Dagegen wird immer wieder eingewendet, dass ja in Mannheim bereits ein Fernverkehrsknoten besteht und dass die Einrichtung des integralen Taktfahrplans in Stuttgart die Auflösung des Fernverkehrsknotens in Mannheim zur Folge hätte. Im heutigen Post in diesem Blog gilt es zu zeigen, dass mit einer vernünftigen Ausbaukonzeption und einer vernünftigen Wahl der Fahrzeiten sowohl im Stuttgarter Kopfbahnhof als auch im Hauptbahnhof von Mannheim als auch im Hauptbahnhof von Ulm der integrale Taktfahrplan eingerichtet werden kann.
Bei der Argumentation gegen den Stuttgarter Fahrplanknoten wird oft übersehen, dass wir es beim zukünftigen Bahnverkehr in Baden-Württemberg sowohl in Bezug auf die Fernverkehrsrelationen als auch in Bezug auf den Regionalverkehr mit dem Halbstundentakt als Grundtakt zu tun haben. Damit wird es möglich, dass die sogenannten Knotenzeiten im integralen Taktfahrplan nicht mehr nur um die Minuten 00 und 30 stattfinden, sondern auch um die Minuten 15 und 45.
Das wird in der Schweiz, dem Erfinderland des integralen Taktfahrplans, genauso praktiziert. Auch dort ist der Halbstundentakt der Grundtakt. Es gibt dort Fahrplanknoten im integralen Taktfahrplan, die ihre Knotenzeiten um die Minuten 00 und 30 haben. Dazu gehören die Knotenpunkte Zürich, Olten, Basel, Bern und Visp (Wallis). Daneben gibt es Knotenpunkte mit Knotenzeiten um die Minuten 15 und 45. Dazu gehören die Städte Biel, Lausanne und Aarau. Mit dem weiteren Ausbau des Netzes wird es in der Schweiz weitere Taktknoten geben. Zudem werden sich die Knotenzeiten bei einigen Knoten von 00 bzw. 30 nach 15 bzw. 45 und umgekehrt ändern.
Die Fahrzeiten betragen die Hälfte der Taktzeit bzw. ein Vielfaches davon
Die Fahrzeiten zwischen zwei Knotenpunkten müssen beim integralen Taktfahrplan in erster Näherung die Hälfte der Taktzeit bzw. ein Vielfaches davon betragen. Damit erhalten wir beim 30-Minuten-Takt mögliche Fahrzeiten zwischen zwei Anschlussknoten von 15, 30, 45 und 60 Minuten usw. Für eine präzisere Berechnung der Fahrzeiten muss man von diesen Werten noch die Hälfte der Standzeit im Knoten A sowie die Hälfte der Standzeit im Knoten B abziehen.
Führen wir diese Berechnung mal für die Relation zwischen Mannheim und Stuttgart durch. Sowohl Mannheim als auch Stuttgart sollten ja beim integralen Taktfahrplan jeweils Anschlussknoten sein. Wie groß ist die Standzeit der Züge in den Bahnhöfen Mannheim und Stuttgart? Für die wichtigste Linie an einem Knotenpunkt gilt, dass die Standzeit im Knotenpunkt so klein wie möglich sein soll. Denn diese Züge warten ja nicht auf andere Züge. Auf diese Züge wird gewartet. Alle anderen Linien an einem Knotenpunkt müssen höhere Standzeiten als die Mindeststandzeiten aufweisen. Denn die Fahrgäste müssen ja Zeit für das Umsteigen haben. Die Relation Mannheim-Stuttgart-Ulm ist bei allen drei Knotenpunkten jeweils die wichtigste Linie. Damit setzen wir beim Stuttgarter Kopfbahnhof für diese Linie eine Standzeit von 4 Minuten an (technische Mindestwendezeit). Dieselbe Standzeit setzen wir für den Mannheimer Hauptbahnhof an. Für den Ulmer Hauptbahnhof nehmen wir eine Standzeit von 2 Minuten an.
