Die Stuttgarter S-Bahn sowie einige wenige andere S-Bahnsysteme in Deutschland benötigen für das barrierefreie Ein- und Aussteigen eine Bahnsteighöhe von 96 cm. Damit sind diese Systeme ein Sonderfall in Deutschland.
Die erforderliche Bahnsteighöhe von 96 cm ist auch einer von mehreren Gründen, weshalb eine Verlängerung der Stuttgarter S-Bahn von Herrenberg nach Horb nicht sinnvoll oder möglich ist. Genau eine solche Verlängerung zieht aber der Verband Region Stuttgart in Erwägung.
Fangen wir erst mal kurz mit den Zuständigkeiten an. Der Verband Region Stuttgart ist für eine S-Bahnlinie von Horb nach Herrenberg gar nicht zuständig. Denn das Gesetz über die Errichtung des Verbands Region Stuttgart (GVRS) vom 7. Februar 1994, zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 4. April 2023, legt in §4 fest, dass der Verband Region Stuttgart die Trägerschaft für die S-Bahn nur bis zur Verbandsgrenze innehat. Aus Richtung Stuttgart gesehen ist der Verband Region Stuttgart somit nur bis zum Bahnhof Bondorf zuständig. Horb befindet sich nicht in der Region Stuttgart, sondern im Landkreis Freudenstadt.
Ist ein Umbau der Stuttgarter S-Bahn für Bahnsteighöhen von 76 cm machbar?
Ein solcher Umbau ist kaum mehr machbar. Er würde Milliarden kosten. Man müsste die S-Bahn für mehrere Jahre stilllegen und fast alle Bahnhöfe umbauen. Zudem müsste man alle S-Bahn-Fahrzeuge austauschen.
Es gibt nun einmal Entscheidungen, die für die Ewigkeit getroffen worden sind. Und dazu gehört die Entscheidung, die S-Bahnnetze von München, Frankfurt und Stuttgart mit besonderen Fahrzeugen zu betreiben, die eine Bahnsteighöhe von 96 cm erfordern.
In der Schweiz gibt es diese Probleme nicht. Dort hat die S-Bahn dieselben Bahnsteighöhen wie die Fernzüge oder Regionalzüge. Deshalb können die S-Bahnnetze in der Schweiz flexibler ausgebaut werden und größere Streckenlängen aufweisen.
Für die Stuttgarter S-Bahn bleibt nur, dass sie sich auf die Strecken mit besonders starkem Verkehrsaufkommen konzentriert. Das ist im Wesentlichen das bestehende S-Bahnnetz. Zudem sollte ein Mischverkehr zwischen dem Metropolexpress (Bahnsteighöhe 76 cm) und der S-Bahn im Regelfall bei den einzelnen Bahnhöfen vermieden werden. Eine Ausnahme sind die größeren Bahnhöfe wie z.B. Esslingen am Neckar, wo seit jeher verschieden hohe Bahnsteige vorhanden sind.
Welche Nachteile hat eine S-Bahn nach Horb?
Die Sonder-Bahnsteighöhe von 96 cm bei der Stuttgarter S-Bahn würde einen Umbau bzw. eine Erweiterung der Bahnhöfe Gäufelden, Bondorf, Ergenzingen, Eutingen im Gäu und Horb für den Mischverkehr Metropolexpress / Gäubahn erfordern. Das wäre raumgreifend, lange Wege für die Fahrgäste erzeugend, teuer, ggf. mit zusätzlichen Weichen verbunden und langwierig (4 oder mehr Jahre Planungs- und Bauzeit), wie ein aktuelles Beispiel aus München gerade zeigt.
Die S-Bahn hat zudem kein WC - im Gegensatz zum Metropolexpress. Die S-Bahn hat weniger Sitzplätze als der Metropolexpress. Die Sitze der S-Bahn sind weniger bequem als die Sitze des Metropolexpress. Je nach Betriebsmodell ist die Fahrzeit mit der S-Bahn von Horb nach Stuttgart länger als die Fahrzeit mit dem Metropolexpress.
Eine S-Bahn nach Horb ist zudem eine Verspätungsschleuder. Je länger die S-Bahn auf denselben Gleisen wie die Fernzüge und der Metropolexpress fährt, desto größer wird die Gefahr von Verspätungen - bei der S-Bahn und bei den Fernzügen.
Wie lange ist die Fahrzeit Horb - Stuttgart?
Je nach der einzusetzenden S-Bahnlinie wäre die Fahrzeit Horb - Stuttgart unterschiedlich lang.
Würde man die S1 von Herrenberg nach Horb verlängern, wäre die Fahrzeit mit der S-Bahn von Horb nach Stuttgart länger als eine Fahrt mit dem Metropolexpress. Denn die S1 hält zwischen Herrenberg und S-Vaihingen an allen Haltepunkten - im Gegensatz zum Metropolexpress.
Würde man hingegen die S5 vom heutigen Endpunkt Schwabstraße nach S-Vaihingen und weiter als Express-S-Bahn bis Horb (Haltepunkte = diejenigen des Metropolexpress) verlängern, wäre die Fahrzeit Horb - Stuttgart mit der S-Bahn gleich lang wie mit dem Metropolexpress.
Fahrlagen der S-Bahn, des Metropolexpress und der Fernzüge
Wir haben ja heute bereits das Problem, dass es Einschränkungen beim Verkehr im Verlauf der Gäubahn gibt, weil die Strecke überlastet ist. So gibt es alle zwei Stunden eine Taktlücke bei der S1 in den Haltepunkten Hulb, Ehningen, Gärtringen und Nufringen.
Würde die S-Bahn bis Horb verlängert, könnten wegen Streckenüberlastung die S-Bahn und der Metropolexpress wohl jeweils nur im Stundentakt verkehren. Das ist nicht attraktiv.
Maßgebend ist das Land BW
Das Land BW ist bei der Bahnlinie Horb - Stuttgart am Zug und muss die Federführung übernehmen. Es muss im Halbstundentakt ein Metropolexpress Horb - Stuttgart verkehren. Zudem muss die Möglichkeit bestehen, dass jede Stunde ein Fernzug Zürich - Stuttgart verkehrt. Alle diese Züge müssen in einen Ergänzungsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof geführt werden.
Ergänzungsbahnhof hat auch 96 cm-Bahnsteige für die S-Bahn
Die aktuellen Probleme, die zu einem immer hektischeren Aktionismus bei der Gäubahn führen, haben auch etwas mit der Passivität des Verbands Region Stuttgart in Sachen Ergänzungsbahnhof zu tun. Der Verband Region Stuttgart hat es versäumt, den Ergänzungsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof voranzutreiben. Dies ist sehr wohl auch in der Zuständigkeit des Verbands Region Stuttgart. Denn der Ergänzungsbahnhof wird auch einige Gleise mit einer Bahnsteighöhe von 96 cm für die S-Bahn aufweisen. Sie dienen dazu, dass im Störungsfall S-Bahnzüge den Stuttgarter Hauptbahnhof erreichen, sowie dass neue Angebote auf die Schiene gestellt werden können (z.B. Express-S-Bahn Kirchheim unter Teck - Stuttgart).
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.