Mit Stolz verweisen die Betreiber und Befürworter von Stuttgart 21 immer wieder auf die Erweiterung des Unteren Schlossgartens und des Rosensteinparks, die nach der Fertigstellung von Stuttgart 21 stattfinden soll. Manche Zeitgenossen tragen sogar Anstecker mit sich herum, mit denen sie sich als Parkerweiterer und damit als die wahren Umweltschützer ausweisen.
Diese Leute lassen sich entweder von den Projektbetreibern an der Nase herum führen (einmal angenommen, es sind gutgläubige Menschen) oder sie verbreiten die Parole der Parkerweiterung wider besseres Wissen.
Werden die Parkanlagen im Zusammenhang mit dem Projekt Stuttgart 21 wirklich erweitert? Und ist die sogenannte Erweiterung der Parkanlagen wirklich ein seit langem bestehendes Ziel der Stadtplanung und Grünplanung in Stuttgart?
Bei näherer Betrachtung muss man beide Fragen mit Nein beantworten. Die Anlage einer neuen Parkfläche auf Höhe des ehemaligen Postvertriebszentrums zwischen dem Unteren Schlossgarten und dem Rosensteinpark leitet sich nicht von dem hehren Anspruch ab, die Stuttgarter Parkfläche zu erweitern. Statt dessen ist der Vorhabenträger des Projekts Stuttgart 21 im Planfeststellungsbeschluss zum geplanten Tiefbahnhof verpflichtet worden, als Ausgleichsmaßnahme für Eingriffe in vorhandene Park- und Grünbestände die Parkfläche im Bereich des ehemaligen Postvertriebszentrums zu erweitern. Und es kommt noch schlimmer. Diese Ausgleichsmaßnahme ist gemäß dem Planfeststellungsbeschluss nicht einmal ausreichend, um die Verluste an Grün- und Naturflächen durch das Projekt Stuttgart 21 zu kompensieren. Deshalb wird im Planfeststellungsbeschluss vorgeschrieben, dass eine weitere Ausgleichsmaßnahme im Mussenbachtal, einem Gebiet weit außerhalb der Stadtgrenzen von Stuttgart vorzusehen ist.
Es gibt also im Zusammenhang mit Stuttgart 21 keine Parkerweiterung in dem Sinne, dass netto ein Zuwachs an Park- und Naturfläche im Stadtgebiet erfolgt. Die zusätzliche Parkfläche im Bereich des ehemaligen Postvertriebszentrums ist lediglich eine nicht einmal vollständige Ersatzmaßnahme für den Wegfall und die Beeinträchtigung der Parkfläche an anderer Stelle.
Nur wenn man die gesamte Region Stuttgart betrachtet, bedeutet das Projekt Stuttgart 21 somit ein Nullsummenspiel bei den Park- und Naturflächen. Betrachtet man nur die Fläche der Landeshauptstadt Stuttgart, führt das Projekt Stuttgart 21 unter dem Strich sogar zu einer Reduzierung der Park- und Naturflächen. Und betrachtet man nur den Bereich der Innenstadt von Stuttgart, ist der Verlust an Park- und Naturfläche durch das Projekt Stuttgart 21 sogar groß und nicht kompensierbar.
Auch bei einem Blick auf die Stadt- und Grünflächenplanung der Landeshauptstadt Stuttgart findet man keinen Hinweis auf zusätzliche Parkflächen im Bereich des ehemaligen Postvertriebszentrums. Wenn diese Parkflächen für die Stadtentwicklung so wichtig wären, wären sie längst Bestandteil eines Grünflächenplans und eines Flächennutzungsplans gewesen. Das ist nicht der Fall.
Die Landeshauptstadt Stuttgart hat in den vergangenen Jahrzehnten eine umfangreiche Grünflächenachse, das sogenannte Grüne U geschaffen. Durch das Grüne U wird eine Grünflächenverbindung zwischen der Stuttgarter Innenstadt und dem Killesberg hergestellt. Zur Zeit wird der letzte Abschnitt dieser Grünflächenverbindung zwischen dem Killesberg und der Feuerbacher Heide erstellt.
Im Jahr 1961 wurde der Mittlere Schlossgarten im Rahmen einer Bundesgartenschau umgestaltet. Im Jahr 1977 fand auf dem anschließenden Unteren Schlossgarten sowie Teilen des Parks der Villa Berg sowie des Rosensteinparks eine weitere Bundesgartenschau statt. Und im Jahr 1993 fand die Internationale Gartenbauausstellung (IGA) auf Teilen des Rosensteinparks, auf dem Leibfriedschen Gelände und auf dem Wart- und Steinberggelände statt. Diese Gartenschauen hatten alle unter anderem das Ziel, das Grüne U zu schaffen und zu vollenden. Die Betonung liegt hier auf "vollenden". Eine über das Grüne U hinausgehende Grünflächenplanung gibt es nicht. Und hierfür wurde auch nie ein Bedarf gesehen.
