Stuttgart 21 ist längst gescheitert. Wenn weiterhin versucht wird, das Projekt fertigzustellen, dann geschieht dies vor allem vor dem Hintergrund, dass man die riesige Bauruine fürchtet.
Gibt es noch eigentliche Stuttgart 21-Befürworter? Das ist schwer zu beantworten, weil man nicht auseinanderhalten kann, ob im Einzelfall ein ehrliches Befürworten vorliegt oder ob lediglich Durchhalteparolen ausgegeben werden.
Stuttgart 21 ist das falsche Projekt am falschen Ort. Das zeigt sich je länger desto mehr. Das zeigt sich vor allem, wenn es um andere verkehrliche Belange, wie z.B. die S-Bahn, die Stadtbahn oder das neue Zugsicherungssystem ETCS geht.
Beispielhaft für die inzwischen immer deutlicher zu Tage tretenden Argumentationsprobleme beim Projekt Stuttgart 21 steht ein Kommentar in der Printausgabe der Stuttgarter Zeitung vom 20.03.2019, betitelt mit "Signaltechnik für S-Bahnen in Stuttgart "Vom Trumpf zur Lusche"".
Im heutigen und in den folgenden Posts in diesem Blog wollen wir die in diesem Kommentar aufgestellten Thesen näher beleuchten. Ob der Autor des Kommentars, Thomas Durchdenwald, nun ein Befürworter oder ein Geger von Stuttgart 21 ist bzw. ob er Stuttgart 21 "neutral" gegenübersteht, ist ohne Belang. Fest steht, dass die Stuttgarter Zeitung als Ganzes eher pro Stuttgart 21 eingestellt ist. Ein Redaktionsleiter dieser Zeitung hat sich sogar mal damit gebrüstet, dass es Stuttgart 21 nicht gäbe, wenn die Stuttgarter Zeitung das Projekt nicht über eine längere Zeit hinweg gefördert hätte.
Im heutigen Post geht es um das Thema einer zweiten Stammstrecke für die S-Bahn sowie einer dritten Stammstrecke für die Stadtbahn.
Das sagt der Kommentar
Im Kommentar wird festgestellt, dass in München gerade eine zweite Stammstrecke für die S-Bahn gebaut wird. In Stuttgart dagegen setze man auf eine andere Karte, eben das neue Signalsystem ETCS. Gemäß dem Kommentar ist das auch gut begründet. Zum einen sei der Stuttgarter Untergrund wegen der Stadtbahn und wegen Stuttgart 21 eh schon löchrig wie ein Schweizer Käse. Zudem sei die zweite Stammstrecke schwer realisierbar und der maulwurfgeplagten Bevölkerung kaum vermittelbar sowie nicht finanzierbar.
Der Kommentar ist nicht frei von Zynismus
Bei diesem Punkt einer zweiten Stammstrecke für die S-Bahn ist der Kommentar zynisch. Zuerst trommelt die Stuttgarter Zeitung jahrelang bzw. jahrzehntelang für Stuttgart 21. Jetzt, da das Projekt im Bau ist und nach Ansicht der Befürworter einen Grad der Unumkehrbarkeit erreicht hat, wird festgestellt, dass die Stuttgarter Bevölkerung maulwurfgeplagt ist und weitere Tunnel nicht vermittelbar oder finanzierbar sind.
Stuttgart 21 behindert eine zweite Stammstrecke für die S-Bahn.
In der Tat behindert Stuttgart 21 eine zweite Stammstrecke für die S-Bahn. Die zweite Stammstrecke für die Stuttgarter S-Bahn wäre aber dringend notwendig. Nicht nur um die erste Stammstrecke zu entlasten, sondern auch um das Hauptdefizit der ersten Stammstrecke zu beheben, dass nämlich die beiden Hauptzufahrten zum Stuttgarter Hauptbahnhof (Zufahrt Bad Cannstatt und Zufahrt Zuffenhausen) nicht direkt und unmittelbar miteinander verbunden sind. Um dieses Defizit zu beheben, ist eine Führung der zweiten Stuttgarter Stammstrecke der S-Bahn wie folgt erforderlich: Bad Cannstatt - Hauptbahnhof - Hegelplatz - Hölderlinstraße - Kräherwald - Feuerbach - Zuffenhausen. Das aber wird durch Stuttgarter 21 verunmöglicht.
Stuttgart 21 selbst ist kein Ersatz für die zweite Stammstrecke der S-Bahn. Denn ein vom Bahnhof Bad Cannstatt kommender Zug kann bei Stuttgart 21 nicht nach Feuerbach und Zuffenhausen weiterfahren. Zudem ist Stuttgart 21 nicht leistungsfähig genug (man denke nur an die lediglich acht Gleise des Hauptbahnhofs sowie an die nur zweigleisige Zufahrt Zuffenhausen), um auch noch eine zweite Stammstrecke für die S-Bahn darstellen zu können.
Stuttgart 21 behindert auch eine dritte Stammstrecke für die Stadtbahn
Neben einer zweiten Stammstrecke für die S-Bahn behindert Stuttgart 21 auch eine dritte Stammstrecke für die Stadtbahn. In diesem Blog wurde bereits vielfach nachgewiesen, dass die Stuttgarter Stadtbahn dringend eine dritte Stammstrecke benötigt.
Die Stuttgarter Stadtbahn ist das einzige städtische Schienenverkehrssystem in den vergleichbaren Großstädten, das nur zwei Stammstrecken besitzt. Zudem ist das Verhältnis zwischen der Zahl der Streckenzweige und der Zahl der Stammstrecken bei der Stuttgarter Stadtbahn so extrem wie bei keinem anderen städtischen Schienenverkehrsmittel. Das deutet auf betriebliche Probleme und mangelnde Leistungsfähigkeit hin. Darauf deuten auch die zahlreichen Verlegenheitslösungen hin, die man in Stuttgart vornehmen musste, z.B. der Schnellbus X1 sowie die Stadtbahnlinien U16, U19, U34, U29 usw. Es ist ganz konkret das Projekt Stuttgart 21, das in den letzten Jahrzehnten alles Geld und alle Aufmerksamkeit an sich gezogen hat und die dritte Stammstrecke für die Stadtbahn verunmöglicht hat.
Im Post vom morgen geht es hier in diesem Blog weiter mit den Versprechungen von Stuttgart 21 für die S-Bahn und dem Signalsystem ETCS.
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