Sonntag, 13. April 2014

Stuttgart 21 - das Projekt mit den leistungsmindernden höhengleichen Gleiskreuzungen, Teil 3


Bereits bei einer Betrachtung nur des geplanten Hauptbahnhofs kommen Zweifel an der Tauglichkeit und ausreichenden Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21 auf. Diese Zweifel verstärken sich noch, wenn man das gesamte Projekt einschließlich der Zulaufstrecken betrachtet. Denn Bestandteil von Stuttgart 21 sind auffallend viele höhengleiche Gleiskreuzungen im Verlauf der Zulaufstrecken. 

Die wenigen Gutachten, die sich mit der Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems Stuttgart 21 befassen, stellen dem Projekt ein schlechtes Zeugnis aus. So heißt es in einem Gutachten der Beraterfirma SMA für die frühere Verkehrsministerin Gönner, dass zur (mangelnden) Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21 wegen der Brisanz absolutes Stillschweigen erforderlich ist. Frau Gönner hielt dieses Gutachten zunächst unter Verschluss.

In einer Serie hier in diesem Blog wollen wir uns mit den Schwerpunkten der höhengleichen Gleiskreuzungen bei Stuttgart 21 näher beschäftigen. Den Anfang machte die Zufahrt Plochingen (Post vom 30.03.2014). Dann ging es um die Zufahrt Waiblingen (Post vom 06.04.2014). Im heutigen Post geht es um den Bereich bei Wendlingen.


Seit der Inbetriebnahme der Verlängerung der S-Bahnlinie S1 von Plochingen über Wendlingen nach Kirchheim/Teck im Jahr 2009 ist hier in Sachen Höhenfreiheit ein erster Sündenfall beim Bahnknoten Stuttgart eingetreten. Die S-Bahn verläuft zwischen Wendlingen und Kirchheim/Teck eingleisig. Zudem muss die S-Bahn von Plochingen in Richtung Kirchheim/Teck bei Wendlingen das Gleis der Regionalzüge Tübingen-Stuttgart höhengleich kreuzen.

Diese höhengleichen Betriebsabwicklungen wirken sich bereits negativ auf die Leistungsfähigkeit, auf die Regelmäßigkeit und Pünktlichkeit, auf die Fahrzeiten sowie auf den Freiheitsgrad bei der Fahrplangestaltung im Stuttgarter S-Bahnnetz und im gesamten Bahnknoten Stuttgart aus. Nun sollen aber mit Stuttgart 21 im Bereich Wendlingen weitere höhengleiche Gleiskreuzungen dazukommen.

Stuttgart 21 würde im Bereich Wendlingen mehrere zusätzliche höhengleiche Gleiskreuzungen bringen
Bei Stuttgart 21 soll die Schnellfahrstrecke Stuttgart-Ulm die bestehende Bahnstrecke Plochingen-Tübingen westlich des Bahnhofs Wendlingen höhenfrei kreuzen. So weit, so gut. Es soll aber auch zwei Verknüpfungen zwischen der Schnellfahrstrecke und der Bahnstrecke Plochingen-Tübingen geben. Und diese Verknüpfungen sollen mittels höhengleicher Gleiskreuzungen ausgebildet werden.

Die beiden Verknüpfungen nennen sich die Wendlinger Kurve sowie die Kleine Wendlinger Kurve. Wir lassen für die heutigen Betrachtungen mal die Kleine Wendlinger Kurve außen vor. Diese Kurve sollen ja im wesentlichen nur die sogenannten Leichtgüterzüge benutzen, von denen heute niemand weiß, ob es sie je geben wird. Die (große) Wendlinger Kurve jedoch hat es in sich.