Und jetzt kommt Stuttgart 21, dieses überfallartig (die Betreiber sagten 1995: mit Überraschungseffekt) lancierte Projekt daher und will uns weismachen, dass es weiterer Parkflächen im Bereich zwischen dem Unteren Schlossgarten und dem Rosensteinpark bedarf. Nein, lautet hier die Antwort. Erstens handelt es sich hier netto gar nicht um neue Parkflächen. Und zweitens waren neue Parkflächen an dieser Stelle nie Bestandteil der Stadt- und Grünflächenplanung.
Nicht vergessen darf man zudem, dass die Kompensations-Parkflächen bei Stuttgart 21 erst viele Jahre nach dem baubedingten Verlust an Park- und Naturfläche zur Verfügung stehen werden. Im Planfeststellungsbeschluss wird vorgegeben, dass die Ausgleichsmaßnahme innerhalb eines Jahres nach Durchführung des Rückbaus der Gleisanlagen umzusetzen ist. Das hört sich nur auf den ersten Blick gut an. Mit dem Rückbau der Gleisanlagen kann erst nach Fertigstellung und Inbetriebnahme des Gesamtprojekts Stuttgart 21 begonnen werden. Und der Rückbau der Gleisflächen kann dauern - man denke nur an Bodenverunreinigungen oder plötzliche Finanzierungsengpässe (nach der Inbetriebnahme von Stuttgart 21 könnte das Interesse der Bahn an weiteren Maßnahme ganz schnell nachlassen). Rechnen wir also zusammen. 15 Jahre Bauzeit bis zur Inbetriebnahme (realistische Annahme) + 5 Jahre Zeit für den Gleisrückbau einschließlich der Zeitdauer für die Beseitigung von Bodenverunreinigungen und sonstiger Schäden (gerichtliche Auseinandersetzungen eingeschlossen) = 20 Jahre. 20 Jahre nach dem Verlust an Park- und Naturfläche in der Innenstadt wird somit beim Projekt Stuttgart 21 eine partielle Ausgleichsmaßnahme fertiggestellt sein.
Noch ein Wort zum alternativen Projekt K 21, dem etappierbaren Ausbau des Bahnknotens Stuttgart auf der Basis des bestehenden Kopfbahnhofs. Auch bei diesem Projekt wird ehemalige Bahnfläche für neue Parkanlagen frei. Im Gegensatz zum Projekt Stuttgart 21 handelt es sich hier jedoch tatsächlich um einen Zuwachs an Netto-Parkfläche. Denn im Falle von K 21 sind keine Ausgleichsmaßnahmen für den Verlust von Park- und Grünfläche wie bei Stuttgart 21 erforderlich.
Nun wurde von den Stuttgart 21 - Befürwortern in der vierten Schlichtungsrunde kritisiert, dass die bei K 21 entstehenden neuen Parkflächen weniger wert seien als die Parkflächen bei Stuttgart 21. Denn bei K21 fahren am Rande der Parkflächen teilweise weiterhin Züge.
Gerade mit solchen Äußerungen zeigen die Stuttgart 21 - Befürworter ihren technokratischen Charakter. Wahre Förderer und Freunde der Bahn sind unter diesen Leuten wohl kaum zu finden. In vielen Städten und Regionen der Welt gehören Züge, die am Rand von Parks vorbeifahren oder sogar mitten durch die Stadt fahren, zum Stadtbild, zum Charakter, zum Puls der Stadt hinzu. Erst in diesen Monaten wird in München im Zuge der Neugestaltung ehemaliger Gleisflächen entlang der Bahnhauptachse vom Hauptbahnhof nach München - Pasing ein neuer Fußweg parallel zu den Gleisen fertiggestellt. Und dieser Fußweg wird in München als hoch attraktiv eingeschätzt. Erlaubt er doch hautnah, das nicht enden wollende Fahren der Züge ganz nah zu beobachten.
Fazit: Durch das Projekt Stuttgart 21 gibt es netto keine Parkerweiterung. Es werden im Gegenteil die Verluste an Park- und Naturfläche nicht einmal innerhalb der Stadtgrenzen Stuttgarts ausgeglichen. Hingegen erlaubt das Projekt K 21 eine echte Parkerweiterung, wobei die am Rand des Parks fahrenden Züge als Teil des Stadtorganismus eine wichtige Rolle spielen.
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