Damit erhalten wir folgende Fahrzeitvarianten zwischen Mannheim und Stuttgart:
15 Minuten minus einhalb mal 4 Minuten minus einhalb mal 4 Minuten gleich 11 Minuten
30 Minuten minus einhalb mal 4 Minuten minus einhalb mal 4 Minuten gleich 26 Minuten
45 Minuten minus einhalb mal 4 Minuten minus einhalb mal 4 Minuten gleich 41 Minuten
60 Minuten minus einhalb mal 4 Minuten minus einhalb mal 4 Minuten gleich 56 Minuten.
Die Fahrzeiten zwischen Mannheim und Stuttgart im ICE-Verkehr betragen heute 37 bis 39 Minuten in beiden Richtungen. Unmittelbar nach der Inbetriebnahme der Schnellfahrstrecke im Jahr 1991 lagen die Fahrzeiten noch um zwei bis drei Minuten tiefer. Inzwischen hat man ein wenig Puffer eingebaut. Das ist ja eine übliche Vorgehensweise der Bahn, dass sie die Fahrzeiten in fast nicht merkbaren Dosen allmählich nach oben bringt, um die Verspätungen zu reduzieren. Durch diese schlaue Vorgehensweise bringt man die Verspätungsstatistik auf Vordermann und profitiert gleichzeitig davon, dass es über die Fahrzeiten in der Öffentlichkeit keine Statistiken gibt.
Die Schnellfahrstrecke von Mannheim endet über 10 Kilometer vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof - auch bei Stuttgart 21
Wenn wir jetzt einmal die möglichen Fahrzeiten zwischen Mannheim und Stuttgart bewerten, dann fällt die erste Variante mit 11 Minuten gleich unten durch. Das ist nicht erreichbar. Die nächstmögliche Fahrzeit von 26 Minuten ist sehr weit von den heute gefahrenen 37 Minuten entfernt. Nehmen wir mal an, dass heute auch eine Fahrzeit von 35 Minuten möglich wäre, dann bleibt immer noch eine Lücke von 9 Minuten. Eine großes Manko der Schnellfahrstrecke Mannheim-Stuttgart ist, dass sie 10 Kilometer vor Stuttgart endet. Die Züge müssen bereits im Tunnel Langes Feld von 250 km/h auf 120 km/h abbremsen. Das Bemerkenswerte ist - und das wissen viele Stuttgart 21-Befürworter garantiert nicht - dass Stuttgart 21 an dieser misslichen Situation überhaupt nichts ändert. Auch bei Stuttgart 21 endet die Schnellfahrstrecke wie heute 10 Kilometer vor dem Hauptbahnhof.
Eine zusätzliche Durchmesserlinie für den Stuttgarter Hauptbahnhof nach dem Vorbild der Zürcher Durchmesserlinie zusammen mit einer direkten Einführung der Schnellbahn in den Hauptbahnhof entlang der A81, dann unter dem Feuerbacher Tal hindurch und unter der Hegel- und Kriegsbergstraße hindurch würde die Fahrzeit zwischen Mannheim und Stuttgart merklich verkürzen. Ob die 26 Minuten erreicht werden, lassen wir mal dahingestellt. Den späteren Bau einer Durchmesserlinie mit vier Gleisen unter dem Kopfbahnhof habe ich in diesem Blog stets für möglich und sinnvoll gehalten, wenn die Kapazität des Stuttgarter Kopfbahnhofs an ihre Grenzen stößt. Jedoch steht diese relativ aufwändige Maßnahme bei weitem nicht an erster Stelle der Eisenbahnmaßnahmen in Baden-Württemberg.
Die zukünftige ICE-Systemfahrzeit Mannheim-Stuttgart ist 41 Minuten
Wir sollten uns also mit dem Gedanken anfreunden, dass die ICE-Züge zwischen Mannheim und Stuttgart zukünftig bei der Fahrzeit die dritte Variante, nämlich 41 Minuten, wählen werden. Diese Fahrzeit ist nur zwei bis vier Minuten länger als die heutige Fahrzeit. Für die Bahn bedeutet diese Fahrzeit, dass die ICE weniger Energie verbrauchen und dass die Verspätungen weiter abnehmen. Für die Fahrgäste ergeben sich gigantische Vorteile. Denn mit dieser Fahrzeit wird es möglich, sowohl in Mannheim als auch in Stuttgart einen Vollknoten im Rahmen des integralen Taktfahrplans einzurichten. Die Fahrgäste werden also in Mannheim und in Stuttgart sofortige Anschlüsse in alle Richtungen haben. Damit sinkt die Reisezeit für viele Fahrgäste beträchtlich. Die Reisezeit sinkt um Größenordnungen von 30 bis 60 Minuten. Die zwei bis vier Minuten längere Fahrzeit zwischen Mannheim und Stuttgart fällt da überhaupt nicht ins Gewicht. Besteht die Knotenzeit in Mannheim um die Minuten 00 und 30 herum, so wird die Knotenzeit in Stuttgart zukünftig um die Minuten 15 und 45 herum sein.
