Sonntag, 20. November 2011

Ist die Volksabstimmung wegen der Falschinformationen seitens der Stuttgart 21 - Protagonisten ungültig?

Zur Zeit läuft der Argumentationskampf (Wahlkampf ist ja wohl nicht das korrekte Wort) für die am 27. November 2011 stattfindende Volksabstimmung über den Ausstieg des Landes BW aus der Finanzierung von Stuttgart 21 auf vollen Touren. 

Die Stuttgart 21-Protagonisten treten mit einem ungleich größeren Werbeetat an als die Befürworter eines etappierbaren Ausbaus des Kopfbahnhofs in Stuttgart sowie des Bahnverkehrs im ganzen Land ("JA zum Ausstieg"). Berücksichtigt man auch noch die Medien, die zum größeren Teil nur die Behauptungen der Stuttgart 21-Protagonisten nachplappern anstatt investigativen Journalismus zu betreiben, sind die bisher 45 Prozent der Baden-Württemberger, die am 27.11.2011 für den Ausstieg stimmen wollen, bereits ein großer Erfolg. Und diese Zahl ist noch beträchtlich ausbaubar.



Es kommt aber noch ein anderer Aspekt hinzu. Die Werbung der Stuttgart 21-Befürworter umfasst zu einem erschreckend großen Teil Unwahrheiten oder gewollte Zweideutigkeiten. Vor diesem Hintergrund besteht die Möglichkeit, dass später ein Gericht die Volksabstimmung als ungültig bezeichnen wird. Schauen wir uns einmal einige der Unwahrheiten bzw. Halbwahrheiten der Stuttgart 21-Befürworter an.

Ausstiegskosten
Die Ausstiegskosten für das Land BW werden von den Stuttgart 21-Befürwortern mit 1,5 Milliarden Euro beziffert. Dabei ist klar und regierungsamtlich bestätigt, dass die Ausstiegskosten maximal 350 Millionen Euro betragen werden. Zudem besteht eine große Wahrscheinlichkeit, dass die Ausstiegskosten sogar bei Null Euro liegen werden. Das leitet sich daraus ab, dass die Verträge zu Stuttgart 21 wegen unrichtiger Angaben der Bahn im Vorfeld von Parlamentsbeschlüssen von einem Gericht für nichtig erklärt werden könnten.

Kosten von Stuttgart 21
Die Stuttgart 21-Befürworter wiederholen immer wieder, dass die Kostenobergrenze von Stuttgart 21 von 4,5 Milliarden Euro auf jeden Fall eingehalten werden wird. Dabei wird aber außer Acht gelassen, dass der Risikopuffer bereits bei Baubeginn fast aufgebraucht ist. Dabei wurde der Risikopuffer eingerichtet, um Baukostensteigerungen während der 10 bis 20 Jahre langen Bauzeit aufzufangen. Und 90 Prozent der Baukostensteigerungen treten nicht vor dem Beginn einer Baumaßnahme, sondern im zweiten und letzten Drittel der Bauzeit auf.


Auswirkungen auf die S-Bahn
Die S-Bahn wird durch Stuttgart 21 massiv beeinträchtigt. Dazu tragen bei die neue Station Mittnachtstraße mit den daraus resultierenden längeren Fahrzeiten, die fehlende Ausweichmöglichkeit im Kopfbahnhof, der Mischbetrieb sowie die eingleisigen Strecken und die Gleiskreuzungen auf den Fildern. Ebenso wirkt sich der erforderliche Linientausch zwischen S1,2,3 und S4,5,6 negativ aus. Trotzdem behaupten die Stuttgart 21-Befürworter, dass die S-Bahn von Stuttgart 21 profitiert.


Neubaustrecke Wendlingen-Ulm wird mit Stuttgart 21 vermischt
Obwohl am 27. 11.2011 nur über Stuttgart 21 abgestimmt wird, versuchen die Stuttgart 21-Protagonisten, die Fahrzeitverkürzungen bei der Neustrecke Stuttgart 21 gutzuschreiben. Damit soll der Eindruck erweckt werden, dass Stuttgart 21 Fahrzeitverkürzungen bringt. Wenn es aber um die Kosten geht, werden selbstverständlich die Kosten der Neubaustrecke nicht den Kosten von Stuttgart 21 zugeschlagen. Obwohl die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm mit dem Kopfbahnhof sogar besser umgesetzt werden kann als mit Stuttgart 21, wird von den Stuttgart 21-Protagonisten bestritten, dass die Neubaustrecke bei einem Stopp von Stuttgart 21 gebaut werden kann. Hierbei verweisen sie auf einen angeblichen vertraglichen Zusammenhang zwischen Stuttgart 21 und der Neubaustrecke. Außer Acht lassen sie jedoch, dass ein solcher Vertragszusammenhang von einer Sekunde auf die andere aufgelöst werden kann.

