführenden Streckenast in Richtung Kirchheim/Teck und weiter nach Weilheim/Teck und Göppingen.

Nun verläuft auf dieser potenziellen Trasse der S-Bahn für einen S-Bahn-Ringschluss aber die Stuttgart 21-Trasse. Damit kann dort die S-Bahn nicht mehr fahren. Denn auf dieser nun für ICE, schnelle Regionalzüge und Metropolexpresszüge vorgesehen Trasse ist für die S-Bahn einfach kein Platz mehr. Für die S-Bahn müsste man jetzt eine teure Extra-Trasse mit Tunnels etc. bauen, die die oben genannten ca. 500 Mio. Euro kosten könnte und somit realistischerweise keine Chancen auf Verwirklichung hat.

Stuttgart 21 verhindert aber noch auf andere Weise den S-Bahn-Ringschluss. Denn Stuttgart 21 übernimmt ja zukünftig die Fahrgäste von Nürtingen/Reutlingen/Tübingen zum Flughafenbahnhof, wenngleich die Taktfolge zeitweise gar nicht besonders attraktiv sein wird. Damit fehlen aber diese Fahrgäste für den S-Bahn-Ringschluss. Dem S-Bahn-Ringschluss bleiben dann "nur noch" die Fahrgäste von Wendlingen, Kirchheim/Teck, Plochingen und dem Filstal zum Flughafen und auf die Fildern. Damit aber sinkt die potenzielle Wirtschaftlichkeit eines S-Bahn-Ringschlusses, indem die Zahl der potenziellen Fahrgäste sinkt. 

Noch einmal zusammengefasst: Stuttgart 21 verhindert den S-Bahn-Ringschluss, indem es die S-Bahn von der potenziell geeignetsten Trasse entlang der A8 auf eine sehr teure Ersatztrasse verdrängt und indem es gleichzeitig den Nutzen des S-Bahn-Ringschlusses mindert. Der S-Bahn-Ringschluss ist somit wegen Stuttgart 21 in einer Sackgasse. 

Beim etappierbaren Ausbau des Bahnknotens Stuttgart sowie der Stuttgarter S-Bahn wäre der S-Bahn-Ringschluss längst in Betrieb
Sehen wir uns noch einmal genau an, wie der etappierbare Ausbau des Bahnknotens Stuttgart und insbesondere der etappierbare Ausbau der Stuttgarter S-Bahn mit dem S-Bahn-Ringschluss ohne Stuttgart 21 vonstatten gegangen wäre.

Im Jahr 1993 wurde die S-Bahnstrecke von Stuttgart-Vaihngen zum Flughafen mit dem Flughafenbahnhof der S-Bahn in Betrieb genommen. Damals war das Projekt Stuttgart 21 hinter den Kulissen längst präsent und kurz vor der Präsentation vor der Öffentlichkeit. Ohne Stuttgart 21 hätte man ab 1993 mit dem Bau des S-Bahn-Ringschlusses begonnen.

1. Als erstes Modul wäre die Trasse vom bestehenden Flughafenbahnhof entlang der A8 bis zur Neckarbrücke und weiter über die Wendlinger Kurve zur Neckartalbahn Richtung Nürtingen/Reutlingen/Tübingen gebaut worden. Eine der beiden vom Hauptbahnhof zum Flughafen fahrenden S-Bahnlinien wäre dann als Express-S-Bahn Richtung Nürtingen/Reutlingen/Tübingen verlängert worden.

2. Das zweite Modul hätte die Wendlinger Gegenkurve beinhaltet. Damit wäre die zweite vom Hauptbahnhof zum Flughafen fahrende S-Bahn als Express-S-Bahn Richtung Wendlingen/Plochingen verlängert worden.

3. Es wäre eine dritte S-Bahnlinie vom Hauptbahnhof zum Flughafen geführt worden, die vom Kopfbahnhof über die Panoramastrecke verkehrt. Diese Linie wäre als Express-S-Bahn geführt worden. Sie hätte die Zwanzig-Minuten-Taktlücke des bestehenden Stottertakts der S-Bahn zum Flughafen gefüllt. Ggf. wären Gleisumbauten bei der Verzweigung S-Rohr erforderlich geworden, damit die Express-S-Bahn nicht an den Bahnsteigkanten des Haltepunkts Rohr vorbeifahren muss.

4. Es wäre von der Neckarbrücke an der A8 bei Wendlingen eine kurze, geradeausführende Neubaustrecke in Richtung Kirchheim/Teck gebaut worden. Damit hätte die dritte S-Bahnlinie vom Flughafen als Express-S-Bahn direkt nach Kirchheim/Teck und später weiter über Weilheim/Teck und Bad Boll bis Göppingen fahren können.

5. Es wäre eine Neubaustrecke zwischen dem Flughafen und S-Rohr gebaut worden, die entlang der B 27 und der A8 verläuft. Damit wäre die Verbindung vom Flughafen nach S-Vaihingen und zum Hauptbahnhof wesentlich beschleunigt worden. Die bestehende S-Bahnstrecke durch Leinfelden wäre möglicherweise von der Stadtbahn übernommen worden.

6. Die Panoramastrecke der Gäubahn einschließlich des Hasenbergtunnels und des Kriegsbergtunnels ist marode. Sie muss über kurz oder lang erneuert und modernisiert werden. Durch den Neubau des Hasenbergtunnels und des Kriegsbergtunnels sowie durch weitere Streckenbegradigungen lässt sich eine Fahrzeit für die Express-S-Bahn Hauptbahnhof-Flughafen erreichen, die den Fahrzeiten über den Fildertunnel bei Stuttgart 21 nahe kommt - und das bei einer besseren Erschließung des Umsteigebahnhofs S-Vaihingen und beim Bestehen nur eines Flughafenbahnhofs anstatt dreier Bahnhöfe am Flughafen wie bei Stuttgart 21.

7. Weitere Ausbaumodule sind möglich. Der Phantasie sind hier keine Grenzen gesetzt.

Welche Rolle spielt denn in diesem Kontext die Stadtbahn?
Es ist vielleicht aufgefallen, dass die hier vertretene Ausbauvariante eines Ringschlusses für die S-Bahn entlang der A8 sich von anderen Varianten unterscheidet, die eine Führung der S-Bahn über verschiedene Ortschaften (z.B. Neuhausen a.d.F.) vorsehen.

Hier in diesem Blog wurde stets die Auffassung vertreten, dass eine Schienenerschließung der Ortschaften Bernhausen, Sielmingen, Neuhausen a.d.F., Scharnhausen, Kemnat, Denkendorf, Köngen, Wolfschlugen, Harthausen, Bonlanden, Plattenhardt, Stetten und Echterdingen nicht mit der S-Bahn, sondern mit der flexibleren sowie einfacher und billiger zu bauenden und zu betreibenden Stadtbahn erfolgen sollte. Die S-Bahn hat zuallererst die Aufgabe der schnellen Anbindung des Flughafens an die Knotenpunkte S-Vaihingen, Hauptbahnhof, Wendlingen, Plochingen und Nürtingen.

Gibt es noch irgendeine Hoffnung?
Erst mal nicht. Das Kind ist in den Brunnen gefallen. Das werden auch die Bürgermeister der Orte bald feststellen, die jetzt das Gutachten über den S-Bahn-Ringschluss beauftragt haben. 

Ich würde gerne eine Lösung für die S-Bahn und den S-Bahn-Ringschluss präsentieren, die man jetzt noch unter Inkaufnahme des Projekts Stuttgart 21 bauen könnte. Mir fällt im Moment aber keine ein....            

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.