Freitag, 23. August 2024

Nach Stuttgart 21-Blamage: Muss man sich jetzt auch noch für den Stuttgarter Schlossplatz schämen?

In diesen Tagen sieht man vielfach Touristen in der Umgebung des Stuttgarter Schlossplatzes, die ungläubig und zum Teil fassungslos auf das schauen, was sich ihnen hier bietet: 

Nahezu der gesamte Schlossplatz ist hinter eine mobilen Absperrung verschwunden und somit nicht oder kaum sichtbar. Am ehesten erwischt man noch einen Blick auf den Schlossplatz, wenn man in den Musikpavillon hineingeht. Denn der Fußboden des Musikpavillons ist etwas erhöht. So drängen sich in diesen Tagen zuweilen Menschen mit emporgestemmter Kamera oder iPhone, um vielleicht doch noch ein Bild vom Schlossplatz machen zu können.

Was ist geschehen?
Der Stuttgarter Schlossplatz war der Standort mehrerer Großveranstaltungen. Das hat den Platz so zugerichtet, dass er jetzt für mehrere Wochen wohl bis in den September hinein gesperrt bleiben muss. 

Angefangen hat es mit der Großveranstaltung des Public Viewing zur Fußball-Europameisterschaft. Die EM begann am 14.06.2024. Der Aufbau der Megakonstruktion begann einige Wochen vorher. Nach der Fußball-EM gab es einen fliegenden Wechsel der Megakonstruktion. Dann begannen die Jazz Open.

Summa summarum bleibt der Stuttgarter Schlossplatz somit im Jahr 2024 für die Dauer von wohl drei Monaten für die Öffentlichkeit - für Einheimische wie Touristen - gesperrt. 

Muss man sich das bieten lassen?
Viel zu wenig wird hinterfragt, ob man sich so etwas bieten lassen muss. Öffentlichkeit, Stadtverwaltung, Gemeinderat, Landesverwaltung und Landesparlament sollten in der Tat mal diskutieren, ob es richtig ist, den wichtigsten öffentlichen Raum der Landeshauptstadt Stuttgart für die Dauer von drei Monaten pro Jahr der Öffentlichkeit zu entziehen.

Denn Stuttgart hat nicht viele solche urbanen und schönen Plätze wie den Schlossplatz. Der Schlossplatz wurde nicht für Großveranstaltungen wie Public Viewing oder für Musikveranstaltungen gemacht. Der Schlossplatz und seine umgebende Bebauung sollen heute in erster Linie für sich selbst wirken und für die Einheimischen wie für die Touristen ein angenehmer Ort sein.

München zum Beispiel würde so etwas niemals einfallen. Und München hat mehr schöne und urbane Plätze als Stuttgart. Das Public Viewing in München fand im Olympiapark statt.

Wie attraktiv ist Stuttgart für Touristen?
Ist Stuttgart für Touristen attraktiv? Ich habe mir das mal durch den Kopf gehen lassen. Und in der Tat: Stuttgart hat unglaublich viele und viele Dutzend Einzelsehenswürdigkeiten, wie z.B. das Porsche Museum, die Grabkapelle Württemberg, die Hohenheimer Gärten, die Wilhelma, die Mineralbäder und -quellen, die Zahnradbahn und viele, viele andere mehr. Stuttgart hat aber ein Problem, wenn es um das Thema einer urbanen, durch eine räumliche, zweidimensionale Abfolge von Plätzen, Boulevards, Parks und markanten Gebäuden mit guter Architektur charakterisierten Stadt geht. Das ist zum Teil auf die topographische Situation, zum Teil auf die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg, aber auch auf schwere städtebauliche Fehler beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg zurückzuführen. Eine glaubhafte Kehrtwende kann ich noch nicht erkennen.

Vor diesem Hintergrund den Schlossplatz, den mit Abstand besten Platz Stuttgarts, für ein Viertel Jahr pro Kalenderjahr der Bevölkerung zu entziehen, ist nicht zulässig.

Die Landeshauptstadt Stuttgart sollte so schnell wie möglich auf das Land BW, den Eigentümer des Schlossplatzes zugehen und vereinbaren, dass Großveranstaltungen zukünftig nicht mehr auf dem Schlossplatz, sondern z.B. auf dem Cannstatter Wasen stattfinden.

Schlossplatz-verträglich scheint mir hingegen der Weihnachtsmarkt mit Eisenbahn und leuchtenden Figuren zu sein. Und selbstverständlich müssen auf dem Schlossplatz auch Demonstrationen stattfinden können. Das Demonstrationsrecht ist in der Deutschen Verfassung ganz hoch angesiedelt.    

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.