Stuttgart 21 fördert den Regionalverkehr
Ein weiteres Märchen der Stuttgart 21-Befürworter ist die angebliche Verbesserung für den Regionalverkehr. Das von der alten Landesregierung beauftragte, dann aber unter Verschluss gehaltene Gutachten der Schweizer Verkehrsplanungsfirma SMA zeigt, dass der Regionalverkehr bei einem Ausbau des Kopfbahnhofs besser gefördert würde als bei Stuttgart 21.
  
Stuttgart 21 als Geldvermehrungsmaschine
Wenn man den Stuttgart 21-Befürwortern Glauben schenken wollte, würde trotz der exorbitant hohen Kosten für Stuttgart 21 der Ausbau des Bahnnetzes im übrigen BW nicht leiden. Im Gegenteil, der Ausbau z.B. der Gäubahn, der Südbahn oder der Rheintalbahn käme dank Stuttgart 21 sogar schneller. Diese Märchen versucht zum Beispiel Bahnchef Grube bei seinen unsäglichen, von der Bevölkerung dankenswerterweise kaum beachteten Sonderzugreisen zu transportieren. Klar ist, dass die Mittel für Stuttgart 21 nur einmal ausgegeben werden können und anderswo im Land fehlen.  


Ausstiegskosten sollen vom Verkehrsministerium getragen werden
Finanz- und Wirtschaftsminister Schmid (SPD) hat jetzt den Vogel abgeschossen. Er hat jetzt gefordert, dass die für BW entstehenden Ausstiegskosten allein vom Verkehrsressort getragen werden. Da zeigt er sich aber als schlechter Verlierer und schadet zudem dem Land. Denn die Volksabstimmung für ganz BW ist ja schließlich auf dem Mist von Herrn Schmid gewachsen. Wenn die Volksabstimmung nicht das von Herrn Schmid gewünschte Ergebnis zeigt, sollen bitteschön andere dafür büßen. Und indem Herr Schmid angebliche Ausstiegskosten von 1,5 Milliarden Euro für BW in der Öffentlichkeit behauptet, schwächt er die Position des Landes bei späteren Gerichtsverfahren.

"Park oder Gleise"
Dies ist einer der Sprüche der Stuttgart 21-Befürworter auf den Werbetafeln. Damit wird suggeriert, dass bei Stuttgart 21 die bisherigen Gleisflächen durch Parkanlagen ersetzt werden. Das ist mitnichten der Fall. Der größte Teil des bisherigen Gleisgeländes würde bei Stuttgart 21 durch hässlichste Bauten belegt, wie jetzt schon auf dem A1-Gelände zwischen Bahnhof und Heilbronner Straße zu sehen. Nur ein kleiner Teil des Gleisgeländes würde Park. Dagegen würde bei Stuttgart 21 ein in der Innenstadt von Stuttgart gelegener Park mit vielen alten Bäumen zerstört und durch einen Betonsarg ersetzt. Der Spruch müsste also richtig heißen: "Betonsarg oder Park".

"Weiterärgern oder Fertigbauen"
Dies ist ein weiterer Spruch der Stuttgart 21-Befürworter. Dieser Spruch ist komplett falsch. Von Fertigbauen könnte allenfalls dann die Rede sein, wenn mindestens die Hälfte der Baumaßnahmen für Stuttgart 21 erledigt wäre. Das ist aber erst in 7 bis 10 Jahren der Fall. Zur Zeit haben die richtigen Bauarbeiten für Stuttgart 21 noch nicht einmal angefangen. Für den Abschnitt auf den Fildern ist das Plangenehmigungsverfahren noch nicht einmal eingeleitet. Und ärgern werden sich die Bürger dann, wenn monate- bis jahrelang wichtige Stadtbahnstrecken wegen der Bauarbeiten unterbrochen sein werden, wenn sich der Straßenverkehr im Kessel stauen wird, wenn tausende Lkw pro Tag den Talkessel zur Feinstaubhölle machen werden und wenn 15 Jahre lang die Fahrgäste im Stuttgarter Hauptbahnhof lange Wege zu den verlegten Bahnsteigen zurücklegen müssen. Der Spruch muss also richtig lauten: "Stoppen oder todärgern"

Und dies ist nur ein kleiner Teil der Unwahrheiten, Halbwahrheiten und Weglassungen, die von der Stuttgart 21-Befürworterseite in den Abstimmungskampf geworfen werden. Da gibt es mehr als einen Ansatzpunkt, um die Abstimmung im nachhinein für ungültig erklären zu lassen.    

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