Freitag, 21. September 2012

Das Stuttgart 21-Versagen des Verbands Region Stuttgart

Der Verband Region Stuttgart ist mit 100 Mio Euro am Projekt Stuttgart 21 beteiligt. Ob diese Beteiligung verfassungsgemäß ist oder ob sie dem gesetzlichen Verbot der Mischfinanzierung von Bundesprojekten widerspricht, wird noch gerichtlich zu klären sein.

Im heutigen Post in diesem Blog gehen wir der Frage nach, ob der Verband Region Stuttgart überhaupt etwas mit Stuttgart 21 zu tun haben sollte. Weiter sehen wir nach, ob und wie der Verband Region Stuttgart seine ihm gesetzlich übertragenen Aufgaben erfüllt. Als Ergebnis der heutigen Betrachtung wird es eine Empfehlung an die Landesregierung von BW geben.


Ist Stuttgart 21 eine Pflichtaufgabe des Verbands Region Stuttgart?
Das im Jahr 1994 erlassene Gesetz über die Errichtung des Verbands Region Stuttgart (GVRS) übertragt dem Verband bestimmte Pflichtaufgaben. Dazu gehört der regionalbedeutsame öffentliche Personennahverkehr. Im §4 des GVRS wird diese Plichtaufgabe näher umrissen. Der Verband Region Stuttgart hat gemäß §4 GVRS die Aufgabenträgerschaft für den S-Bahnverkehr und für weitere regional bedeutsame Schienenpersonennahverkehre mit Ausgangs- und Endpunkt innerhalb des Verbandsgebiets.

Eine weitergehende Zuständigkeit für Bahnverkehre lässt sich aus den dem Verband Region Stuttgart übertragenen Pflichtaufgaben sowie auch aus den an anderer Stelle genannten freiwilligen Aufgaben nicht herauslesen. Eine finanzielle Beteiligung des Verbands an Stuttgart 21 scheidet insofern nach einer ersten Abwägung aus. Denn Stuttgart 21 ist schließlich kein S-Bahnverkehr (auch wenn S21 die S-Bahn selbstverständlich betrifft, allerdings in erster Linie negativ). Und Stuttgart 21 ist auch kein Schienenpersonennahverkehr mit Ausgangs- und Enpunkt innerhalb des Verbandsgebiets. Vielmehr beinhaltet Stuttgart 21 den Fernverkehr und den Regionalverkehr mit Ausgangs- und Endpunkt außerhalb des Verbandsgebiets.

Nun gibt es allerdings im §4 des GVRS eine relativ nebulös erscheinende weitere Bestimmung. Der Verband kann demnach an Stelle von Schienenpersonennahverkehren, für die er Aufgabenträger ist, auch andere Verkehrsleistungen oder Investitionen im öffentlichen Personennahverkehr finanzieren. Ich interpretiere diese Klausel so, dass der Verband zum Beispiel auf die Finanzierung einer bestimmten S-Bahnstrecke verzichten kann und an Stelle dieser S-Bahnstrecke eine Buslinienverbindung finanzieren kann. Denn es heißt ja bei der Ersatzaufgabe ausdrücklich Personennahverkehr und nicht Schienenpersonennahverkehr.

In dieser Weise müsste der Geist des GVRS zu interpretieren sein. Gefährlich wird es jetzt allerdings, wenn jemand aus dieser Bestimmung eine Möglichkeit herauslesen sollte, dass der Verband Region Stuttgart damit Stuttgart 21 finanzieren könne. Das würde ja bedeuten, dass der Verband Region Stuttgart die ihm übertragene Aufgabe der Finanzierung der S-Bahn vernachlässigen kann und statt dessen irgendeine Personennahverkehrsleistung (die nicht einmal im Gebiet der Region Stuttgart liegen muss) finanzieren kann.