Systemfahrzeit Stuttgart-Ulm von 42 Minuten bringt für alle Reisenden Vorteile
Kommen wir nun zur Strecke von Stuttgart nach Ulm. Bei Stuttgart 21 werden ja zusammen mit der NBS Wendlingen-Ulm zukünftige Fahrzeiten von ca. 28 Minuten zwischen Stuttgart und Ulm versprochen. Diese 28 Minuten liegen ganz nahe bei den für den integralen Taktfahrplan erforderlichen Fahrzeiten. Allerdings nutzen die 28 Minuten Fahrzeit zwischen Stuttgart und Ulm den Reisenden wenig. Denn im Stuttgart 21-Tiefbahnhof kann man wegen der wenigen Gleise keinen Anschlussknoten einrichten. Bleibt zudem die Fahrzeit zwischen Mannheim und Stuttgart bei den heutigen Werten, kann man weder in Stuttgart noch in Ulm einen Taktknoten einrichten. Die Reisenden sind dann zwar in den ICE`s sehr schnell (und teuer) zwischen Stuttgart und Ulm unterwegs. Jedoch wird ihnen dies wenig nutzen, wenn sie dann die gewonnene Zeit in Stuttgart und in Ulm beim Umsteigen wieder verlieren.
Da ist es doch wesentlich besser, auch für die Strecke Stuttgart-Ulm eine Systemzeit anzustreben, die etwas unter 45 Minuten liegt (42 Minuten). Mit dieser Systemzeit lässt sich bei einem Taktknoten in Stuttgart um die Minuten 15 und 45 herum in Ulm ein Taktknoten um die Minuten 00 und 30 herum einrichten.
Für die Systemfahrzeit von 42 Minuten zwischen Stuttgart und Ulm sind Stuttgart 21 und die NBS Wendlingen-Ulm nicht erforderlich. Hierfür ist ein stufenweiser und schwerpunktorientierter Ausbau der Bestandsstrecke im Bahnkorridor Stuttgart-Ulm erforderlich. Dazu gehört der Umfahrungstunnel Geislinger Steige, der auch für den Güterverkehr von enormer Bedeutung ist. Und dazu gehören einige weitere Maßnahmen wie Streckenbegradigungen auf der Albhochfläche und Umfahrungen von Orten im Filstal.
Fazit
Taktknoten mit sofortigen Anschlüssen in alle Richtungen in Mannheim, Stuttgart und Ulm nach Schweizer Vorbild bei gleichzeitig attraktiven Fahrzeiten zwischen Mannheim, Stuttgart und Ulm müssen kein Wunschtraum bleiben. Stuttgart 21 und die NBS Wendlingen-Ulm sind hierfür nicht erforderlich, sie schaden im Gegenteil sogar.
Erforderlich hierfür sind:
- Ausreichend Gleise im Stuttgarter Hauptbahnhof (gewährleistet durch den Kopfbahnhof mit 16 Gleisen und später mal eine zusätzliche Durchmesserlinie mit 4 weiteren Gleisen),
- ausreichend Gleise im Mannheimer Hauptbahnhof (zur Zeit 9 Bahnsteiggleise, Erweiterung um 2 Gleise geplant),
- ausreichend Gleise im Ulmer Hauptbahnhof (zur Zeit 7 Bahnsteiggleise, Erweiterung um 2 Gleise geplant),
- ein etappierbarer Ausbau des Bahnkorridors Stuttgart-Ulm mit dem Ziel, die ICE-Fahrzeit Stuttgart-Ulm von heute 56 Minuten auf 42 Minuten zu senken.
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