Jahrelang galt das Stuttgarter Lindenmuseum als heißer Kandidat für einen Umzug auf die zukünftige Konversionsfläche Stuttgart 21-Rosenstein. Jetzt wurde entschieden: Das Lindenmuseum bleibt an seinem angestammten Platz und wird dort erweitert und städtebaulich besser integriert.
Das teilte das Landesministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg am 25.07.2023 mit. Voraus ging ein Beschluss des Verwaltungsrats des Museums, in dem das Land BW und die Landeshauptstadt Stuttgart vertreten sind.
Das sehen wir uns heute hier in diesem Blog mal ein wenig näher an. Denn der Fall Lindenmuseum steht beispielhaft für die zum Teil verkorkste Stadt- und Architekturplanung Stuttgarts sowie für die Fragwürdigkeit von Stuttgart 21-Rosenstein.
Das Lindenmuseum ist eines der zahlreichen Museen Stuttgarts. Es ist ein staatliches Museum für Völkerkunde sowie eines der größten Völkerkundemuseen Europas. Das Museum gehört dem Land Baden-Württemberg. Die Landeshauptstadt Stuttgart trägt die Hälfte der Finanzierung.
Angeblich ist der heutige Standort des Lindenmuseums schlecht
Das Lindenmuseum befindet sich am Hegelplatz im Stadtbezirk Stuttgart-Mitte im Stuttgarter Talkessel. Interessant ist, dass der früher geplante Umzug des Lindenmuseums nach Stuttgart 21-Rosenstein mit dem angeblich schlechten Standort des Museums begründet wurde. Das Museum befinde sich im Abseits. Das ist dann aber doch merkwürdig. Es gibt also nach Auffassung bestimmter Teile der staatlichen Legislative und Exekutive innerhalb des Stuttgarter Talkessels schlechte Standorte?! Wäre es da nicht besser, anstatt das Lindenmuseum zu verlegen, den schlechten Standort zu verbessern?
Die heutige desolate Situation
Das Lindenmuseum befindet sich heute an einem städtebaulichen und architektonischen Unort. Der Hegelplatz ist kein Platz, sondern eine biedere Straßenkreuzung, Die Holzgartenstraße, die zusammen mit der Büchsenstraße das Lindenmuseum mit der Innenstadt bei der Königstraße verbindet, besteht aus vielen Bäumen - und sonst nichts. Diese Straße ist eigentlich in einem Gewerbegebiet richtig platziert. Kaum ein Gebäude von architektonischem Rang ist zwischen dem Lindenmuseum und der Königstraße zu finden. Mir fallen drei Ausnahmen ein: Hospitalkirche mit Hospitalhof, Mittnachtbau und Stockgebäude.
Warum leistet sich die Landeshauptstadt Stuttgart selbst im Stuttgarter Talkessel solche Unorte?
Gerade mal 31 Prozent der Bevölkerung Stuttgarts lebt im Stuttgarter Talkessel (Hier wurde etwas vereinfacht, indem die Einwohner der Stadtbezirke Mitte, Ost, West, Nord und Süd zusammengezählt wurden). Gerade mal 7 Prozent der Bevölkerung der Region Stuttgart lebt im Stuttgarter Talkessel. Der Stuttgarter Talkessel macht einerseits Stuttgart touristisch interessant. Auf der anderen Seite macht er Stuttgart in den Augen z.B. von Touristen wesentlich kleiner als es eigentlich ist. Bei der Begrenztheit des Stuttgarter Talkessels sollte man eigentlich meinen, dass sich wenigstens die dort zur Verfügung stehenden Flächen städtebaulich und architektonisch optimal präsentieren. Das aber ist mitnichten der Fall.
Was muss städtebaulich und architektonisch getan werden?
Der Hegelplatz muss zu einem richtigen Platz entwickelt werden. Genauso muss der Platz der Deutschen Einheit am Schnittpunkt der Holzgartenstraße mit der Büchsenstraße zu einem richtigen Platz werden. Die Kreuzung Schloss-/Büchsenstraße muss ebenfalls ein richtiger Platz werden - allerdings muss dazu die störende Tunnelrampe der Stadtbahn in der Schlossstraße erst mal beseitigt werden.
Die drei genannten Plätze könnten - ich übertreibe jetzt absichtlich etwas - nach dem Vorbild des Piccadilly-Circus oder des Oxford-Circus in Londen oder des Gärtnerplatzes in München als Kreisverkehrsanlagen gestaltet werden. Auf allen Seiten des Hegelplatzes sowie entlang der gesamten Holzgartenstraße und Büchsenstraße muss eine architektonisch ansprechende Bebauung in Blockrandbauweise errichtet werden.
Die Achse zwischen der Königstraße und dem Lindenmuseum entlang der Büchsenstraße und Holzgartenstraße muss als Boulevard so gestaltet werden, dass die Menschen in größerer Zahl freiwillig und gerne von der Königstraße in Richtung Lindenmuseum flanieren.
Geht der Stuttgart 21-Rosenstein-Hype allmählich zu Ende?
Das Lindenmuseum gibt Stuttgart 21-Rosenstein einen Korb. Ob das bereits das Ende des Stuttgart 21-Rosenstein-Hypes einleitet, bleibt erst mal dahingestellt. Es wäre aber der Stadtpolitik nur anzuraten, sich einfach mal ein Bild von der Vielzahl der städtebaulichen und architektonischen Katastrophen innerhalb des Stuttgarter Talkessels zu machen und dann Prioritäten neu zu definieren.
Die Stadt sollte aufhören, gegen die Gäubahn und gegen den Ergänzungsbahnhof zu arbeiten
Die Landeshauptstadt Stuttgart kann keine substanziellen Gründe gegen die dauerhafte Führung der Gäubahn zum Hauptbahnhof und gegen einen Ergänzungsbahnhof beim Hauptbahnhof vorweisen. Dazu gibt die Stadt bei der Konversion ehemaliger Bahnflächen ein zu schlechtes Bild ab. Dazu gibt es einfach auch viel zu viele Firmen, die dem Stuttgarter Talkessel Adieu sagen und deren Flächen nun konvertiert werden müssen. Dazu gibt es viel zu viele Unorte im Stuttgarter Talkessel, die darauf warten, wachgeküsst zu werden.
Das Lindenmuseum hat Glück gehabt
Trotz der augenblicklichen desolaten städtebaulichen Situation am bestehenden Standort muss man das Lindenmuseum beglückwünschen, dass es am jetzigen Standort bleiben darf. Denn bei einem anvisierten Umzug nach Stuttgart 21-Rosenstein wäre in keinster Weise klar, wann ein solcher Umzug erfolgen könnte. Und wer weiß, vielleicht wäre dann das Lindenmuseum in einer anderen desolaten städtebaulichen Situation in Stuttgart 21-Rosenstein gelandet.
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Das Stuttgarter Lindenmuseum befindet sich am Hegelplatz, einer banalen Straßenkreuzung
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Die Holzgartenstraße als Verbindung zwischen dem Lindenmuseum und der Stuttgarter Königstraße ist grün - mehr aber auch nicht. |
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