Sonntag, 14. April 2013

Stuttgart 21 macht Stuttgart zur einzigen Großstadt ohne ZOB

Bereits vor einigen Jahren hat man in Stuttgart den Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) neben dem Hauptbahnhof wegen vorbereitender Arbeiten für Stuttgart 21 geschlossen. Ersatzweise wurden eine Fläche in Obertürkheim sowie der nicht ausgelastete Busbahnhof in Zuffenhausen als Ersatz-ZOB bestimmt.

Das Fehlen eines ZOB in der Stuttgarter Innenstadt oder auch nur in den inneren Stadtbezirken macht sich gerade in diesen Monaten besonders bemerkbar. Denn mit der Liberalisierung des Fernbusverkehrs zwischen den deutschen Städten wird es in den kommenden Monaten immer mehr Buslinien geben, die Stuttgart mit anderen Großstädten in Deutschland verbinden.

Noch herrscht hier die Ruhe vor dem Sturm. Es gibt zur Zeit eine Buslinie, die Stuttgart viermal am Tag mit Freiburg verbindet. Diese Linie fährt vom Busbahnhof in S-Vaihingen ab, wo glücklicherweise noch ein Bahnsteig für diesen Zweck frei war. Dann gibt es eine Buslinie, die Stuttgart drei- bis viermal am Tag mit München verbindet. Die Busse dieser Linie fahren vom provisorischen Busbahnhof in Obertürkheim ab.

Sieht man sich an, wohin die Busse der neuen Fernlinien genau hinfahren, versteht man, dass es auch anders sein kann als in Stuttgart und dass Stuttgart in Sachen ZOB einmal mehr ein Außenseiter in Deutschland ist. In München kommen die Busse am dortigen ZOB an. Der Münchner ZOB wurde im Jahr 2009 neu erbaut und befindet sich nur wenige hundert Meter vom Hauptbahnhof entfernt. Dieselbe Lage haben die ZOB`s in Hannover, in Düsseldorf, in Köln, in Hamburg, in Frankfurt/Main und eigentlich in allen deutschen Großstädten - mit Ausnahme von Stuttgart.


Nun soll ja der Stuttgarter ZOB demnächst am Flughafen neu erbaut werden. Dort, so heißt es offiziell, wären die besten Voraussetzungen für einen ZOB gegeben. Aber wenn das so wäre, dann hätten auch die anderen Großstädte ihren ZOB am Flughafen. Fast alle Großstädte haben ihren ZOB jedoch in der Innenstadt oder wenigstens in den inneren Stadtbezirken und meist in der Nähe des Hauptbahnhofs. Das ist der richtige, der optimale Standort für einen ZOB.

Stuttgart, der Außenseiter in Sachen Straßen- und Bahnverkehr sowie in Sachen Architektur und Stadtplanung
Durch die vorbereitenden Arbeiten für Stuttgart 21 ist also Stuttgart auch in Sachen ZOB zum Außenseiter geworden. Dabei ist Stuttgart ja in so vielen Verkehrsdingen und Stadtplanungsangelegenheiten bereits Außenseiter.
  • Stuttgart ist die deutsche Großstadt mit der höchsten Feinstaubbelastung.
  • Stuttgart ist die deutsche Großstadt mit den meisten Verkehrsstaus (das hat ein Anbieter von Navigationsgeräten anhand seiner Daten festgestellt.).
  • Stuttgart ist die deutsche Großstadt mit dem dümmsten Bahnprojekt (Stuttgart 21), dem einzigen Bahnprojekt, das einen Rückbau der Bahninfrastruktur vorsieht.
  • In der Region Stuttgart fahren die Menschen viel weniger mit dem öffentlichen Verkehr als in vergleichbaren Regionen (siehe den Post vom 12.02.2013 in diesem Blog).
  • Stuttgart ist die einzige deutsche Großstadt, durch deren Innenstadt zwei hochbelastete Bundesstraßen führen.
  • Stuttgart ist die einzige Großstadt in Deutschland, in der es keine Planungen für einen Mittleren Ring oder wenigstens Teile davon gibt.
  • Der Cityring in Stuttgart ist in Teilen vollkommen inadäquat dimensioniert und trennt die Innenstadt von den angrenzenden Stadtquartieren wie in keiner anderen deutschen Stadt.
  • Stuttgart ist die einzige Großstadt in Deutschland, die in der Innenstadt keine Niederflurstraßenbahn hat und in der es auch keine diesbezüglichen Pläne gibt.
  • Stuttgart hat von allen Großstädten in Deutschland die meisten Tiefgaragenstellplätze in der Innenstadt.
  • Es gibt in Stuttgart keine Pläne für den Wiederaufbau wenigstens einiger markanter, im Zweiten Weltkrieg zerstörter Gebäude oder Gebäudeensembles - auch dies ist inzwischen bei den deutschen Großstädten fast einmalig.
  • Es gibt in Stuttgart keine Auseinandersetzung damit, was eigentlich die Stuttgart-Identität bei der Architektur ausmacht und es gibt keine Bestrebungen, diese Stuttgart-Identität in den Bauleitplänen und Bebauungsplänen vorzugeben.
Wie konnte es zu dieser Misere kommen? Ich stelle hier mal die These auf, dass es am Führungspersonal in dieser Stadt liegt. Damit meine ich den Oberbürgermeister, die zuständigen Bürgermeister und die zuständigen Amtsleiter. Die vielen kleinen Gemeinderäte, Aufsichtsräte und Bezirksbeiräte sind hier nicht gemeint. 90 Prozent des politischen Personals hat seit jeher nur einen Mitläuferstatus. Das hat man ja erst vor wenigen Wochen eindrucksvoll bei der Sitzung des Bahn-Aufsichtsrats zu Stuttgart 21 wieder gesehen.