Im Verlauf der Wendlinger Kurve gibt es die folgenden höhengleichen Betriebsabwicklungen:
  • Die Wendlinger Kurve ist nur eingleisig geplant. Die Züge vom Flughafen in Richtung Tübingen können somit nicht gleichzeitig mit den Zügen von Tübingen in Richtung Flughafen fahren. 
  • Die Züge vom Flughafen in Richtung Tübingen müssen das Gleis der Neckartalbahn von Tübingen in Richtung Plochingen höhengleich kreuzen. 
  • Zudem müssen sich die Züge vom Flughafen in Richtung Tübingen auch noch in das Gleis der Neckartalbahn von Plochingen nach Tübingen einfädeln.
  • Die Züge von Tübingen zum Flughafen müssen das Gleis der Schnellfahrstrecke von Stuttgart nach Ulm höhengleich kreuzen.
  • Zudem müssen sich die Züge von Tübingen zum Flughafen auch noch in das Gleis der Schnellfahrstrecke von Ulm zum Flughafen einfädeln.
Man könnte unter diesen Randbedingungen sogar zweifeln, ob eine behinderungsfreie Fahrt für die Züge von Tübingen zum Flughafen überhaupt möglich sein wird. Jedenfalls hat die Wendlinger Kurve das Potenzial, zusammen mit den vielen anderen höhengleichen Betriebsabwicklungen im Stuttgart 21-System die Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21 erheblich einzuschränken. Auch die Freiheitsgrade bei der Fahrplangestaltung sind dadurch stark eingeschränkt. Das heißt konkret, dass bei Stuttgart 21 zwar einige Züge fahren können, dass diese Züge aber nicht dann fahren, wenn es für die Fahrgäste eigentlich am vorteilhaftesten ist, weil einfach die dafür erforderlichen Fahrplanlagen nicht zur Verfügung stehen.

Der etappierbare Ausbau des Bahnknotens Stuttgart bringt auch für den Bereich Wendlingen wesentlich bessere Bedingungen
Nun gibt es zu Stuttgart 21 ja eine Alternative. Das ist der etappierbare Ausbau des Bahnknotens Stuttgart. Und diese Alternative ist keineswegs der Außenseiter im Vergleich zu Stuttgart 21. Vielmehr werden alle Bahnknoten in Europa in einzelnen Schritten, eben etappierbar, ausgebaut - außer der Bahnknoten Stuttgart beim Projekt Stuttgart 21.

Im Rahmen des etappierbaren Ausbaus des Bahnknotens Stuttgart gibt es das Modul der Express-S-Bahn vom bestehenden Flughafenbahnhof entlang der A8 und über die Wendlinger Kurve nach Nürtingen. Ein weiteres Modul beinhaltet die Express-S-Bahn vom Flughafen über die Wendlinger Gegenkurve nach Wendlingen und Plochingen.

Eine Schnellfahrstrecke vom Flughafen entlang der A8 nach Ulm gibt es beim etappierbaren Ausbau des Bahnknotens Stuttgart nicht. Aber, aber - so kommt jetzt vielleicht der Einwand - die Schnellfahrstrecke ist doch bereits im Bau. Ja, sie ist im Bau, aber nur zwischen Aichelberg und Ulm. Und das ist dann auch der Kompromiss, den man im Rahmen des etappierbaren Ausbaus des Bahnknotens Stuttgart eingehen muss und kann. 

Zwar ist die NBS Wendlingen-Ulm so ziemlich das schlechtestgeplante Bahnprojekt in Europa. Unsere Welt besteht jedoch aus Kompromissen. Es gilt also anzuerkennen, dass das grottenschlechte Projekt zwischen dem Aichelberg und Ulm bereits im Bau ist. Ebenso klar ist jedoch, dass die NBS zwischen Aichelberg und Wendlingen noch nicht im Bau ist. Somit wird aus der NBS Wendlingen-Ulm die NBS Plochingen-Ulm. Die NBS wird von Aichelberg direkt nach Plochingen geführt. Die NBS wird nicht an den Flughafen angebunden. Jedoch gibt es für den Flughafen einen nicht nur gleichwertigen, sondern höherwertigeren Ersatz. Und das ist der Bahnknoten Plochingen, an den die NBS direkt und in geradem Verlauf angebunden wird.

Es gibt also auch beim etappierbaren Ausbau des Bahnknotens Stuttgart eine Wendlinger Kurve. Es gibt sogar dazu noch eine Wendlinger Gegenkurve. Je nach Fahrplangestaltung können die Wendlinger Kurve sowie die Wendlinger Gegenkurve eingleisig oder zweigleisig ausgebaut werden. Höhengleiche Gleiskreuzungen können hierbei vermieden werden.

Im folgenden Post in diesem Blog (Post vom 20.04.2014) kommen wir bereits zum vierten Teil der Reihe über die leistungsmindernden höhengleichen Gleiskreuzungen beim Projekt Stuttgart 21. Diesmal geht es um die bei Stuttgart 21 geplante Rohrer Kurve. 

Abbildung 5: Bereich Wendlingen, heutiger Zustand

Abbildung 6: Bereich Wendlingen, Zustand bei Stuttgart 21
          

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