Welche Rolle spielt der Verband Region Stuttgart im Zusammenhang mit Stuttgart 21?
Jetzt kristallisieren sich für das Verhältnis zwischen dem Verband Region Stuttgart und Stuttgart 21 zwei vollkommen unterschiedliche Interpretationen heraus.

Erste Interpretation: Der Verband Region Stuttgart darf sich an der Finanzierung von Stuttgart 21 nicht beteiligen. Die Finanzierung von Stuttgart 21 gehört weder zu den Pflichtaufgaben noch zu den freiwilligen Aufgaben des Verbands.

Zweite Interpretation: Die Öffnungsklausel im §4 des GVRS gibt dem Verband die Möglichkeit, alles zu finanzieren, was irgendwie nach Personennahverkehr klingt und damit auch Stuttgart 21. M.E. ist die Sache allerdings insofern klar, als neben dem Buchstaben auch der Geist eines Gesetzes zu berücksichtigen ist. Und die genannte Öffnungsklausel kann sich demnach ausschließlich auf Verkehre innerhalb der Region Stuttgart beziehen, die vielleicht einem S-Bahnverkehr in Bezug auf die Kosten und die Qualität überlegen sind.

Freilich bietet diese Öffnungsklausel auch Spielraum für weitergehende Theorien. Ist die Mitfinanzierung von Stuttgart 21 von vornherein als Aufgabe des Verbands Region Stuttgart eingeplant gewesen? Allerdings hat man - sollte dies zutreffen - diese Mitfinanzierung sehr geschickt im Gesetz versteckt, damit es zunächst niemand merkt. Auffallend ist ja auch, dass sowohl der Verband Region Stuttgart als auch das Projekt Stuttgart 21 im Jahr 1994 das Licht der Welt erblickt haben, wobei der Verband Region Stuttgart zwei Monate älter ist als das Projekt Stuttgart 21.

Sollten diese Annahmen zutreffen, wäre demnach der Verband Region Stuttgart in erster Linie für den Zweck erschaffen worden, einen weiteren Financier für Stuttgart 21 zu bekommen und einen weiteren Partner neben Landesregierung, Stadt Stuttgart, Flughafen und Bahn, der der Projektförderungspflicht unterliegt. Es kann ja diesbezüglich nicht genügend willfährige Partner geben - für den Fall, dass irgendwann doch einer der Partner z.B. wegen unpassend ausgegangener Neuwahlen ausfällt....  

Was hat der Verband Region Stuttgart für die Region gebracht?
Nun sind solche Dinge - sollten sie zutreffen - allenfalls in dunklen Hinterzimmern ausgeküngelt worden. So offen wird das garantiert niemand zugeben wollen. Sehen wir uns deshalb jetzt, da der Verband Region Stuttgart nun einmal besteht, an, ob dieser Verband die Region Stuttgart irgendwie nach vorne gebracht hat - jedenfalls weiter nach vorne als es bei der vorherigen Verwaltungsstruktur mit der Zuständigkeit der Landesregierung und des Regierungspräsidiums möglich gewesen wäre.

Die Hauptaufgabe und auch der mit Abstand größte Haushaltsposten des Verbands Region Stuttgart sind der Betrieb und die weitere Entwicklung der S-Bahn. Nun behauptet der Verband immer wieder gern, dass es ein Glücksfall ist, dass die S-Bahn in seiner Zuständigkeit ist. Bei einer nähreren Betrachtung der Zahlen und der Entwicklung kann man daran Zweifel anmelden.