Stuttgart hat Pech mit seinen Führungsfiguren
Es kommt auf die Führungsfiguren an. Mindestens einmal hatte Württemberg diesbezüglich Glück. Herzog Friedrich I. von Württemberg gelang es nach seinem Regierungsantritt 1593, mit Heinrich Schickardt einen der führenden Baumeister der Renaissance an sich zu ziehen. Dieser Hofbaumeister erhielt den Beinamen des schwäbischen Leonardo da Vinci. Obwohl die Zeitläufe viel vom Werk Heinrich Schickardts zerstört haben, kann man heute noch quer durch Württemberg viele Spuren dieses Baumeisters sehen. Und auch 378 Jahre nach seinem Tod ist Heinrich Schickardt noch in guter und deutlicher Erinnerung. 

Gute Baumeister und Führungsfiguren fallen freilich nicht vom Himmel. Da ist viel Glück mit im Spiel. Stuttgart hat seit vielleicht 80 und mehr Jahren dieses Glück leider nicht mehr gehabt. Es herrscht - und das ist vielleicht schon eine positive Übertreibung - Mittelmaß vor. Auch der aktuelle OB Fritz Kuhn scheint hier keine Ausnahme zu bilden. Die ersten 100 Tage von Fritz Kuhn im Amt des OB sind am 17. April erreicht. Damit muss es erlaubt sein, die Arbeit von Fritz Kuhn einer ersten Bewertung zu unterziehen. Irgendetwas Wegweisendes, etwas, was Stuttgart aus seiner Außenseiterrolle in Sachen des Straßen- und Bahnverkehrs sowie der Architektur und Stadtplanung herausführen könnte, habe ich bei der Arbeit von OB Fritz Kuhn bisher nicht entdeckt. 

Aber irgendwie ist das ja auch keine Überraschung. Denn schon beim Betrachten der sprechblasenhaften Wahlplakate von Fritz Kuhn war klar, dass auch hier allenfalls Durchschnittlichkeit auf Stuttgart zukommt (siehe den Post vom 05.09.2012 in diesem Blog). Die Anmaßung der Durchschnittlichkeit oder sogar der Unterdurchschnittlichkeit beim Führungspersonal dieser Stadt hat jedoch in Stuttgart die größte und kompetenteste Bürgerbewegung in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg hervorgebracht. Und das ist dann doch noch ein wenig tröstlich, dass Stuttgart sich hier einmal positiv von anderen Städten abhebt.     

Ergänzung vom 16.04.2013
Den folgenden Kommentar füge ich auf Bitte von Siegfried Busch ein:

Seit vielen Monaten wäre noch am Hauptbahnhof neben dem alten Busbahnhof an der Schlossgartenstraße eine freie Fahrspur für Bushalte möglich gewesen. Wie lieblos die Bahn mit ihrer Kundschaft umspringt, zeigt die voreilige Sperrung. So schafft die Bahn sich zudem die lästige Fernbus-Konkurrenz wirksam vom Hals. Wer die Fernbusse benutzt, muss sparen. Die Fahrt Stuttgart-Freiburg kostet meist nur 9.-€, mit der Bahn, Bahncard 25 dagegen 38,25 €, Fahrzeit mit ICE 4 Stunden, Bus 3 Stunden! Die billigste Bahnfahrt mit RE immer noch 28,10€, allerdings mit 7 Stunden Fahrzeit. Mehr dazu im Blog www.metropolis21.de.

         

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