Das S-Bahnnetz der Region Stuttgart ist nach wie vor das mit Abstand kleinste S-Bahnnetz unter vergleichbaren Regionen (München, Frankfurt/Main, Zürich). Der Ausbau des S-Bahnnetzes hat sich unter der Ägide des Verbands Region Stuttgart nicht beschleunigt oder verbessert. Die wesentlichen Teile des S-Bahnnetzes wurden unter der Zuständigkeit der Landesregierung bis zum Jahr 1993 fertiggestellt. Dann tat sich längere Zeit nichts, bis unter der Zuständigkeit des Verbands Region Stuttgart wieder einige kleinere Neubaustrecken in Betrieb genommen worden sind bzw. noch werden. Allerdings laufen selbst diese wenigen Neubauvorhaben des Verbands Region Stuttgart nicht ohne Probleme oder gar Skandale ab. So haben sich bei der S 60 Böblingen-Renningen die Bauzeit und die Kosten im Vergleich zu den ursprünglichen Ansätzen jeweils verdreifacht. Das war zu Zeiten, als die Landesregierung noch für die S-Bahn Regie führte, undenkbar.

Eine Daseinsberechtigung für den Verband Region Stuttgart wäre m.E. nur dann vorhanden, wenn durch diesen Verband die Region Stuttgart im Vergleich mit anderen Regionen in Europa und in der Welt nach vorne gegangen wäre, wenn sich die Zahlen und das Ansehen und die Bekanntheit der Region in Europa und in der Welt signifikant verbessert hätten. Diesbezüglich kann ich keinen Einfluss des Verbands Region Stuttgart erkennen. Ironischerweise ist ja Stuttgart in den vergangenen beiden Jahren vor allem durch die große Bürgerbewegung gegen Stuttgart 21 in der Welt bekannter geworden.

Diese Entwicklung zeigt sich auch bei einer anderen Pflichtaufgabe des Verbands Region Stuttgart, der Konzeption und der Planung eines Landschaftsparks Mittlerer Neckar. Nun sagt man ja: Kleinvieh macht auch Mist. Und diesbezüglich könnte man konstatieren, dass die vielen kleinen Maßnahmen im Rahmen dieses Landschaftsparks zusammengenommen auch etwas darstellen. Aber bitte: in Bezug auf Parks sind andere Regionen in Europa und in der Welt nach wie vor um Längen bekannter als die Region Stuttgart. Da brauchen wir jetzt nicht auf den Centralpark in New York abzuheben.

Viele Weltstädte haben inzwischen Nationalparks oder Wildnisgebiete in unmittelbarer Nähe zur Stadt ausgewiesen - als Beitrag zur Lebensqualität und als positiven Faktor im Wettbewerb der Regionen. Dazu gehören z.B. Stockholm, Helsinki, Zürich, Wien, Warschau, San Franzisko usw. In der Region Stuttgart herrscht diesbezüglich Fehlanzeige. Das Biosphärengebiet Schwäbische Alb (verordnet im Jahr 2008) gehört ja auch zum Teil zur Region Stuttgart (Landkreis Esslingen). Und dieses Biosphärengebiet ist tatsächlich ein Lichtblick in Sachen Raumplanung und Flächennaturschutz. Allerdings hat der Verband Region Stuttgart mit dem Biosphärengebiet Schwäbische Alb nichts zu tun. Das war und ist Sache der Landesregierung.

Empfehlung an die Landesregierung
Die Faktenlage zum Verband Region Stuttgart lassen mich eine Empfehlung an die Landesregierung von BW formulieren:
Lösen Sie den Verband Region Stuttgart auf. Die Region Stuttgart braucht diesen Verband nicht. Kehren Sie zurück zur früheren Verwaltungsstruktur mit der Zuständigkeit des Landes für die S-Bahn in der Region Stuttgart und für die Entwicklung von Parks. Wir brauchen keine zusätzliche Verwaltungsebene in der Region Stuttgart und wir brauchen erst recht nicht einen weiteren Partner, der bei Stuttgart 21 der Projektförderungspflicht unterliegt und deshalb auf Teufel komm raus irgendwelche an den Haaren herbeigezogenen Argumente für Stuttgart 21 auf seiner Website platzieren muss. Das Experiment Verband Region Stuttgart ist gescheitert. Kehren Sie bis auf weiteres zu den bewährten Strukturen zurück.                          

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